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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Der Rücktritt vom Versuche. §. 34.

Die Ausführungshandlung selbst muß begonnen
haben
. Daß diese Beschränkung den Bedürfnissen der
Rechtsordnung nicht genügt, bedarf wohl kaum eines Nach-
weises.

Nur ausnahmsweise hat der Gesetzgeber auch Vorbe-
bereitungshandlungen
unter Strafe gestellt. Hieher ge-
hören die oben unter III 2 und 3 angeführten Fälle.7

Die Beschränkung des strafbaren Versuches auf den Be-
ginn der Ausführungshandlung ergiebt die Unmöglichkeit
eines strafbaren Versuches in jenen Fällen, in welchen die
Ausführungshandlung selbst schon im ersten Zeitteilchen ihrer
Verwirklichung dem gesetzlichen Thatbestande voll und ganz
entspricht. Ein Beispiel bieten die durch Verbreitung von
Druckschriften begangenen strafbaren Handlungen.8

§. 34.
Der Rücktritt vom Versuche.

I. In dem Augenblicke, in welchem die Grenzlinie zwischen
den straflosen Vorbereitungshandlungen und dem strafbaren
Versuche überschritten wird, in demselben Augenblicke ist die
auf den Versuch gesetzte Strafe verwirkt. Das normwidrige
Thun hat aufgehört, nur Delikt zu sein, es ist Verbrechen
geworden. Diese Thatsache kann nicht mehr geändert, nicht
"nach rückwärts annulliert", nicht aus der Welt geschafft
werden. Wohl aber kann die Gesetzgebung aus kriminal-
politischen Gründen dem bereits straffällig gewordenen Thäter

7 [Spaltenumbruch] Unternehmen ist m. E. ein
weiterer Begriff als Versuch im
engeren Sinne. Daran wird
auch durch §. 82 StGB. nichts[Spaltenumbruch] geändert. Doch ist die Frage
kontrovers.
8 [Spaltenumbruch] Vgl. Liszt Preßrecht
§§. 41, 42.
Der Rücktritt vom Verſuche. §. 34.

Die Ausführungshandlung ſelbſt muß begonnen
haben
. Daß dieſe Beſchränkung den Bedürfniſſen der
Rechtsordnung nicht genügt, bedarf wohl kaum eines Nach-
weiſes.

Nur ausnahmsweiſe hat der Geſetzgeber auch Vorbe-
bereitungshandlungen
unter Strafe geſtellt. Hieher ge-
hören die oben unter III 2 und 3 angeführten Fälle.7

Die Beſchränkung des ſtrafbaren Verſuches auf den Be-
ginn der Ausführungshandlung ergiebt die Unmöglichkeit
eines ſtrafbaren Verſuches in jenen Fällen, in welchen die
Ausführungshandlung ſelbſt ſchon im erſten Zeitteilchen ihrer
Verwirklichung dem geſetzlichen Thatbeſtande voll und ganz
entſpricht. Ein Beiſpiel bieten die durch Verbreitung von
Druckſchriften begangenen ſtrafbaren Handlungen.8

§. 34.
Der Rücktritt vom Verſuche.

I. In dem Augenblicke, in welchem die Grenzlinie zwiſchen
den ſtrafloſen Vorbereitungshandlungen und dem ſtrafbaren
Verſuche überſchritten wird, in demſelben Augenblicke iſt die
auf den Verſuch geſetzte Strafe verwirkt. Das normwidrige
Thun hat aufgehört, nur Delikt zu ſein, es iſt Verbrechen
geworden. Dieſe Thatſache kann nicht mehr geändert, nicht
„nach rückwärts annulliert“, nicht aus der Welt geſchafft
werden. Wohl aber kann die Geſetzgebung aus kriminal-
politiſchen Gründen dem bereits ſtraffällig gewordenen Thäter

7 [Spaltenumbruch] Unternehmen iſt m. E. ein
weiterer Begriff als Verſuch im
engeren Sinne. Daran wird
auch durch §. 82 StGB. nichts[Spaltenumbruch] geändert. Doch iſt die Frage
kontrovers.
8 [Spaltenumbruch] Vgl. Liszt Preßrecht
§§. 41, 42.
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[143/0169] Der Rücktritt vom Verſuche. §. 34. Die Ausführungshandlung ſelbſt muß begonnen haben. Daß dieſe Beſchränkung den Bedürfniſſen der Rechtsordnung nicht genügt, bedarf wohl kaum eines Nach- weiſes. Nur ausnahmsweiſe hat der Geſetzgeber auch Vorbe- bereitungshandlungen unter Strafe geſtellt. Hieher ge- hören die oben unter III 2 und 3 angeführten Fälle. 7 Die Beſchränkung des ſtrafbaren Verſuches auf den Be- ginn der Ausführungshandlung ergiebt die Unmöglichkeit eines ſtrafbaren Verſuches in jenen Fällen, in welchen die Ausführungshandlung ſelbſt ſchon im erſten Zeitteilchen ihrer Verwirklichung dem geſetzlichen Thatbeſtande voll und ganz entſpricht. Ein Beiſpiel bieten die durch Verbreitung von Druckſchriften begangenen ſtrafbaren Handlungen. 8 §. 34. Der Rücktritt vom Verſuche. I. In dem Augenblicke, in welchem die Grenzlinie zwiſchen den ſtrafloſen Vorbereitungshandlungen und dem ſtrafbaren Verſuche überſchritten wird, in demſelben Augenblicke iſt die auf den Verſuch geſetzte Strafe verwirkt. Das normwidrige Thun hat aufgehört, nur Delikt zu ſein, es iſt Verbrechen geworden. Dieſe Thatſache kann nicht mehr geändert, nicht „nach rückwärts annulliert“, nicht aus der Welt geſchafft werden. Wohl aber kann die Geſetzgebung aus kriminal- politiſchen Gründen dem bereits ſtraffällig gewordenen Thäter 7 Unternehmen iſt m. E. ein weiterer Begriff als Verſuch im engeren Sinne. Daran wird auch durch §. 82 StGB. nichts geändert. Doch iſt die Frage kontrovers. 8 Vgl. Liszt Preßrecht §§. 41, 42.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/169>, abgerufen am 28.03.2024.