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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Anstiftung und Beihülfe. §. 37.
(als solche erscheint auch die Anstiftung des sog. alias
facturus,
d. h. des schon vor der Einwirkung zur That
Entschlossenen). Doch bestraft unsere Gesetzgebung in
einzelnen Fällen ausnahmsweise auch die erfolglos ge-
bliebene Anstiftung; so StGB. §§. 111, 141, 159,
210, 357; Seemannsordnung vom 27. Dezember 1872
§. 88; vgl. auch die unten §. 38 II erwähnten Fälle.
b) Der Anstifter bleibt ferner straflos, wenn er selbst das
Zustandekommen der strafbaren Handlung verhindert
hat, sei es durch psychische, sei es durch physische Ein-
wirkung (daß "Widerruf" nicht genügt, sollte wohl
selbstverständlich sein). Dieser Satz ergiebt sich aus
der accessorischen Natur der Anstiftung, und ist nicht
als Rücktritt vom Versuche nach StGB. §. 46 Nr. 1
zu konstruieren (vgl. auch oben §. 34 III 2).
c) Wenn der Gesetzgeber Versuchs- oder Vorbereitungs-
handlungen als delicta sui generis unter besondere
Strafe gestellt hat, so ist Anstiftung zu diesen selb-
ständig strafbaren Handlungen möglich.

3. Der Anstifter haftet nur für die von ihm vorsätzlich
(d. h. mit dem Bewußtsein der Kausalität seines Thuns)
hervorgerufene Handlung. Decken sich Handlung des An-
gestifteten und Anstiftervorsatz in einem wesentlichen Punkte
nicht, so liegt diesbezüglich Anstiftung nicht vor. Die oben
§. 28 IV, V für den Vorsatz überhaupt gegebenen Regeln
beanspruchen auch hier durchgreifende Geltung. Hiernach ist
der sog. excessus mandati (ganz schiefer Ausdruck), hiernach
sind aberratio ictus und error in objecto, die dem Ange-
stifteten begegnen, zu beurteilen. Ist in Folge einer der beiden
letztgenannten Eventualitäten der Vorsatz des Hauptthäters
ausgeschlossen, so entfällt damit nach allgemeiner Regel die

Anſtiftung und Beihülfe. §. 37.
(als ſolche erſcheint auch die Anſtiftung des ſog. alias
facturus,
d. h. des ſchon vor der Einwirkung zur That
Entſchloſſenen). Doch beſtraft unſere Geſetzgebung in
einzelnen Fällen ausnahmsweiſe auch die erfolglos ge-
bliebene Anſtiftung; ſo StGB. §§. 111, 141, 159,
210, 357; Seemannsordnung vom 27. Dezember 1872
§. 88; vgl. auch die unten §. 38 II erwähnten Fälle.
b) Der Anſtifter bleibt ferner ſtraflos, wenn er ſelbſt das
Zuſtandekommen der ſtrafbaren Handlung verhindert
hat, ſei es durch pſychiſche, ſei es durch phyſiſche Ein-
wirkung (daß „Widerruf“ nicht genügt, ſollte wohl
ſelbſtverſtändlich ſein). Dieſer Satz ergiebt ſich aus
der acceſſoriſchen Natur der Anſtiftung, und iſt nicht
als Rücktritt vom Verſuche nach StGB. §. 46 Nr. 1
zu konſtruieren (vgl. auch oben §. 34 III 2).
c) Wenn der Geſetzgeber Verſuchs- oder Vorbereitungs-
handlungen als delicta sui generis unter beſondere
Strafe geſtellt hat, ſo iſt Anſtiftung zu dieſen ſelb-
ſtändig ſtrafbaren Handlungen möglich.

3. Der Anſtifter haftet nur für die von ihm vorſätzlich
(d. h. mit dem Bewußtſein der Kauſalität ſeines Thuns)
hervorgerufene Handlung. Decken ſich Handlung des An-
geſtifteten und Anſtiftervorſatz in einem weſentlichen Punkte
nicht, ſo liegt diesbezüglich Anſtiftung nicht vor. Die oben
§. 28 IV, V für den Vorſatz überhaupt gegebenen Regeln
beanſpruchen auch hier durchgreifende Geltung. Hiernach iſt
der ſog. excessus mandati (ganz ſchiefer Ausdruck), hiernach
ſind aberratio ictus und error in objecto, die dem Ange-
ſtifteten begegnen, zu beurteilen. Iſt in Folge einer der beiden
letztgenannten Eventualitäten der Vorſatz des Hauptthäters
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[153/0179] Anſtiftung und Beihülfe. §. 37. (als ſolche erſcheint auch die Anſtiftung des ſog. alias facturus, d. h. des ſchon vor der Einwirkung zur That Entſchloſſenen). Doch beſtraft unſere Geſetzgebung in einzelnen Fällen ausnahmsweiſe auch die erfolglos ge- bliebene Anſtiftung; ſo StGB. §§. 111, 141, 159, 210, 357; Seemannsordnung vom 27. Dezember 1872 §. 88; vgl. auch die unten §. 38 II erwähnten Fälle. b) Der Anſtifter bleibt ferner ſtraflos, wenn er ſelbſt das Zuſtandekommen der ſtrafbaren Handlung verhindert hat, ſei es durch pſychiſche, ſei es durch phyſiſche Ein- wirkung (daß „Widerruf“ nicht genügt, ſollte wohl ſelbſtverſtändlich ſein). Dieſer Satz ergiebt ſich aus der acceſſoriſchen Natur der Anſtiftung, und iſt nicht als Rücktritt vom Verſuche nach StGB. §. 46 Nr. 1 zu konſtruieren (vgl. auch oben §. 34 III 2). c) Wenn der Geſetzgeber Verſuchs- oder Vorbereitungs- handlungen als delicta sui generis unter beſondere Strafe geſtellt hat, ſo iſt Anſtiftung zu dieſen ſelb- ſtändig ſtrafbaren Handlungen möglich. 3. Der Anſtifter haftet nur für die von ihm vorſätzlich (d. h. mit dem Bewußtſein der Kauſalität ſeines Thuns) hervorgerufene Handlung. Decken ſich Handlung des An- geſtifteten und Anſtiftervorſatz in einem weſentlichen Punkte nicht, ſo liegt diesbezüglich Anſtiftung nicht vor. Die oben §. 28 IV, V für den Vorſatz überhaupt gegebenen Regeln beanſpruchen auch hier durchgreifende Geltung. Hiernach iſt der ſog. excessus mandati (ganz ſchiefer Ausdruck), hiernach ſind aberratio ictus und error in objecto, die dem Ange- ſtifteten begegnen, zu beurteilen. Iſt in Folge einer der beiden letztgenannten Eventualitäten der Vorſatz des Hauptthäters ausgeſchloſſen, ſo entfällt damit nach allgemeiner Regel die

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/179>, abgerufen am 28.03.2024.