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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Erstes Buch. VIII. Verbrechens-Einheit u. -Mehrheit.
ist auch die vielbesprochene Frage, ob auf diese Fälle §. 73
StGB. analog anzuwenden sei -- eine Frage, die bei rich-
tiger Fassung des Konkurrenzbegriffes gar nicht aufgeworfen
werden kann -- erledigt. Zur Anwendung gelangt hier
vielmehr nur die allgemeine, nirgends ausdrücklich im Ge-
setze ausgesprochene, weil selbstverständliche Regel, daß eine
Handlung nur unter ein Strafgesetz subsumiert werden und
nur eine Strafe nach sich ziehen kann; eine Strafe, bei
deren Bemessung (vgl. unten §. 53 II 1 und III) die Aus-
breitung der einen Rechtsverletzung allerdings in Anschlag
zu bringen ist.

§. 41.
Mehrheit der Uerbrechen. Rückfall und Realkonkurrenz.

Mehrere Verbrechen desselben Thäters stehen nicht not-
wendig in juristischer Beziehung zu einander. Wir haben
im Gegenteile, von besonderer gesetzlicher Anordnung abge-
sehen, die mehreren Verbrechen desselben Thäters ebenso
selbständig zu behandeln, wie mehrere Handlungen verschie-
dener Thäter. Eine strafrechtlich relevante Beziehung der meh-
reren Handlungen desselben Thäters untereinander entsteht
nur durch positivrechtliche, von sekundären Gesichtspunkten
beeinflußte Anordnung des Gesetzgebers. Nach geltendem
Rechte kann diese Beziehung sein:

I. Rückfall; d. i. Begehung eines gleichen oder gleich-
artigen Verbrechens nach gänzlicher oder teilweiser Ver-
büßung oder Erlassung der wegen eines früher begangenen
gleichen oder gleichartigen Verbrechens zuerkannten Strafe;
vorausgesetzt, daß nicht seit Verbüßung oder Erlaß der frü-
heren Strafe bis zur Begehung des neuen Verbrechens ein

Erſtes Buch. VIII. Verbrechens-Einheit u. -Mehrheit.
iſt auch die vielbeſprochene Frage, ob auf dieſe Fälle §. 73
StGB. analog anzuwenden ſei — eine Frage, die bei rich-
tiger Faſſung des Konkurrenzbegriffes gar nicht aufgeworfen
werden kann — erledigt. Zur Anwendung gelangt hier
vielmehr nur die allgemeine, nirgends ausdrücklich im Ge-
ſetze ausgeſprochene, weil ſelbſtverſtändliche Regel, daß eine
Handlung nur unter ein Strafgeſetz ſubſumiert werden und
nur eine Strafe nach ſich ziehen kann; eine Strafe, bei
deren Bemeſſung (vgl. unten §. 53 II 1 und III) die Aus-
breitung der einen Rechtsverletzung allerdings in Anſchlag
zu bringen iſt.

§. 41.
Mehrheit der Uerbrechen. Rückfall und Realkonkurrenz.

Mehrere Verbrechen desſelben Thäters ſtehen nicht not-
wendig in juriſtiſcher Beziehung zu einander. Wir haben
im Gegenteile, von beſonderer geſetzlicher Anordnung abge-
ſehen, die mehreren Verbrechen desſelben Thäters ebenſo
ſelbſtändig zu behandeln, wie mehrere Handlungen verſchie-
dener Thäter. Eine ſtrafrechtlich relevante Beziehung der meh-
reren Handlungen desſelben Thäters untereinander entſteht
nur durch poſitivrechtliche, von ſekundären Geſichtspunkten
beeinflußte Anordnung des Geſetzgebers. Nach geltendem
Rechte kann dieſe Beziehung ſein:

I. Rückfall; d. i. Begehung eines gleichen oder gleich-
artigen Verbrechens nach gänzlicher oder teilweiſer Ver-
büßung oder Erlaſſung der wegen eines früher begangenen
gleichen oder gleichartigen Verbrechens zuerkannten Strafe;
vorausgeſetzt, daß nicht ſeit Verbüßung oder Erlaß der frü-
heren Strafe bis zur Begehung des neuen Verbrechens ein

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[168/0194] Erſtes Buch. VIII. Verbrechens-Einheit u. -Mehrheit. iſt auch die vielbeſprochene Frage, ob auf dieſe Fälle §. 73 StGB. analog anzuwenden ſei — eine Frage, die bei rich- tiger Faſſung des Konkurrenzbegriffes gar nicht aufgeworfen werden kann — erledigt. Zur Anwendung gelangt hier vielmehr nur die allgemeine, nirgends ausdrücklich im Ge- ſetze ausgeſprochene, weil ſelbſtverſtändliche Regel, daß eine Handlung nur unter ein Strafgeſetz ſubſumiert werden und nur eine Strafe nach ſich ziehen kann; eine Strafe, bei deren Bemeſſung (vgl. unten §. 53 II 1 und III) die Aus- breitung der einen Rechtsverletzung allerdings in Anſchlag zu bringen iſt. §. 41. Mehrheit der Uerbrechen. Rückfall und Realkonkurrenz. Mehrere Verbrechen desſelben Thäters ſtehen nicht not- wendig in juriſtiſcher Beziehung zu einander. Wir haben im Gegenteile, von beſonderer geſetzlicher Anordnung abge- ſehen, die mehreren Verbrechen desſelben Thäters ebenſo ſelbſtändig zu behandeln, wie mehrere Handlungen verſchie- dener Thäter. Eine ſtrafrechtlich relevante Beziehung der meh- reren Handlungen desſelben Thäters untereinander entſteht nur durch poſitivrechtliche, von ſekundären Geſichtspunkten beeinflußte Anordnung des Geſetzgebers. Nach geltendem Rechte kann dieſe Beziehung ſein: I. Rückfall; d. i. Begehung eines gleichen oder gleich- artigen Verbrechens nach gänzlicher oder teilweiſer Ver- büßung oder Erlaſſung der wegen eines früher begangenen gleichen oder gleichartigen Verbrechens zuerkannten Strafe; vorausgeſetzt, daß nicht ſeit Verbüßung oder Erlaß der frü- heren Strafe bis zur Begehung des neuen Verbrechens ein

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/194>, abgerufen am 28.03.2024.