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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Erstes Buch. VIII. Verbrechens-Einheit u. -Mehrheit.

1. die mehreren Handlungen begangen waren, ehe wegen
einer von ihnen das Urteil gesprochen worden ist (Rechts-
kraft des Urteils nicht erforderlich). Beispiel: Die Verbrechen
a, b, c sind am 1. Januar, 1. Februar, 1. März begangen;
Realkonkurrenz liegt vor, wenn die Aburteilung wegen a, b
und c am 15. März erfolgt; aber auch dann, wenn am
15. März lediglich über das Verbrechen a gesprochen wurde
und die Verbrechen b und c erst nachträglich zum Vorschein
kommen. Dagegen steht das am 16. März begangene Ver-
brechen d nicht mehr in Realkonkurrenz mit a, b und c
(StGB. §. 74).

2. Bei nicht gleichzeitiger Aburteilung ist Realkonkurrenz
nur dann anzunehmen, wenn die nachträgliche Entscheidung
über das später entdeckte Verbrechen stattfindet, so lange eine
Verbesserung des früheren Urteils noch möglich ist, so lange
also die in dem früheren Urteile ausgesprochene Strafe noch
nicht vollständig verbüßt, verjährt oder erlassen ist (StGB.
§. 79). Beispiel: Ist der Verbrecher wegen a am 15. März
zu 3 Monaten Gefängnis verurteilt worden, so ist Real-
konkurrenz von b und c mit a anzunehmen, wenn b und c
vor dem 15. Juni zur Aburteilung kommen, nicht aber wenn
an dem Tage, an welchem das Urteil wegen b und c ge-
fällt werden soll, die wegen a erkannte Strafe bereits ver-
büßt, verjährt oder erlassen ist.


Erſtes Buch. VIII. Verbrechens-Einheit u. -Mehrheit.

1. die mehreren Handlungen begangen waren, ehe wegen
einer von ihnen das Urteil geſprochen worden iſt (Rechts-
kraft des Urteils nicht erforderlich). Beiſpiel: Die Verbrechen
a, b, c ſind am 1. Januar, 1. Februar, 1. März begangen;
Realkonkurrenz liegt vor, wenn die Aburteilung wegen a, b
und c am 15. März erfolgt; aber auch dann, wenn am
15. März lediglich über das Verbrechen a geſprochen wurde
und die Verbrechen b und c erſt nachträglich zum Vorſchein
kommen. Dagegen ſteht das am 16. März begangene Ver-
brechen d nicht mehr in Realkonkurrenz mit a, b und c
(StGB. §. 74).

2. Bei nicht gleichzeitiger Aburteilung iſt Realkonkurrenz
nur dann anzunehmen, wenn die nachträgliche Entſcheidung
über das ſpäter entdeckte Verbrechen ſtattfindet, ſo lange eine
Verbeſſerung des früheren Urteils noch möglich iſt, ſo lange
alſo die in dem früheren Urteile ausgeſprochene Strafe noch
nicht vollſtändig verbüßt, verjährt oder erlaſſen iſt (StGB.
§. 79). Beiſpiel: Iſt der Verbrecher wegen a am 15. März
zu 3 Monaten Gefängnis verurteilt worden, ſo iſt Real-
konkurrenz von b und c mit a anzunehmen, wenn b und c
vor dem 15. Juni zur Aburteilung kommen, nicht aber wenn
an dem Tage, an welchem das Urteil wegen b und c ge-
fällt werden ſoll, die wegen a erkannte Strafe bereits ver-
büßt, verjährt oder erlaſſen iſt.


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[170/0196] Erſtes Buch. VIII. Verbrechens-Einheit u. -Mehrheit. 1. die mehreren Handlungen begangen waren, ehe wegen einer von ihnen das Urteil geſprochen worden iſt (Rechts- kraft des Urteils nicht erforderlich). Beiſpiel: Die Verbrechen a, b, c ſind am 1. Januar, 1. Februar, 1. März begangen; Realkonkurrenz liegt vor, wenn die Aburteilung wegen a, b und c am 15. März erfolgt; aber auch dann, wenn am 15. März lediglich über das Verbrechen a geſprochen wurde und die Verbrechen b und c erſt nachträglich zum Vorſchein kommen. Dagegen ſteht das am 16. März begangene Ver- brechen d nicht mehr in Realkonkurrenz mit a, b und c (StGB. §. 74). 2. Bei nicht gleichzeitiger Aburteilung iſt Realkonkurrenz nur dann anzunehmen, wenn die nachträgliche Entſcheidung über das ſpäter entdeckte Verbrechen ſtattfindet, ſo lange eine Verbeſſerung des früheren Urteils noch möglich iſt, ſo lange alſo die in dem früheren Urteile ausgeſprochene Strafe noch nicht vollſtändig verbüßt, verjährt oder erlaſſen iſt (StGB. §. 79). Beiſpiel: Iſt der Verbrecher wegen a am 15. März zu 3 Monaten Gefängnis verurteilt worden, ſo iſt Real- konkurrenz von b und c mit a anzunehmen, wenn b und c vor dem 15. Juni zur Aburteilung kommen, nicht aber wenn an dem Tage, an welchem das Urteil wegen b und c ge- fällt werden ſoll, die wegen a erkannte Strafe bereits ver- büßt, verjährt oder erlaſſen iſt.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/196>, abgerufen am 28.03.2024.