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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Zweites Buch. Die Strafe.
neue Wunde schlägt.1 Es ist jedoch dabei vor einem weit
verbreiteten Irrtume zu warnen. Ersatz des Schadens ist
ein weiterer Begriff als Ersatz des pekuniären Schadens;
jedes Rechtsinstitut, das die Heilung der durch das Unrecht
geschaffenen Rechtsverletzung bezweckt, können wir unter jenen
Begriff bringen, auch wenn die Verletzung der Abschätzung
in Geld nicht zugänglich ist. Passend bezeichnet man den
Ersatz des ideellen, d. h. pekuniär nicht abschätzbaren, Scha-
dens als Genugthuung. Sie ist nach dem Gesagten in
begrifflichem Gegensatze zur Strafe. Fälle der Genug-
thuung sind:

1. Die Buße, die sich im RStGB., wie in den die In-
dividualrechte schützenden Nebenstrafgesetzen findet (vgl. unten
§. 52); das Gleiche gilt von dem Schmerzensgelde, das
eben darum, soweit das Gebiet der Buße reicht, als aufge-
hoben zu betrachten ist.2

2. Die Ausfertigung des verurteilenden Erkenntnisses
an den Verletzten, sowie die öffentliche Bekanntmachung des-
selben auf Kosten des Verurteilten.3

Eine ganz singuläre Verbindung von Ersatz und Strafe,
von Schadensersatz und pönalem Element enthält §. 55 Nach-
drucksgesetz vom 11. Juni 1870, nach welchem die Entschä-
digung des Verletzten gebildet wird durch den ganzen Be-
trag der Einnahme von jeder unbefugten öffentlichen Auf-

1 [Spaltenumbruch] Vgl. über diese vielbesprochene
Frage besonders Binding Nor-
men I S. 166; Merkel Ab-
handlungen I S. 57, Heinze
H. H. I S. 337.
2 [Spaltenumbruch] Vgl. Windscheid §. 455
Note 31.
3 [Spaltenumbruch] StGB. §§. 165 und 200;[Spaltenumbruch] §. 17 Markenschutzgesetz vom
30. November 1874; §. 35 Pa-
tentgesetz vom 25. Novbr. 1877.
Siehe dagegen einen Fall, in
dem die Veröffentlichung des
Urteils Neben strafe ist, unten
§. 44 I C; §. 16 Nahrungs-
mittelgesetz vom 14. Mai 1879.

Zweites Buch. Die Strafe.
neue Wunde ſchlägt.1 Es iſt jedoch dabei vor einem weit
verbreiteten Irrtume zu warnen. Erſatz des Schadens iſt
ein weiterer Begriff als Erſatz des pekuniären Schadens;
jedes Rechtsinſtitut, das die Heilung der durch das Unrecht
geſchaffenen Rechtsverletzung bezweckt, können wir unter jenen
Begriff bringen, auch wenn die Verletzung der Abſchätzung
in Geld nicht zugänglich iſt. Paſſend bezeichnet man den
Erſatz des ideellen, d. h. pekuniär nicht abſchätzbaren, Scha-
dens als Genugthuung. Sie iſt nach dem Geſagten in
begrifflichem Gegenſatze zur Strafe. Fälle der Genug-
thuung ſind:

1. Die Buße, die ſich im RStGB., wie in den die In-
dividualrechte ſchützenden Nebenſtrafgeſetzen findet (vgl. unten
§. 52); das Gleiche gilt von dem Schmerzensgelde, das
eben darum, ſoweit das Gebiet der Buße reicht, als aufge-
hoben zu betrachten iſt.2

2. Die Ausfertigung des verurteilenden Erkenntniſſes
an den Verletzten, ſowie die öffentliche Bekanntmachung des-
ſelben auf Koſten des Verurteilten.3

Eine ganz ſinguläre Verbindung von Erſatz und Strafe,
von Schadenserſatz und pönalem Element enthält §. 55 Nach-
drucksgeſetz vom 11. Juni 1870, nach welchem die Entſchä-
digung des Verletzten gebildet wird durch den ganzen Be-
trag der Einnahme von jeder unbefugten öffentlichen Auf-

1 [Spaltenumbruch] Vgl. über dieſe vielbeſprochene
Frage beſonders Binding Nor-
men I S. 166; Merkel Ab-
handlungen I S. 57, Heinze
H. H. I S. 337.
2 [Spaltenumbruch] Vgl. Windſcheid §. 455
Note 31.
3 [Spaltenumbruch] StGB. §§. 165 und 200;[Spaltenumbruch] §. 17 Markenſchutzgeſetz vom
30. November 1874; §. 35 Pa-
tentgeſetz vom 25. Novbr. 1877.
Siehe dagegen einen Fall, in
dem die Veröffentlichung des
Urteils Neben ſtrafe iſt, unten
§. 44 I C; §. 16 Nahrungs-
mittelgeſetz vom 14. Mai 1879.
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[172/0198] Zweites Buch. Die Strafe. neue Wunde ſchlägt. 1 Es iſt jedoch dabei vor einem weit verbreiteten Irrtume zu warnen. Erſatz des Schadens iſt ein weiterer Begriff als Erſatz des pekuniären Schadens; jedes Rechtsinſtitut, das die Heilung der durch das Unrecht geſchaffenen Rechtsverletzung bezweckt, können wir unter jenen Begriff bringen, auch wenn die Verletzung der Abſchätzung in Geld nicht zugänglich iſt. Paſſend bezeichnet man den Erſatz des ideellen, d. h. pekuniär nicht abſchätzbaren, Scha- dens als Genugthuung. Sie iſt nach dem Geſagten in begrifflichem Gegenſatze zur Strafe. Fälle der Genug- thuung ſind: 1. Die Buße, die ſich im RStGB., wie in den die In- dividualrechte ſchützenden Nebenſtrafgeſetzen findet (vgl. unten §. 52); das Gleiche gilt von dem Schmerzensgelde, das eben darum, ſoweit das Gebiet der Buße reicht, als aufge- hoben zu betrachten iſt. 2 2. Die Ausfertigung des verurteilenden Erkenntniſſes an den Verletzten, ſowie die öffentliche Bekanntmachung des- ſelben auf Koſten des Verurteilten. 3 Eine ganz ſinguläre Verbindung von Erſatz und Strafe, von Schadenserſatz und pönalem Element enthält §. 55 Nach- drucksgeſetz vom 11. Juni 1870, nach welchem die Entſchä- digung des Verletzten gebildet wird durch den ganzen Be- trag der Einnahme von jeder unbefugten öffentlichen Auf- 1 Vgl. über dieſe vielbeſprochene Frage beſonders Binding Nor- men I S. 166; Merkel Ab- handlungen I S. 57, Heinze H. H. I S. 337. 2 Vgl. Windſcheid §. 455 Note 31. 3 StGB. §§. 165 und 200; §. 17 Markenſchutzgeſetz vom 30. November 1874; §. 35 Pa- tentgeſetz vom 25. Novbr. 1877. Siehe dagegen einen Fall, in dem die Veröffentlichung des Urteils Neben ſtrafe iſt, unten §. 44 I C; §. 16 Nahrungs- mittelgeſetz vom 14. Mai 1879.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/198>, abgerufen am 28.03.2024.