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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Zweites Buch. IV. Der Wegfall des staatl. Strafanspruchs.
a) Nach der StPO. §. 484 in Sachen, in welchen das
Reichsgericht in erster und letzter Instanz erkannt hat
(vgl. GVG. §. 136 Z. 1).
b) Nach dem Gesetz vom 10. Juli 1879 betr. die Kon-
sulargerichtsbarkeit §. 42 in Sachen, in welchen der
Konsul oder das Konsulargericht in erster Instanz er-
kannt hat.
c) In Elsaß-Lothringen nach §. 3 des Gesetzes vom
9. Juni 1871 betr. die Vereinigung von Elsaß-Loth-
ringen mit dem deutschen Reiche.5

4. In allen übrigen Fällen sind die Einzelstaaten in der
Person ihres Souveräns Träger des Begnadigungsrechtes.
Doch ist die Abolition in den meisten Bundesstaaten durch
Verfassungsbestimmungen beschränkt oder beseitigt,6 und die
Begnadigung überhaupt darf in manchen Fällen, so insbe-
sondere in den Fällen der Ministeranklage, nur unter ge-
wissen Voraussetzungen ausgeübt werden.7

Bei Kollisionen der partikularen Begnadigungsrechte
untereinander ist davon auszugehen, daß es sich um Kolli-
sionen der Strafansprüche handelt, ohne welche ein Be-
gnadigungsrecht überhaupt nicht denkbar ist. In Bezug
auf Entstehung und Geltendmachung der Strafansprüche
stehen aber die deutschen Staaten zu einander in demselben
Verhältnisse, wie die verschiedenen Gerichte desselben Staates.
Es kann dieser Satz geradezu als der Grundgedanke der

5 [Spaltenumbruch] Nicht hieher gehört das Ge-
setz über die Rechtsverhältnisse
der Reichsbeamten v. 31. März
1873 §. 118, das von krimi-
neller Strafe (und nur mit
dieser haben wir es thun) über-
haupt nicht spricht.
6 [Spaltenumbruch] Vgl. Binding Grundriß
S. 168.
7 [Spaltenumbruch] Vgl. Binding Grundriß
S. 169. Hauke Lehre v. d.
Ministerverantwortlichkeit 1880
S. 145 ff. mit Lit.
Zweites Buch. IV. Der Wegfall des ſtaatl. Strafanſpruchs.
a) Nach der StPO. §. 484 in Sachen, in welchen das
Reichsgericht in erſter und letzter Inſtanz erkannt hat
(vgl. GVG. §. 136 Z. 1).
b) Nach dem Geſetz vom 10. Juli 1879 betr. die Kon-
ſulargerichtsbarkeit §. 42 in Sachen, in welchen der
Konſul oder das Konſulargericht in erſter Inſtanz er-
kannt hat.
c) In Elſaß-Lothringen nach §. 3 des Geſetzes vom
9. Juni 1871 betr. die Vereinigung von Elſaß-Loth-
ringen mit dem deutſchen Reiche.5

4. In allen übrigen Fällen ſind die Einzelſtaaten in der
Perſon ihres Souveräns Träger des Begnadigungsrechtes.
Doch iſt die Abolition in den meiſten Bundesſtaaten durch
Verfaſſungsbeſtimmungen beſchränkt oder beſeitigt,6 und die
Begnadigung überhaupt darf in manchen Fällen, ſo insbe-
ſondere in den Fällen der Miniſteranklage, nur unter ge-
wiſſen Vorausſetzungen ausgeübt werden.7

Bei Kolliſionen der partikularen Begnadigungsrechte
untereinander iſt davon auszugehen, daß es ſich um Kolli-
ſionen der Strafanſprüche handelt, ohne welche ein Be-
gnadigungsrecht überhaupt nicht denkbar iſt. In Bezug
auf Entſtehung und Geltendmachung der Strafanſprüche
ſtehen aber die deutſchen Staaten zu einander in demſelben
Verhältniſſe, wie die verſchiedenen Gerichte desſelben Staates.
Es kann dieſer Satz geradezu als der Grundgedanke der

5 [Spaltenumbruch] Nicht hieher gehört das Ge-
ſetz über die Rechtsverhältniſſe
der Reichsbeamten v. 31. März
1873 §. 118, das von krimi-
neller Strafe (und nur mit
dieſer haben wir es thun) über-
haupt nicht ſpricht.
6 [Spaltenumbruch] Vgl. Binding Grundriß
S. 168.
7 [Spaltenumbruch] Vgl. Binding Grundriß
S. 169. Hauke Lehre v. d.
Miniſterverantwortlichkeit 1880
S. 145 ff. mit Lit.
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[222/0248] Zweites Buch. IV. Der Wegfall des ſtaatl. Strafanſpruchs. a) Nach der StPO. §. 484 in Sachen, in welchen das Reichsgericht in erſter und letzter Inſtanz erkannt hat (vgl. GVG. §. 136 Z. 1). b) Nach dem Geſetz vom 10. Juli 1879 betr. die Kon- ſulargerichtsbarkeit §. 42 in Sachen, in welchen der Konſul oder das Konſulargericht in erſter Inſtanz er- kannt hat. c) In Elſaß-Lothringen nach §. 3 des Geſetzes vom 9. Juni 1871 betr. die Vereinigung von Elſaß-Loth- ringen mit dem deutſchen Reiche. 5 4. In allen übrigen Fällen ſind die Einzelſtaaten in der Perſon ihres Souveräns Träger des Begnadigungsrechtes. Doch iſt die Abolition in den meiſten Bundesſtaaten durch Verfaſſungsbeſtimmungen beſchränkt oder beſeitigt, 6 und die Begnadigung überhaupt darf in manchen Fällen, ſo insbe- ſondere in den Fällen der Miniſteranklage, nur unter ge- wiſſen Vorausſetzungen ausgeübt werden. 7 Bei Kolliſionen der partikularen Begnadigungsrechte untereinander iſt davon auszugehen, daß es ſich um Kolli- ſionen der Strafanſprüche handelt, ohne welche ein Be- gnadigungsrecht überhaupt nicht denkbar iſt. In Bezug auf Entſtehung und Geltendmachung der Strafanſprüche ſtehen aber die deutſchen Staaten zu einander in demſelben Verhältniſſe, wie die verſchiedenen Gerichte desſelben Staates. Es kann dieſer Satz geradezu als der Grundgedanke der 5 Nicht hieher gehört das Ge- ſetz über die Rechtsverhältniſſe der Reichsbeamten v. 31. März 1873 §. 118, das von krimi- neller Strafe (und nur mit dieſer haben wir es thun) über- haupt nicht ſpricht. 6 Vgl. Binding Grundriß S. 168. 7 Vgl. Binding Grundriß S. 169. Hauke Lehre v. d. Miniſterverantwortlichkeit 1880 S. 145 ff. mit Lit.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/248>, abgerufen am 29.03.2024.