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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Erstes Buch. I. Delikte gegen Leib und Leben.
fortdauert) zur That hingerissen worden, oder wenn andere
mildernde Umstände vorhanden sind. Strafe: Gefängnis
nicht unter 6 Monaten. Auch hier bleibt der Todschlag
Verbrechen (oben §. 18 III); der Versuch ist daher strafbar.

Qualifizierte Fälle:

a) Tötung bei Unternehmung einer strafbaren
Handlung
(StGB. §. 214), um ein der Ausführung
derselben entgegentretendes Hindernis zu beseitigen oder
um sich der Ergreifung auf frischer That zu ent-
ziehen. Strafe: Zuchthaus von 10--15 Jahren
oder lebenslängliches Zuchthaus.
b) Tötung eines Verwandten aufsteigender Linie
(StGB. §. 215). Strafe wie zu a.

3. Vorsätzlich (überlegte oder nicht überlegte) Tötung, zu
welcher der Thäter durch das ausdrückliche und
ernstliche Verlangen des Getöteten bestimmt
worden ist
(StGB. §. 216).3 Strafe: Gefängnis von
3--5 Jahren. Vergehen, daher Versuch straflos.

4. Vorsätzliche (überlegte oder nicht überlegte) Tötung
eines unehelichen Kindes
in oder gleich nach der Ge-
burt durch die Mutter (StGB. §. 217).4 Objekt ist das Kind,
mithin ein menschliches Wesen im Gegensatz zum Fötus, der
ungeborenen Leibesfrucht, die das charakteristische Objekt der
Abtreibung ist. Kindestötung ist demnach erst möglich, so-
bald der Geburtsakt begonnen hat, die Leibesfrucht mit
irgend einem Körperteile, wenn auch nicht gerade mit dem
Kopfe, aus dem Mutterleibe in die Außenwelt getreten ist
(RGR. 8. Juni 1880, E I 446, R II 41).

3 [Spaltenumbruch] Lit. bei Meyer S. 377
Note 1. Dazu Ortmann GA.
XXVI.
4 [Spaltenumbruch] Lit. bei Meyer S. 378
Note 1.

Erſtes Buch. I. Delikte gegen Leib und Leben.
fortdauert) zur That hingeriſſen worden, oder wenn andere
mildernde Umſtände vorhanden ſind. Strafe: Gefängnis
nicht unter 6 Monaten. Auch hier bleibt der Todſchlag
Verbrechen (oben §. 18 III); der Verſuch iſt daher ſtrafbar.

Qualifizierte Fälle:

a) Tötung bei Unternehmung einer ſtrafbaren
Handlung
(StGB. §. 214), um ein der Ausführung
derſelben entgegentretendes Hindernis zu beſeitigen oder
um ſich der Ergreifung auf friſcher That zu ent-
ziehen. Strafe: Zuchthaus von 10—15 Jahren
oder lebenslängliches Zuchthaus.
b) Tötung eines Verwandten aufſteigender Linie
(StGB. §. 215). Strafe wie zu a.

3. Vorſätzlich (überlegte oder nicht überlegte) Tötung, zu
welcher der Thäter durch das ausdrückliche und
ernſtliche Verlangen des Getöteten beſtimmt
worden iſt
(StGB. §. 216).3 Strafe: Gefängnis von
3—5 Jahren. Vergehen, daher Verſuch ſtraflos.

4. Vorſätzliche (überlegte oder nicht überlegte) Tötung
eines unehelichen Kindes
in oder gleich nach der Ge-
burt durch die Mutter (StGB. §. 217).4 Objekt iſt das Kind,
mithin ein menſchliches Weſen im Gegenſatz zum Fötus, der
ungeborenen Leibesfrucht, die das charakteriſtiſche Objekt der
Abtreibung iſt. Kindestötung iſt demnach erſt möglich, ſo-
bald der Geburtsakt begonnen hat, die Leibesfrucht mit
irgend einem Körperteile, wenn auch nicht gerade mit dem
Kopfe, aus dem Mutterleibe in die Außenwelt getreten iſt
(RGR. 8. Juni 1880, E I 446, R II 41).

3 [Spaltenumbruch] Lit. bei Meyer S. 377
Note 1. Dazu Ortmann GA.
XXVI.
4 [Spaltenumbruch] Lit. bei Meyer S. 378
Note 1.
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[234/0260] Erſtes Buch. I. Delikte gegen Leib und Leben. fortdauert) zur That hingeriſſen worden, oder wenn andere mildernde Umſtände vorhanden ſind. Strafe: Gefängnis nicht unter 6 Monaten. Auch hier bleibt der Todſchlag Verbrechen (oben §. 18 III); der Verſuch iſt daher ſtrafbar. Qualifizierte Fälle: a) Tötung bei Unternehmung einer ſtrafbaren Handlung (StGB. §. 214), um ein der Ausführung derſelben entgegentretendes Hindernis zu beſeitigen oder um ſich der Ergreifung auf friſcher That zu ent- ziehen. Strafe: Zuchthaus von 10—15 Jahren oder lebenslängliches Zuchthaus. b) Tötung eines Verwandten aufſteigender Linie (StGB. §. 215). Strafe wie zu a. 3. Vorſätzlich (überlegte oder nicht überlegte) Tötung, zu welcher der Thäter durch das ausdrückliche und ernſtliche Verlangen des Getöteten beſtimmt worden iſt (StGB. §. 216). 3 Strafe: Gefängnis von 3—5 Jahren. Vergehen, daher Verſuch ſtraflos. 4. Vorſätzliche (überlegte oder nicht überlegte) Tötung eines unehelichen Kindes in oder gleich nach der Ge- burt durch die Mutter (StGB. §. 217). 4 Objekt iſt das Kind, mithin ein menſchliches Weſen im Gegenſatz zum Fötus, der ungeborenen Leibesfrucht, die das charakteriſtiſche Objekt der Abtreibung iſt. Kindestötung iſt demnach erſt möglich, ſo- bald der Geburtsakt begonnen hat, die Leibesfrucht mit irgend einem Körperteile, wenn auch nicht gerade mit dem Kopfe, aus dem Mutterleibe in die Außenwelt getreten iſt (RGR. 8. Juni 1880, E I 446, R II 41). 3 Lit. bei Meyer S. 377 Note 1. Dazu Ortmann GA. XXVI. 4 Lit. bei Meyer S. 378 Note 1.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/260>, abgerufen am 24.04.2024.