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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Die Tötung. §. 60.

Der legislative Grund für die mildere Behandlung der
Kindestötung liegt einerseits in der Stärke der die unehelich
Gebärende zur Tötung treibenden Motive, andrerseits in
der durch den Gebärakt hervorgerufenen Verminderung der
Zurechnungsfähigkeit (oben §. 25 III). Ob diese Gründe
eine soweit gehende Berücksichtigung verdienten, mag hier
dahingestellt bleiben. Jedenfalls tritt, den Anschauungen
des Gesetzgebers entsprechend, die mildere Behandlung der
Kindestötung ein, mag die Kindesmutter in der Form der
Thäterschaft, mag sie in der Form der Teilnahme, zu dem
Eintritte des Erfolges mitwirken, während etwa beteiligte
dritte (Thäter oder Teilnehmer) wegen gemeiner Tötung zu
bestrafen sind (RGR. 8. Mai 1880, E II 154; vgl. auch
oben §. 37 III 1). Strafe: Zuchthaus nicht unter 3 Jahren,
bei mildernden Umständen Gefängnis nicht unter 2 Jahren.
Vgl. auch StGB. §. 367 Zif. 1.

II. Die fahrlässige Tötung (StGB. §. 222). Strafe:
Gefängnis bis zu 3 Jahren; wenn der Thäter zu der von
ihm aus den Augen gesetzten Aufmerksamkeit vermöge seines
Amtes, Berufes oder Gewerbes besonders5 verpflichtet
war, Gefängnis bis zu 5 Jahren.

Nicht bloß bei der Kindestötung, sondern in allen6
Fällen der Tötung richtet sich die Höhe der Strafbarkeit
mehrerer Beteiligter nach der in §. 50 StGB. (vgl. oben
§. 37 III 1) ausgesprochenen Regel.

5 [Spaltenumbruch] Vgl. RGR. 23. April 1880,
R I 649; auch RGR. 11. Fe-
bruar 1880, E I 203, R I 341;
4. Mai 1880, R I 726.
6 [Spaltenumbruch] bestritten bez. des Verhält-
nisses zwischen Mord u. Tod-
schlag.
Die Tötung. §. 60.

Der legislative Grund für die mildere Behandlung der
Kindestötung liegt einerſeits in der Stärke der die unehelich
Gebärende zur Tötung treibenden Motive, andrerſeits in
der durch den Gebärakt hervorgerufenen Verminderung der
Zurechnungsfähigkeit (oben §. 25 III). Ob dieſe Gründe
eine ſoweit gehende Berückſichtigung verdienten, mag hier
dahingeſtellt bleiben. Jedenfalls tritt, den Anſchauungen
des Geſetzgebers entſprechend, die mildere Behandlung der
Kindestötung ein, mag die Kindesmutter in der Form der
Thäterſchaft, mag ſie in der Form der Teilnahme, zu dem
Eintritte des Erfolges mitwirken, während etwa beteiligte
dritte (Thäter oder Teilnehmer) wegen gemeiner Tötung zu
beſtrafen ſind (RGR. 8. Mai 1880, E II 154; vgl. auch
oben §. 37 III 1). Strafe: Zuchthaus nicht unter 3 Jahren,
bei mildernden Umſtänden Gefängnis nicht unter 2 Jahren.
Vgl. auch StGB. §. 367 Zif. 1.

II. Die fahrläſſige Tötung (StGB. §. 222). Strafe:
Gefängnis bis zu 3 Jahren; wenn der Thäter zu der von
ihm aus den Augen geſetzten Aufmerkſamkeit vermöge ſeines
Amtes, Berufes oder Gewerbes beſonders5 verpflichtet
war, Gefängnis bis zu 5 Jahren.

Nicht bloß bei der Kindestötung, ſondern in allen6
Fällen der Tötung richtet ſich die Höhe der Strafbarkeit
mehrerer Beteiligter nach der in §. 50 StGB. (vgl. oben
§. 37 III 1) ausgeſprochenen Regel.

5 [Spaltenumbruch] Vgl. RGR. 23. April 1880,
R I 649; auch RGR. 11. Fe-
bruar 1880, E I 203, R I 341;
4. Mai 1880, R I 726.
6 [Spaltenumbruch] beſtritten bez. des Verhält-
niſſes zwiſchen Mord u. Tod-
ſchlag.
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[235/0261] Die Tötung. §. 60. Der legislative Grund für die mildere Behandlung der Kindestötung liegt einerſeits in der Stärke der die unehelich Gebärende zur Tötung treibenden Motive, andrerſeits in der durch den Gebärakt hervorgerufenen Verminderung der Zurechnungsfähigkeit (oben §. 25 III). Ob dieſe Gründe eine ſoweit gehende Berückſichtigung verdienten, mag hier dahingeſtellt bleiben. Jedenfalls tritt, den Anſchauungen des Geſetzgebers entſprechend, die mildere Behandlung der Kindestötung ein, mag die Kindesmutter in der Form der Thäterſchaft, mag ſie in der Form der Teilnahme, zu dem Eintritte des Erfolges mitwirken, während etwa beteiligte dritte (Thäter oder Teilnehmer) wegen gemeiner Tötung zu beſtrafen ſind (RGR. 8. Mai 1880, E II 154; vgl. auch oben §. 37 III 1). Strafe: Zuchthaus nicht unter 3 Jahren, bei mildernden Umſtänden Gefängnis nicht unter 2 Jahren. Vgl. auch StGB. §. 367 Zif. 1. II. Die fahrläſſige Tötung (StGB. §. 222). Strafe: Gefängnis bis zu 3 Jahren; wenn der Thäter zu der von ihm aus den Augen geſetzten Aufmerkſamkeit vermöge ſeines Amtes, Berufes oder Gewerbes beſonders 5 verpflichtet war, Gefängnis bis zu 5 Jahren. Nicht bloß bei der Kindestötung, ſondern in allen 6 Fällen der Tötung richtet ſich die Höhe der Strafbarkeit mehrerer Beteiligter nach der in §. 50 StGB. (vgl. oben §. 37 III 1) ausgeſprochenen Regel. 5 Vgl. RGR. 23. April 1880, R I 649; auch RGR. 11. Fe- bruar 1880, E I 203, R I 341; 4. Mai 1880, R I 726. 6 beſtritten bez. des Verhält- niſſes zwiſchen Mord u. Tod- ſchlag.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/261>, abgerufen am 18.04.2024.