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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Der Betrug. §. 73.
z. B. über die Aussichten des ins Leben zu rufenden Unter-
nehmens gehören hieher.

2. Die Erregung und die Unterhaltung des Irr-
tums stehen einander gleich. Beide können durch Verschwei-
gen
von Thatsachen begangen werden. Dieses Nichtreden
ist aber nur dann dem Reden gleichwertig, wenn der Ge-
täuschte berechtigt war, das Reden zu erwarten;3 wenn also
eine Verpflichtung zum Reden bestand, die nicht notwendig
eine Rechtspflicht zu sein braucht,4 sondern auch in den ge-
schäftlichen Gewohnheiten begründet sein oder aber auch aus
dem vorhergegangenen positiven Verhalten folgen kann.5 Es
gelten hier ohne Ausnahme dieselben Grundsätze, die oben
§. 21 über die Bedeutung der scheinbaren Unterlassungen
überhaupt entwickelt wurden.

Nach dem Gesagten ist auch der sogenannte Kredit-
betrug
, d. h. die Erschleichung des Kredites durch einen
Zahlungsunfähigen, zu beurteilen. Nur dann liegt arglistige
Täuschung vor, wenn der Getäuschte die Benachrichtigung
von der vorhandenen Zahlungsunfähigkeit zu erwarten be-
rechtigt war.6

3. Die Täuschung muß erfolgen in Bereicherungs-
absicht
, d. i. in der Absicht (gleich erweiterter Vorsatz, oben
§. 28 III) sich oder einem Dritten einen rechtswi-
drigen Vermögensvorteil
7 zu verschaffen.

3 [Spaltenumbruch] Richtig RGR. 13. März
1880, E I 309.
4 [Spaltenumbruch] Rechtspflicht verlangt RGR.
4. November 1879, R I 36.
5 [Spaltenumbruch] Dieses vorhergegangene Ver-
halten giebt nicht etwa dem
Schweigen die Bedeutung des
Sprechens, sondern läßt es eben[Spaltenumbruch] als ein unberechtigtes erscheinen.
Schief RGR. 15. März 1880,
E I 314.
6 [Spaltenumbruch] Vgl. RGR. 7. April 1880,
R I 558, E II 5.
7 [Spaltenumbruch] Vgl. darüber Waag GS.
XXXI.

Der Betrug. §. 73.
z. B. über die Ausſichten des ins Leben zu rufenden Unter-
nehmens gehören hieher.

2. Die Erregung und die Unterhaltung des Irr-
tums ſtehen einander gleich. Beide können durch Verſchwei-
gen
von Thatſachen begangen werden. Dieſes Nichtreden
iſt aber nur dann dem Reden gleichwertig, wenn der Ge-
täuſchte berechtigt war, das Reden zu erwarten;3 wenn alſo
eine Verpflichtung zum Reden beſtand, die nicht notwendig
eine Rechtspflicht zu ſein braucht,4 ſondern auch in den ge-
ſchäftlichen Gewohnheiten begründet ſein oder aber auch aus
dem vorhergegangenen poſitiven Verhalten folgen kann.5 Es
gelten hier ohne Ausnahme dieſelben Grundſätze, die oben
§. 21 über die Bedeutung der ſcheinbaren Unterlaſſungen
überhaupt entwickelt wurden.

Nach dem Geſagten iſt auch der ſogenannte Kredit-
betrug
, d. h. die Erſchleichung des Kredites durch einen
Zahlungsunfähigen, zu beurteilen. Nur dann liegt argliſtige
Täuſchung vor, wenn der Getäuſchte die Benachrichtigung
von der vorhandenen Zahlungsunfähigkeit zu erwarten be-
rechtigt war.6

3. Die Täuſchung muß erfolgen in Bereicherungs-
abſicht
, d. i. in der Abſicht (gleich erweiterter Vorſatz, oben
§. 28 III) ſich oder einem Dritten einen rechtswi-
drigen Vermögensvorteil
7 zu verſchaffen.

3 [Spaltenumbruch] Richtig RGR. 13. März
1880, E I 309.
4 [Spaltenumbruch] Rechtspflicht verlangt RGR.
4. November 1879, R I 36.
5 [Spaltenumbruch] Dieſes vorhergegangene Ver-
halten giebt nicht etwa dem
Schweigen die Bedeutung des
Sprechens, ſondern läßt es eben[Spaltenumbruch] als ein unberechtigtes erſcheinen.
Schief RGR. 15. März 1880,
E I 314.
6 [Spaltenumbruch] Vgl. RGR. 7. April 1880,
R I 558, E II 5.
7 [Spaltenumbruch] Vgl. darüber Waag GS.
XXXI.
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[291/0317] Der Betrug. §. 73. z. B. über die Ausſichten des ins Leben zu rufenden Unter- nehmens gehören hieher. 2. Die Erregung und die Unterhaltung des Irr- tums ſtehen einander gleich. Beide können durch Verſchwei- gen von Thatſachen begangen werden. Dieſes Nichtreden iſt aber nur dann dem Reden gleichwertig, wenn der Ge- täuſchte berechtigt war, das Reden zu erwarten; 3 wenn alſo eine Verpflichtung zum Reden beſtand, die nicht notwendig eine Rechtspflicht zu ſein braucht, 4 ſondern auch in den ge- ſchäftlichen Gewohnheiten begründet ſein oder aber auch aus dem vorhergegangenen poſitiven Verhalten folgen kann. 5 Es gelten hier ohne Ausnahme dieſelben Grundſätze, die oben §. 21 über die Bedeutung der ſcheinbaren Unterlaſſungen überhaupt entwickelt wurden. Nach dem Geſagten iſt auch der ſogenannte Kredit- betrug, d. h. die Erſchleichung des Kredites durch einen Zahlungsunfähigen, zu beurteilen. Nur dann liegt argliſtige Täuſchung vor, wenn der Getäuſchte die Benachrichtigung von der vorhandenen Zahlungsunfähigkeit zu erwarten be- rechtigt war. 6 3. Die Täuſchung muß erfolgen in Bereicherungs- abſicht, d. i. in der Abſicht (gleich erweiterter Vorſatz, oben §. 28 III) ſich oder einem Dritten einen rechtswi- drigen Vermögensvorteil 7 zu verſchaffen. 3 Richtig RGR. 13. März 1880, E I 309. 4 Rechtspflicht verlangt RGR. 4. November 1879, R I 36. 5 Dieſes vorhergegangene Ver- halten giebt nicht etwa dem Schweigen die Bedeutung des Sprechens, ſondern läßt es eben als ein unberechtigtes erſcheinen. Schief RGR. 15. März 1880, E I 314. 6 Vgl. RGR. 7. April 1880, R I 558, E II 5. 7 Vgl. darüber Waag GS. XXXI.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/317>, abgerufen am 29.03.2024.