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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Erstes Buch. III. Delikte gegen das Vermögen.
b) Auch die fahrlässige Partiererei ist strafbar. Aber
nicht jede Fahrlässigkeit, auch nicht nur die culpa lata 10
fällt unter das Gesetz; sondern nur ein ganz bestimmter
Fall des fahrlässigen Verhaltens: "wenn der Thäter
den Umständen nach annehmen muß
, daß die
Sache durch eine strafbare Handlung erlangt ist".
Straflos bliebe z. B. derjenige, der nicht weiß, daß er
zum Absatze der (wie ihm bekannt) gestohlenen Sache
mitwirkt, obwohl er bei einiger Aufmerksamkeit dies
hätte bemerken können.11

4. Die Partiererei ist vollendet, sobald eine der im
Gesetze angeführten Thätigkeiten gesetzt ist, sobald die Sache
einen weiteren Schritt aus dem Machtbereiche des Be-
rechtigten gemacht hat. Die folgenden Kreuz- und Quer-
läufe der Sache sind juristisch irrelevant. Wenn also A eine
gestohlene Sache am 1. Januar in Frankreich angekauft und
am 1. Juli in Deutschland weiter verkauft hat, so kann er
nur wegen jenes Ankaufes, nicht wegen dieses Verkaufes
zur Verantwortung gezogen werden.12

II. Die Arten der Partiererei.

1. Die einfache Partiererei (StGB. §. 259). Strafe:
Gefängnis.

10 [Spaltenumbruch] Dies die Ansicht von RGR.
28. April 1880, R I 691, E II
140; vgl. überhaupt das oben
§. 29 a. E. Gesagte.
11 [Spaltenumbruch] Der Einwand, daß solche
Fälle praktisch nicht vorkommen,
trifft nicht die Richtigkeit der im
Texte versuchten Konstruktion;
wohl aber beweist er die prak-[Spaltenumbruch] tische Wichtigkeit der Kontro-
verse: nach Ansicht des RGR.
ist nur culpa lata, nach der im
Texte vertretenen jede strafrecht-
liche relevante culpa in weitaus
den meisten praktisch vorkom-
menden Fällen strafbar.
12 [Spaltenumbruch] RGR. 15. März 1880, E
I 279, R I
471.
Erſtes Buch. III. Delikte gegen das Vermögen.
b) Auch die fahrläſſige Partiererei iſt ſtrafbar. Aber
nicht jede Fahrläſſigkeit, auch nicht nur die culpa lata 10
fällt unter das Geſetz; ſondern nur ein ganz beſtimmter
Fall des fahrläſſigen Verhaltens: „wenn der Thäter
den Umſtänden nach annehmen muß
, daß die
Sache durch eine ſtrafbare Handlung erlangt iſt“.
Straflos bliebe z. B. derjenige, der nicht weiß, daß er
zum Abſatze der (wie ihm bekannt) geſtohlenen Sache
mitwirkt, obwohl er bei einiger Aufmerkſamkeit dies
hätte bemerken können.11

4. Die Partiererei iſt vollendet, ſobald eine der im
Geſetze angeführten Thätigkeiten geſetzt iſt, ſobald die Sache
einen weiteren Schritt aus dem Machtbereiche des Be-
rechtigten gemacht hat. Die folgenden Kreuz- und Quer-
läufe der Sache ſind juriſtiſch irrelevant. Wenn alſo A eine
geſtohlene Sache am 1. Januar in Frankreich angekauft und
am 1. Juli in Deutſchland weiter verkauft hat, ſo kann er
nur wegen jenes Ankaufes, nicht wegen dieſes Verkaufes
zur Verantwortung gezogen werden.12

II. Die Arten der Partiererei.

1. Die einfache Partiererei (StGB. §. 259). Strafe:
Gefängnis.

10 [Spaltenumbruch] Dies die Anſicht von RGR.
28. April 1880, R I 691, E II
140; vgl. überhaupt das oben
§. 29 a. E. Geſagte.
11 [Spaltenumbruch] Der Einwand, daß ſolche
Fälle praktiſch nicht vorkommen,
trifft nicht die Richtigkeit der im
Texte verſuchten Konſtruktion;
wohl aber beweiſt er die prak-[Spaltenumbruch] tiſche Wichtigkeit der Kontro-
verſe: nach Anſicht des RGR.
iſt nur culpa lata, nach der im
Texte vertretenen jede ſtrafrecht-
liche relevante culpa in weitaus
den meiſten praktiſch vorkom-
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I 279, R I
471.
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[310/0336] Erſtes Buch. III. Delikte gegen das Vermögen. b) Auch die fahrläſſige Partiererei iſt ſtrafbar. Aber nicht jede Fahrläſſigkeit, auch nicht nur die culpa lata 10 fällt unter das Geſetz; ſondern nur ein ganz beſtimmter Fall des fahrläſſigen Verhaltens: „wenn der Thäter den Umſtänden nach annehmen muß, daß die Sache durch eine ſtrafbare Handlung erlangt iſt“. Straflos bliebe z. B. derjenige, der nicht weiß, daß er zum Abſatze der (wie ihm bekannt) geſtohlenen Sache mitwirkt, obwohl er bei einiger Aufmerkſamkeit dies hätte bemerken können. 11 4. Die Partiererei iſt vollendet, ſobald eine der im Geſetze angeführten Thätigkeiten geſetzt iſt, ſobald die Sache einen weiteren Schritt aus dem Machtbereiche des Be- rechtigten gemacht hat. Die folgenden Kreuz- und Quer- läufe der Sache ſind juriſtiſch irrelevant. Wenn alſo A eine geſtohlene Sache am 1. Januar in Frankreich angekauft und am 1. Juli in Deutſchland weiter verkauft hat, ſo kann er nur wegen jenes Ankaufes, nicht wegen dieſes Verkaufes zur Verantwortung gezogen werden. 12 II. Die Arten der Partiererei. 1. Die einfache Partiererei (StGB. §. 259). Strafe: Gefängnis. 10 Dies die Anſicht von RGR. 28. April 1880, R I 691, E II 140; vgl. überhaupt das oben §. 29 a. E. Geſagte. 11 Der Einwand, daß ſolche Fälle praktiſch nicht vorkommen, trifft nicht die Richtigkeit der im Texte verſuchten Konſtruktion; wohl aber beweiſt er die prak- tiſche Wichtigkeit der Kontro- verſe: nach Anſicht des RGR. iſt nur culpa lata, nach der im Texte vertretenen jede ſtrafrecht- liche relevante culpa in weitaus den meiſten praktiſch vorkom- menden Fällen ſtrafbar. 12 RGR. 15. März 1880, E I 279, R I 471.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/336>, abgerufen am 19.04.2024.