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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Delikte gegen das Gesundheitswesen. §. 106.
1000 Mark; und wenn in Folge der Vernachlässigung Vieh
von der Seuche ergriffen worden, mit Geldstrafe bis zu
3000 Mark oder Gefängnis bis zu einem Jahre bestraft.

4. Das Gesetz vom 23. Juni 1880 (ausgegeben 30. Juni
1880, in Kraft vom 1. April 1881) betreffend die Abwehr
und Unterdrückung von Viehseuchen
(mit Ausnahme
der Rinderpest) hat eine Reihe von Anordnungen getroffen,
deren Befolgung, soweit nicht nach den bestehenden gesetz-
lichen Vorschriften eine höhere Strafe verwirkt ist, mit Ueber-
tretungsstrafen bedroht wird. Die Bedeutung des Gesetzes
gegenüber §. 328 StGB. liegt darin, daß Kenntnis der
erlassenen Anordnungen nicht Thatbestandsmerkmal ist, mithin
auch fahrlässig verschuldete Unkenntnis unter die Strafdrohung
fällt. Die vom Gesetzgeber beliebte Ausscheidung der Rin-
derpest hat zur Folge, daß die Uebertretung der zum Schutze
gegen diese erlassenen Anordnungen, die nicht Beschränkungen
oder Verbote der Einfuhr sind, nur wenn wissentlich
übertreten, bestraft werden können (!).

III. Die Verletzungen des Reichsimpfgesetzes vom
8. April 1874 durch Eltern, Pflegeeltern, Vormünder, Schul-
vorsteher, sowie Denjenigen, der unbefugt Impfungen vor-
nimmt, unterliegen Uebertretungsstrafen. Vergehensstrafe
(Geldstrafe bis zu 500 Mark oder Gefängnis bis zu 3 Mo-
naten) trifft (§. 17) Denjenigen, der bei Ausführung einer
Impfung fahrlässig8 handelt.

8 [Spaltenumbruch] Es liegt hier nicht Fahr-
lässigkeit in dem technischen Sinne
des Strafrechts (oben §. 29) vor,
da nicht ein rechtswidriger Er-
folg vorausgesetzt, sondern die
Unvorsichtigkeit bei der Impfung[Spaltenumbruch] bestraft wird (nicht "fahrlässige
Impfung", sondern Fahrlässig-
keit -- der Ausdruck wäre besser
vermieden worden -- bei Aus-
führung
der Impfung).

Delikte gegen das Geſundheitsweſen. §. 106.
1000 Mark; und wenn in Folge der Vernachläſſigung Vieh
von der Seuche ergriffen worden, mit Geldſtrafe bis zu
3000 Mark oder Gefängnis bis zu einem Jahre beſtraft.

4. Das Geſetz vom 23. Juni 1880 (ausgegeben 30. Juni
1880, in Kraft vom 1. April 1881) betreffend die Abwehr
und Unterdrückung von Viehſeuchen
(mit Ausnahme
der Rinderpeſt) hat eine Reihe von Anordnungen getroffen,
deren Befolgung, ſoweit nicht nach den beſtehenden geſetz-
lichen Vorſchriften eine höhere Strafe verwirkt iſt, mit Ueber-
tretungsſtrafen bedroht wird. Die Bedeutung des Geſetzes
gegenüber §. 328 StGB. liegt darin, daß Kenntnis der
erlaſſenen Anordnungen nicht Thatbeſtandsmerkmal iſt, mithin
auch fahrläſſig verſchuldete Unkenntnis unter die Strafdrohung
fällt. Die vom Geſetzgeber beliebte Ausſcheidung der Rin-
derpeſt hat zur Folge, daß die Uebertretung der zum Schutze
gegen dieſe erlaſſenen Anordnungen, die nicht Beſchränkungen
oder Verbote der Einfuhr ſind, nur wenn wiſſentlich
übertreten, beſtraft werden können (!).

III. Die Verletzungen des Reichsimpfgeſetzes vom
8. April 1874 durch Eltern, Pflegeeltern, Vormünder, Schul-
vorſteher, ſowie Denjenigen, der unbefugt Impfungen vor-
nimmt, unterliegen Uebertretungsſtrafen. Vergehensſtrafe
(Geldſtrafe bis zu 500 Mark oder Gefängnis bis zu 3 Mo-
naten) trifft (§. 17) Denjenigen, der bei Ausführung einer
Impfung fahrläſſig8 handelt.

8 [Spaltenumbruch] Es liegt hier nicht Fahr-
läſſigkeit in dem techniſchen Sinne
des Strafrechts (oben §. 29) vor,
da nicht ein rechtswidriger Er-
folg vorausgeſetzt, ſondern die
Unvorſichtigkeit bei der Impfung[Spaltenumbruch] beſtraft wird (nicht „fahrläſſige
Impfung“, ſondern Fahrläſſig-
keit — der Ausdruck wäre beſſer
vermieden worden — bei Aus-
führung
der Impfung).
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[441/0467] Delikte gegen das Geſundheitsweſen. §. 106. 1000 Mark; und wenn in Folge der Vernachläſſigung Vieh von der Seuche ergriffen worden, mit Geldſtrafe bis zu 3000 Mark oder Gefängnis bis zu einem Jahre beſtraft. 4. Das Geſetz vom 23. Juni 1880 (ausgegeben 30. Juni 1880, in Kraft vom 1. April 1881) betreffend die Abwehr und Unterdrückung von Viehſeuchen (mit Ausnahme der Rinderpeſt) hat eine Reihe von Anordnungen getroffen, deren Befolgung, ſoweit nicht nach den beſtehenden geſetz- lichen Vorſchriften eine höhere Strafe verwirkt iſt, mit Ueber- tretungsſtrafen bedroht wird. Die Bedeutung des Geſetzes gegenüber §. 328 StGB. liegt darin, daß Kenntnis der erlaſſenen Anordnungen nicht Thatbeſtandsmerkmal iſt, mithin auch fahrläſſig verſchuldete Unkenntnis unter die Strafdrohung fällt. Die vom Geſetzgeber beliebte Ausſcheidung der Rin- derpeſt hat zur Folge, daß die Uebertretung der zum Schutze gegen dieſe erlaſſenen Anordnungen, die nicht Beſchränkungen oder Verbote der Einfuhr ſind, nur wenn wiſſentlich übertreten, beſtraft werden können (!). III. Die Verletzungen des Reichsimpfgeſetzes vom 8. April 1874 durch Eltern, Pflegeeltern, Vormünder, Schul- vorſteher, ſowie Denjenigen, der unbefugt Impfungen vor- nimmt, unterliegen Uebertretungsſtrafen. Vergehensſtrafe (Geldſtrafe bis zu 500 Mark oder Gefängnis bis zu 3 Mo- naten) trifft (§. 17) Denjenigen, der bei Ausführung einer Impfung fahrläſſig 8 handelt. 8 Es liegt hier nicht Fahr- läſſigkeit in dem techniſchen Sinne des Strafrechts (oben §. 29) vor, da nicht ein rechtswidriger Er- folg vorausgeſetzt, ſondern die Unvorſichtigkeit bei der Impfung beſtraft wird (nicht „fahrläſſige Impfung“, ſondern Fahrläſſig- keit — der Ausdruck wäre beſſer vermieden worden — bei Aus- führung der Impfung).

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 441. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/467>, abgerufen am 24.04.2024.