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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.

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§ 21. Die völkerrechtlichen Verträge.
lichen Beschränkung die völkerrechtliche Vertretungsbefugnis
des Deutschen Kaisers in keiner Weise berührt.

In demselben Sinne die überwiegende Meinung. Vgl. über die lebhaft
bestrittene Frage etwa Heilborn System 144.

Ganz eigenartig und aus der besonderen Sachlage zu er-
klären ist Artikel 18 des Frankfurter Friedensvertrages vom 10. Mai
1871 (R. G. Bl. 1871 S. 223). Er bestimmt: "Die Ratifikationen des
gegenwärtigen Vertrages durch Seine Majestät den Deutschen
Kaiser einerseits und andererseits durch die Nationalversamm-
lung
und durch das Oberhaupt der vollziehenden Gewalt der
Französischen Republik werden in Frankfurt binnen zehn Tagen
oder wo möglich früher ausgetauscht werden." Und in dem Protokoll
vom 20. Mai 1871 über den Austausch der Ratifikationen ist die
Vorlegung einer in gehöriger Form erfolgten Ausfertigung des am
18. Mai von der Nationalversammlung angenommenen, den Friedens-
vertrag ratifizierenden Gesetzes ausdrücklich erwähnt.

III. Die Wirkung der Staatsverträge.

Der Staatsvertrag berechtigt und verpflichtet die vertragschliessen-
den Teile.

Er bindet, von besonderen Vereinbarungen abgesehen, den
Staat mit seinem Gesamtgebiet; doch wird in den Kollektivverträgen
mehrfach eine besondere Erklärung über den Beitritt mit den
einzelnen Kolonieen oder andern überseeischen Besitzungen der Ver-
tragschliessenden besonders vorgesehen (so auch in der Berner
Litterarkonvention vom 9. September 1886).

1. Der Vertrag berechtigt und bindet mithin nicht dritte Staaten.
Jedoch kann diesen der Beitritt (die Accession oder Adhäsion) offen
gehalten werden.

Beispiele: Artikel 37 der Kongoakte: "Die die gegenwärtige
Generalakte nichtunterzeichnenden Mächte können ihren Bestim-
mungen durch einen besonderen Akt beitreten. -- Der Beitritt
jeder Macht wird auf diplomatischem Wege zur Kenntnis der Re-
gierung des Deutschen Reichs und von dieser zur Kenntnis aller
der Staaten gebracht, welche diese Generalakte unterzeichnen oder

8*

§ 21. Die völkerrechtlichen Verträge.
lichen Beschränkung die völkerrechtliche Vertretungsbefugnis
des Deutschen Kaisers in keiner Weise berührt.

In demselben Sinne die überwiegende Meinung. Vgl. über die lebhaft
bestrittene Frage etwa Heilborn System 144.

Ganz eigenartig und aus der besonderen Sachlage zu er-
klären ist Artikel 18 des Frankfurter Friedensvertrages vom 10. Mai
1871 (R. G. Bl. 1871 S. 223). Er bestimmt: „Die Ratifikationen des
gegenwärtigen Vertrages durch Seine Majestät den Deutschen
Kaiser einerseits und andererseits durch die Nationalversamm-
lung
und durch das Oberhaupt der vollziehenden Gewalt der
Französischen Republik werden in Frankfurt binnen zehn Tagen
oder wo möglich früher ausgetauscht werden.“ Und in dem Protokoll
vom 20. Mai 1871 über den Austausch der Ratifikationen ist die
Vorlegung einer in gehöriger Form erfolgten Ausfertigung des am
18. Mai von der Nationalversammlung angenommenen, den Friedens-
vertrag ratifizierenden Gesetzes ausdrücklich erwähnt.

III. Die Wirkung der Staatsverträge.

Der Staatsvertrag berechtigt und verpflichtet die vertragschlieſsen-
den Teile.

Er bindet, von besonderen Vereinbarungen abgesehen, den
Staat mit seinem Gesamtgebiet; doch wird in den Kollektivverträgen
mehrfach eine besondere Erklärung über den Beitritt mit den
einzelnen Kolonieen oder andern überseeischen Besitzungen der Ver-
tragschlieſsenden besonders vorgesehen (so auch in der Berner
Litterarkonvention vom 9. September 1886).

1. Der Vertrag berechtigt und bindet mithin nicht dritte Staaten.
Jedoch kann diesen der Beitritt (die Accession oder Adhäsion) offen
gehalten werden.

Beispiele: Artikel 37 der Kongoakte: „Die die gegenwärtige
Generalakte nichtunterzeichnenden Mächte können ihren Bestim-
mungen durch einen besonderen Akt beitreten. — Der Beitritt
jeder Macht wird auf diplomatischem Wege zur Kenntnis der Re-
gierung des Deutschen Reichs und von dieser zur Kenntnis aller
der Staaten gebracht, welche diese Generalakte unterzeichnen oder

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[115/0137] § 21. Die völkerrechtlichen Verträge. lichen Beschränkung die völkerrechtliche Vertretungsbefugnis des Deutschen Kaisers in keiner Weise berührt. In demselben Sinne die überwiegende Meinung. Vgl. über die lebhaft bestrittene Frage etwa Heilborn System 144. Ganz eigenartig und aus der besonderen Sachlage zu er- klären ist Artikel 18 des Frankfurter Friedensvertrages vom 10. Mai 1871 (R. G. Bl. 1871 S. 223). Er bestimmt: „Die Ratifikationen des gegenwärtigen Vertrages durch Seine Majestät den Deutschen Kaiser einerseits und andererseits durch die Nationalversamm- lung und durch das Oberhaupt der vollziehenden Gewalt der Französischen Republik werden in Frankfurt binnen zehn Tagen oder wo möglich früher ausgetauscht werden.“ Und in dem Protokoll vom 20. Mai 1871 über den Austausch der Ratifikationen ist die Vorlegung einer in gehöriger Form erfolgten Ausfertigung des am 18. Mai von der Nationalversammlung angenommenen, den Friedens- vertrag ratifizierenden Gesetzes ausdrücklich erwähnt. III. Die Wirkung der Staatsverträge. Der Staatsvertrag berechtigt und verpflichtet die vertragschlieſsen- den Teile. Er bindet, von besonderen Vereinbarungen abgesehen, den Staat mit seinem Gesamtgebiet; doch wird in den Kollektivverträgen mehrfach eine besondere Erklärung über den Beitritt mit den einzelnen Kolonieen oder andern überseeischen Besitzungen der Ver- tragschlieſsenden besonders vorgesehen (so auch in der Berner Litterarkonvention vom 9. September 1886). 1. Der Vertrag berechtigt und bindet mithin nicht dritte Staaten. Jedoch kann diesen der Beitritt (die Accession oder Adhäsion) offen gehalten werden. Beispiele: Artikel 37 der Kongoakte: „Die die gegenwärtige Generalakte nichtunterzeichnenden Mächte können ihren Bestim- mungen durch einen besonderen Akt beitreten. — Der Beitritt jeder Macht wird auf diplomatischem Wege zur Kenntnis der Re- gierung des Deutschen Reichs und von dieser zur Kenntnis aller der Staaten gebracht, welche diese Generalakte unterzeichnen oder 8*

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/137>, abgerufen am 19.04.2024.