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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.

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§ 36. Fortsetzung. Insbesondere d. Bekämpfung d. Sklavenhandels.
§ 36. Fortsetzung. Insbesondere die Bekämpfung
des Sklavenhandels.

Vgl. v. Liszt, Lehrbuch des Strafrechts. 8. Aufl. § 98 III und § 101 IV,
sowie die dort angeführte Litteratur.

Ausserdem E. Löning im Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Er-
gänzungsband II 679.

I.

Die Massregeln zur Unterdrückung des Sklavenhandels gewinnen
völkerrechtliche Bedeutung erst mit dem Augenblick, in welchem die
Staaten zu seiner gemeinsamen Bekämpfung sich zusammenschliessen.

Nur diese internationalen Vereinbarungen, nicht die Bestim-
mungen der nationalen Gesetzgebung sind an dieser Stelle zur Dar-
stellung zu bringen.

1. Der von den Vereinigten Staaten und von England ausgehen-
den Bewegung folgend, hatte bereits der Wiener Kongress durch die
berühmte Erklärung vom 8. Februar 1815 den Handel mit Negersklaven
(die "traite des noirs"; nicht zu verwechseln mit der Rechtseinrichtung
der Sklaverei), der damals besonders von Afrika nach Amerika be-
trieben wurde, als eine Verletzung des europäischen Völkerrechts be-
zeichnet. In dem zweiten Pariser Frieden vom 20. November 1815
wurden weitere Verhandlungen über die Frage vereinbart, die in London
1817 und 1818, sowie auf dem Kongress zu Aachen 1818 und Verona
1822 stattfanden, aber ergebnislos verliefen.

England ging daher auf dem von ihm bereits seit 1810 ein-
geschlagenen Wege selbständig weiter vor und schloss mit einer
Reihe von Staaten Verträge ab, durch welche den Kriegsschiffen
der Vertragsstaaten das Recht zur Durchsuchung verdächtiger Schiffe
gegenseitig eingeräumt wurde.

2. Erst der sogenannte Quintupelvertrag vom 20. Dezember 1841,
zwischen England, Frankreich, Russland, Österreich und Preussen ge-
schlossen (von Frankreich jedoch nicht ratifiziert), setzt jenen theore-
tischen Grundsatz des Wiener Kongresses in Wirklichkeit um.

Der Vertrag, dem Belgien 1848, das Deutsche Reich durch
Vertrag mit Grossbritannien vom 29. März 1879 (R. G. Bl. 1880
S. 100) an Stelle Preussens beitraten, beruht (abgesehen von der
Gleichstellung des Sklavenhandels mit dem Seeraub) darauf, dass
in einer genau umschriebenen "verdächtigen Zone", die den Atlan-

§ 36. Fortsetzung. Insbesondere d. Bekämpfung d. Sklavenhandels.
§ 36. Fortsetzung. Insbesondere die Bekämpfung
des Sklavenhandels.

Vgl. v. Liszt, Lehrbuch des Strafrechts. 8. Aufl. § 98 III und § 101 IV,
sowie die dort angeführte Litteratur.

Auſserdem E. Löning im Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Er-
gänzungsband II 679.

I.

Die Maſsregeln zur Unterdrückung des Sklavenhandels gewinnen
völkerrechtliche Bedeutung erst mit dem Augenblick, in welchem die
Staaten zu seiner gemeinsamen Bekämpfung sich zusammenschlieſsen.

Nur diese internationalen Vereinbarungen, nicht die Bestim-
mungen der nationalen Gesetzgebung sind an dieser Stelle zur Dar-
stellung zu bringen.

1. Der von den Vereinigten Staaten und von England ausgehen-
den Bewegung folgend, hatte bereits der Wiener Kongreſs durch die
berühmte Erklärung vom 8. Februar 1815 den Handel mit Negersklaven
(die „traite des noirs“; nicht zu verwechseln mit der Rechtseinrichtung
der Sklaverei), der damals besonders von Afrika nach Amerika be-
trieben wurde, als eine Verletzung des europäischen Völkerrechts be-
zeichnet. In dem zweiten Pariser Frieden vom 20. November 1815
wurden weitere Verhandlungen über die Frage vereinbart, die in London
1817 und 1818, sowie auf dem Kongreſs zu Aachen 1818 und Verona
1822 stattfanden, aber ergebnislos verliefen.

England ging daher auf dem von ihm bereits seit 1810 ein-
geschlagenen Wege selbständig weiter vor und schloſs mit einer
Reihe von Staaten Verträge ab, durch welche den Kriegsschiffen
der Vertragsstaaten das Recht zur Durchsuchung verdächtiger Schiffe
gegenseitig eingeräumt wurde.

2. Erst der sogenannte Quintupelvertrag vom 20. Dezember 1841,
zwischen England, Frankreich, Ruſsland, Österreich und Preuſsen ge-
schlossen (von Frankreich jedoch nicht ratifiziert), setzt jenen theore-
tischen Grundsatz des Wiener Kongresses in Wirklichkeit um.

Der Vertrag, dem Belgien 1848, das Deutsche Reich durch
Vertrag mit Groſsbritannien vom 29. März 1879 (R. G. Bl. 1880
S. 100) an Stelle Preuſsens beitraten, beruht (abgesehen von der
Gleichstellung des Sklavenhandels mit dem Seeraub) darauf, daſs
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[191/0213] § 36. Fortsetzung. Insbesondere d. Bekämpfung d. Sklavenhandels. § 36. Fortsetzung. Insbesondere die Bekämpfung des Sklavenhandels. Vgl. v. Liszt, Lehrbuch des Strafrechts. 8. Aufl. § 98 III und § 101 IV, sowie die dort angeführte Litteratur. Auſserdem E. Löning im Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Er- gänzungsband II 679. I. Die Maſsregeln zur Unterdrückung des Sklavenhandels gewinnen völkerrechtliche Bedeutung erst mit dem Augenblick, in welchem die Staaten zu seiner gemeinsamen Bekämpfung sich zusammenschlieſsen. Nur diese internationalen Vereinbarungen, nicht die Bestim- mungen der nationalen Gesetzgebung sind an dieser Stelle zur Dar- stellung zu bringen. 1. Der von den Vereinigten Staaten und von England ausgehen- den Bewegung folgend, hatte bereits der Wiener Kongreſs durch die berühmte Erklärung vom 8. Februar 1815 den Handel mit Negersklaven (die „traite des noirs“; nicht zu verwechseln mit der Rechtseinrichtung der Sklaverei), der damals besonders von Afrika nach Amerika be- trieben wurde, als eine Verletzung des europäischen Völkerrechts be- zeichnet. In dem zweiten Pariser Frieden vom 20. November 1815 wurden weitere Verhandlungen über die Frage vereinbart, die in London 1817 und 1818, sowie auf dem Kongreſs zu Aachen 1818 und Verona 1822 stattfanden, aber ergebnislos verliefen. England ging daher auf dem von ihm bereits seit 1810 ein- geschlagenen Wege selbständig weiter vor und schloſs mit einer Reihe von Staaten Verträge ab, durch welche den Kriegsschiffen der Vertragsstaaten das Recht zur Durchsuchung verdächtiger Schiffe gegenseitig eingeräumt wurde. 2. Erst der sogenannte Quintupelvertrag vom 20. Dezember 1841, zwischen England, Frankreich, Ruſsland, Österreich und Preuſsen ge- schlossen (von Frankreich jedoch nicht ratifiziert), setzt jenen theore- tischen Grundsatz des Wiener Kongresses in Wirklichkeit um. Der Vertrag, dem Belgien 1848, das Deutsche Reich durch Vertrag mit Groſsbritannien vom 29. März 1879 (R. G. Bl. 1880 S. 100) an Stelle Preuſsens beitraten, beruht (abgesehen von der Gleichstellung des Sklavenhandels mit dem Seeraub) darauf, daſs in einer genau umschriebenen „verdächtigen Zone“, die den Atlan-

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/213>, abgerufen am 24.04.2024.