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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.

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§ 39. Der Krieg als völkerrechtliches Rechtsverhältnis.

Sehr bestritten; vgl. Fauchille, R. G. II 156, Feraud-Giraud, R. G. II 295;
dagegen Brusa, R. G. IV 157, Riviere II 209, Fedozzi, R. J. XXVIII
591, Despagnet, Essai sur le protectorat, 1896, S. 336, 372.

3. Dauernd neutralisierte Staaten haben, vom Notstand abge-
sehen, das Recht der Kriegführung nicht
(oben § 6 III S. 29).

Genauer gesprochen: Der von dem neutralisierten Staate
ausgehende Angriff hat alle die Rechtswirkungen, die mit dem Aus-
bruch des Krieges verbunden sind; aber der neutralisierte Staat ver-
letzt eben durch den Beginn der Feindseligkeiten die ihm auferlegte
völkerrechtliche Rechtspflicht. Das Recht des Verteidigungskrieges
dagegen kann ihm nicht bestritten werden.

II. Einteilung des Krieges.

1. Die Unterscheidung von Angriffskriegen und Verteidigungs-
kriegen ist, obwohl unter Umständen für den Einzelfall schwer durch-
zuführen, sowohl für das Staatsrecht, als auch für das Völkerrecht
von Bedeutung.

So ist nach Artikel 11 Absatz 2 der deutschen Reichsverfassung
zur Erklärung des Krieges im Namen des Reiches die Zustimmung
des Bundesrates erforderlich, es sei denn, dass ein Angriff auf das
Bundesgebiet oder dessen Küsten erfolgt. Und die Bündnisver-
träge zwischen dem Deutschen Reich, Österreich und Italien (oben
§ 37 III) stellen nur den Fall eines Angriffskrieges von aussen als
den casus foederis für diese reine Defensivallianz auf.

2. Landkrieg und Seekrieg stehen in wichtigen Beziehungen
(Genfer Konvention, Privateigentum) unter durchaus verschiedenen
Rechtsregeln.

Über den Seekrieg vgl. unten § 42.

III.

Die Kriegführung zu Wasser und zu Lande steht unter be-
stimmten Rechtssätzen des Völkerrechts, durch welche sowohl die
Beziehungen der Kriegführenden untereinander, als die Rechte und
Pflichten zwischen den Kriegführenden und den neutralen Mächten
geregelt werden.

Lueder, H. H. IV 174, 371.

Von den landesrechtlichen Kodifikationen des Kriegsrechts haben besondere
Beachtung gefunden die von Lieber ausgearbeiteten Instructions for
the government of armies of the United States in the field. 1863.


v. Liszt, Völkerrecht. 14
§ 39. Der Krieg als völkerrechtliches Rechtsverhältnis.

Sehr bestritten; vgl. Fauchille, R. G. II 156, Féraud-Giraud, R. G. II 295;
dagegen Brusa, R. G. IV 157, Rivière II 209, Fedozzi, R. J. XXVIII
591, Despagnet, Essai sur le protectorat, 1896, S. 336, 372.

3. Dauernd neutralisierte Staaten haben, vom Notstand abge-
sehen, das Recht der Kriegführung nicht
(oben § 6 III S. 29).

Genauer gesprochen: Der von dem neutralisierten Staate
ausgehende Angriff hat alle die Rechtswirkungen, die mit dem Aus-
bruch des Krieges verbunden sind; aber der neutralisierte Staat ver-
letzt eben durch den Beginn der Feindseligkeiten die ihm auferlegte
völkerrechtliche Rechtspflicht. Das Recht des Verteidigungskrieges
dagegen kann ihm nicht bestritten werden.

II. Einteilung des Krieges.

1. Die Unterscheidung von Angriffskriegen und Verteidigungs-
kriegen ist, obwohl unter Umständen für den Einzelfall schwer durch-
zuführen, sowohl für das Staatsrecht, als auch für das Völkerrecht
von Bedeutung.

So ist nach Artikel 11 Absatz 2 der deutschen Reichsverfassung
zur Erklärung des Krieges im Namen des Reiches die Zustimmung
des Bundesrates erforderlich, es sei denn, daſs ein Angriff auf das
Bundesgebiet oder dessen Küsten erfolgt. Und die Bündnisver-
träge zwischen dem Deutschen Reich, Österreich und Italien (oben
§ 37 III) stellen nur den Fall eines Angriffskrieges von auſsen als
den casus foederis für diese reine Defensivallianz auf.

2. Landkrieg und Seekrieg stehen in wichtigen Beziehungen
(Genfer Konvention, Privateigentum) unter durchaus verschiedenen
Rechtsregeln.

Über den Seekrieg vgl. unten § 42.

III.

Die Kriegführung zu Wasser und zu Lande steht unter be-
stimmten Rechtssätzen des Völkerrechts, durch welche sowohl die
Beziehungen der Kriegführenden untereinander, als die Rechte und
Pflichten zwischen den Kriegführenden und den neutralen Mächten
geregelt werden.

Lueder, H. H. IV 174, 371.

Von den landesrechtlichen Kodifikationen des Kriegsrechts haben besondere
Beachtung gefunden die von Lieber ausgearbeiteten Instructions for
the government of armies of the United States in the field. 1863.


v. Liszt, Völkerrecht. 14
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[209/0231] § 39. Der Krieg als völkerrechtliches Rechtsverhältnis. Sehr bestritten; vgl. Fauchille, R. G. II 156, Féraud-Giraud, R. G. II 295; dagegen Brusa, R. G. IV 157, Rivière II 209, Fedozzi, R. J. XXVIII 591, Despagnet, Essai sur le protectorat, 1896, S. 336, 372. 3. Dauernd neutralisierte Staaten haben, vom Notstand abge- sehen, das Recht der Kriegführung nicht (oben § 6 III S. 29). Genauer gesprochen: Der von dem neutralisierten Staate ausgehende Angriff hat alle die Rechtswirkungen, die mit dem Aus- bruch des Krieges verbunden sind; aber der neutralisierte Staat ver- letzt eben durch den Beginn der Feindseligkeiten die ihm auferlegte völkerrechtliche Rechtspflicht. Das Recht des Verteidigungskrieges dagegen kann ihm nicht bestritten werden. II. Einteilung des Krieges. 1. Die Unterscheidung von Angriffskriegen und Verteidigungs- kriegen ist, obwohl unter Umständen für den Einzelfall schwer durch- zuführen, sowohl für das Staatsrecht, als auch für das Völkerrecht von Bedeutung. So ist nach Artikel 11 Absatz 2 der deutschen Reichsverfassung zur Erklärung des Krieges im Namen des Reiches die Zustimmung des Bundesrates erforderlich, es sei denn, daſs ein Angriff auf das Bundesgebiet oder dessen Küsten erfolgt. Und die Bündnisver- träge zwischen dem Deutschen Reich, Österreich und Italien (oben § 37 III) stellen nur den Fall eines Angriffskrieges von auſsen als den casus foederis für diese reine Defensivallianz auf. 2. Landkrieg und Seekrieg stehen in wichtigen Beziehungen (Genfer Konvention, Privateigentum) unter durchaus verschiedenen Rechtsregeln. Über den Seekrieg vgl. unten § 42. III. Die Kriegführung zu Wasser und zu Lande steht unter be- stimmten Rechtssätzen des Völkerrechts, durch welche sowohl die Beziehungen der Kriegführenden untereinander, als die Rechte und Pflichten zwischen den Kriegführenden und den neutralen Mächten geregelt werden. Lueder, H. H. IV 174, 371. Von den landesrechtlichen Kodifikationen des Kriegsrechts haben besondere Beachtung gefunden die von Lieber ausgearbeiteten Instructions for the government of armies of the United States in the field. 1863. v. Liszt, Völkerrecht. 14

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/231>, abgerufen am 25.04.2024.