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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.

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§ 42. Der Seekrieg insbesondere.
setzung von Plätzen, Gefangennahme von Mannschaften u. s. w.),
so sind sie wieder rückgängig zu machen. Trotz des Stillstandes
der gegen den Gegner gerichteten kriegerischen Unternehmungen
dauert aber der Kriegszustand fort. Jeder Teil ist daher, wenn
nicht besondere Vereinbarungen im Wege stehen, zur Ausbildung
und Verstärkung seiner eigenen Kriegsmacht (Aushebung und Ein-
übung von Mannschaften, Ankauf von Waffen, Ausrüstung von
Kriegsschiffen u. s. w.) durchaus berechtigt.

Bruch des Waffenstillstandes durch einen oder mehrere Ein-
zelne verpflichtet nur zu einer Bestrafung des Schuldigen und Ent-
schädigung des verletzten Gegners; Bruch durch den Befehlshaber
selbst berechtigt den Gegner nicht nur zur Aufkündigung der Ver-
einbarung, sondern sogar zum sofortigen Wiederbeginn der Feind-
seligkeiten.

§ 42. Der Seekrieg insbesondere.

Rettich, Prisenrecht und Flussschiffahrt. 1892.

Boeck, De la propriete ennemie sous pavillon ennemi. 1882.

Travers Twiss, R. J. XVI 113.

Bulmerincq, R. J. XIII 447, XIV 114.

I.

Die in den vorhergehenden Paragraphen aufgestellten Rechtssätze
gelten im allgemeinen auch für den Seekrieg. Daneben aber gelten für
den Seekrieg besondere Rechtsregeln, durch welche jene Rechtssätze
nicht nur umgestaltet, sondern teilweise völlig verdrängt werden. Ihre
Gesamtheit bildet das Seekriegsrecht.

1. Schauplatz des Seekriegs ist in erster Linie die offene See
mit Einschluss der mit ihr zusammenhängenden, an der Meeresfrei-
heit teilnehmenden Meeresteile
(oben § 26 II). Kriegsschauplatz im See-
krieg sind ferner die Küstengewässer des feindlichen Staates, nicht
aber dessen Eigengewässer.

Ein Gefecht, das etwa in der unteren Elbe zwischen Kriegs-
schiffen ausgetragen wird, ist keine Seeschlacht, sondern nach den
für den Landkrieg geltenden Rechtsregeln zu beurteilen. Die Ver-
wundeten stehen unter dem Schutze der Genfer Konvention von
1864. Die auf dem See-Kriegsschauplatz und die von ihm aus

§ 42. Der Seekrieg insbesondere.
setzung von Plätzen, Gefangennahme von Mannschaften u. s. w.),
so sind sie wieder rückgängig zu machen. Trotz des Stillstandes
der gegen den Gegner gerichteten kriegerischen Unternehmungen
dauert aber der Kriegszustand fort. Jeder Teil ist daher, wenn
nicht besondere Vereinbarungen im Wege stehen, zur Ausbildung
und Verstärkung seiner eigenen Kriegsmacht (Aushebung und Ein-
übung von Mannschaften, Ankauf von Waffen, Ausrüstung von
Kriegsschiffen u. s. w.) durchaus berechtigt.

Bruch des Waffenstillstandes durch einen oder mehrere Ein-
zelne verpflichtet nur zu einer Bestrafung des Schuldigen und Ent-
schädigung des verletzten Gegners; Bruch durch den Befehlshaber
selbst berechtigt den Gegner nicht nur zur Aufkündigung der Ver-
einbarung, sondern sogar zum sofortigen Wiederbeginn der Feind-
seligkeiten.

§ 42. Der Seekrieg insbesondere.

Rettich, Prisenrecht und Fluſsschiffahrt. 1892.

Boeck, De la propriété ennemie sous pavillon ennemi. 1882.

Travers Twiſs, R. J. XVI 113.

Bulmerincq, R. J. XIII 447, XIV 114.

I.

Die in den vorhergehenden Paragraphen aufgestellten Rechtssätze
gelten im allgemeinen auch für den Seekrieg. Daneben aber gelten für
den Seekrieg besondere Rechtsregeln, durch welche jene Rechtssätze
nicht nur umgestaltet, sondern teilweise völlig verdrängt werden. Ihre
Gesamtheit bildet das Seekriegsrecht.

1. Schauplatz des Seekriegs ist in erster Linie die offene See
mit Einschluſs der mit ihr zusammenhängenden, an der Meeresfrei-
heit teilnehmenden Meeresteile
(oben § 26 II). Kriegsschauplatz im See-
krieg sind ferner die Küstengewässer des feindlichen Staates, nicht
aber dessen Eigengewässer.

Ein Gefecht, das etwa in der unteren Elbe zwischen Kriegs-
schiffen ausgetragen wird, ist keine Seeschlacht, sondern nach den
für den Landkrieg geltenden Rechtsregeln zu beurteilen. Die Ver-
wundeten stehen unter dem Schutze der Genfer Konvention von
1864. Die auf dem See-Kriegsschauplatz und die von ihm aus

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[231/0253] § 42. Der Seekrieg insbesondere. setzung von Plätzen, Gefangennahme von Mannschaften u. s. w.), so sind sie wieder rückgängig zu machen. Trotz des Stillstandes der gegen den Gegner gerichteten kriegerischen Unternehmungen dauert aber der Kriegszustand fort. Jeder Teil ist daher, wenn nicht besondere Vereinbarungen im Wege stehen, zur Ausbildung und Verstärkung seiner eigenen Kriegsmacht (Aushebung und Ein- übung von Mannschaften, Ankauf von Waffen, Ausrüstung von Kriegsschiffen u. s. w.) durchaus berechtigt. Bruch des Waffenstillstandes durch einen oder mehrere Ein- zelne verpflichtet nur zu einer Bestrafung des Schuldigen und Ent- schädigung des verletzten Gegners; Bruch durch den Befehlshaber selbst berechtigt den Gegner nicht nur zur Aufkündigung der Ver- einbarung, sondern sogar zum sofortigen Wiederbeginn der Feind- seligkeiten. § 42. Der Seekrieg insbesondere. Rettich, Prisenrecht und Fluſsschiffahrt. 1892. Boeck, De la propriété ennemie sous pavillon ennemi. 1882. Travers Twiſs, R. J. XVI 113. Bulmerincq, R. J. XIII 447, XIV 114. I. Die in den vorhergehenden Paragraphen aufgestellten Rechtssätze gelten im allgemeinen auch für den Seekrieg. Daneben aber gelten für den Seekrieg besondere Rechtsregeln, durch welche jene Rechtssätze nicht nur umgestaltet, sondern teilweise völlig verdrängt werden. Ihre Gesamtheit bildet das Seekriegsrecht. 1. Schauplatz des Seekriegs ist in erster Linie die offene See mit Einschluſs der mit ihr zusammenhängenden, an der Meeresfrei- heit teilnehmenden Meeresteile (oben § 26 II). Kriegsschauplatz im See- krieg sind ferner die Küstengewässer des feindlichen Staates, nicht aber dessen Eigengewässer. Ein Gefecht, das etwa in der unteren Elbe zwischen Kriegs- schiffen ausgetragen wird, ist keine Seeschlacht, sondern nach den für den Landkrieg geltenden Rechtsregeln zu beurteilen. Die Ver- wundeten stehen unter dem Schutze der Genfer Konvention von 1864. Die auf dem See-Kriegsschauplatz und die von ihm aus

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/253>, abgerufen am 23.04.2024.