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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.

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§ 43. Die Rechtsstellung der neutralen Mächte.

6. Wird vor rechtskräftiger Entscheidung des Prisengerichts
das aufgebrachte Schiff dem aufbringenden Kreuzer wieder entrissen
oder gelingt es ihm zu entkommen (reprise, recousse), so verbleibt
Schiff wie Ladung dem früheren Eigentümer.

7. Das Prisenrecht endigt mit dem endgültigen Aufhören der
Feindseligkeiten, also mit dem Friedensschluss.

Die später erfolgte Wegnahme ist rechtsunwirksam; die früher
erfolgte kann vor dem Prisengericht weiter verfolgt werden. Meist
werden bereits im Waffenstillstandsvertrag besondere Vereinbarungen
auch über die vor den Prisengerichten schwebenden Rechtsstreitig-
keiten getroffen.

Vgl. den Frankfurter Friedensvertrag vom 10. Mai 1871 Ar-
tikel 13: "Die Deutschen Schiffe, welche durch Prisengerichte vor
dem 2. März 1871 (an diesem Tag wurden die Ratifikationen der
Friedenspräliminarien ausgetauscht) kondemniert waren, sollen als
endgültig kondemniert angesehen werden."

"Diejenigen, welche an besagtem Tage nicht kondemniert
waren, sollen mit der Ladung, soweit solche noch vorhanden,
zurückgegeben werden. Wenn die Rückgabe der Schiffe und
Ladungen nicht mehr möglich ist, so soll ihr nach dem Verkaufs-
preise bemessener Wert ihren Eigentümern erstattet werden."

§ 43. Die Rechtsstellung der neutralen Mächte.

Schopfler, R. G. II 632.

Feraud-Giraud, R. G. II 291.

Heilborn, Rechte und Pflichten der neutralen Staaten in Bezug auf die
während des Krieges auf ihr Gebiet übertretenden Angehörigen einer
Armee und das dorthin gebrachte Kriegsmaterial der kriegführenden
Parteien. 1888.

Kleen, Lois et usages de la neutralite d'apres le droit international con-
ventionel et coutumier des Etats civilises. I. Bd. 1898.

I.

Der Krieg erzeugt nicht nur ein Rechtsverhältnis zwischen den
Kriegführenden, sondern auch ein solches zwischen den Kriegführenden
und den nicht am Krieg beteiligten Mächten.

Dieses Rechtsverhältnis wird Neutralität genannt. Für die neu-
tralen Mächte (die medii in bello) ist der Krieg eine res inter alios

§ 43. Die Rechtsstellung der neutralen Mächte.

6. Wird vor rechtskräftiger Entscheidung des Prisengerichts
das aufgebrachte Schiff dem aufbringenden Kreuzer wieder entrissen
oder gelingt es ihm zu entkommen (reprise, recousse), so verbleibt
Schiff wie Ladung dem früheren Eigentümer.

7. Das Prisenrecht endigt mit dem endgültigen Aufhören der
Feindseligkeiten, also mit dem Friedensschluſs.

Die später erfolgte Wegnahme ist rechtsunwirksam; die früher
erfolgte kann vor dem Prisengericht weiter verfolgt werden. Meist
werden bereits im Waffenstillstandsvertrag besondere Vereinbarungen
auch über die vor den Prisengerichten schwebenden Rechtsstreitig-
keiten getroffen.

Vgl. den Frankfurter Friedensvertrag vom 10. Mai 1871 Ar-
tikel 13: „Die Deutschen Schiffe, welche durch Prisengerichte vor
dem 2. März 1871 (an diesem Tag wurden die Ratifikationen der
Friedenspräliminarien ausgetauscht) kondemniert waren, sollen als
endgültig kondemniert angesehen werden.“

„Diejenigen, welche an besagtem Tage nicht kondemniert
waren, sollen mit der Ladung, soweit solche noch vorhanden,
zurückgegeben werden. Wenn die Rückgabe der Schiffe und
Ladungen nicht mehr möglich ist, so soll ihr nach dem Verkaufs-
preise bemessener Wert ihren Eigentümern erstattet werden.“

§ 43. Die Rechtsstellung der neutralen Mächte.

Schopfler, R. G. II 632.

Féraud-Giraud, R. G. II 291.

Heilborn, Rechte und Pflichten der neutralen Staaten in Bezug auf die
während des Krieges auf ihr Gebiet übertretenden Angehörigen einer
Armee und das dorthin gebrachte Kriegsmaterial der kriegführenden
Parteien. 1888.

Kleen, Lois et usages de la neutralité d’après le droit international con-
ventionel et coutumier des Etats civilisés. I. Bd. 1898.

I.

Der Krieg erzeugt nicht nur ein Rechtsverhältnis zwischen den
Kriegführenden, sondern auch ein solches zwischen den Kriegführenden
und den nicht am Krieg beteiligten Mächten.

Dieses Rechtsverhältnis wird Neutralität genannt. Für die neu-
tralen Mächte (die medii in bello) ist der Krieg eine res inter alios

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[239/0261] § 43. Die Rechtsstellung der neutralen Mächte. 6. Wird vor rechtskräftiger Entscheidung des Prisengerichts das aufgebrachte Schiff dem aufbringenden Kreuzer wieder entrissen oder gelingt es ihm zu entkommen (reprise, recousse), so verbleibt Schiff wie Ladung dem früheren Eigentümer. 7. Das Prisenrecht endigt mit dem endgültigen Aufhören der Feindseligkeiten, also mit dem Friedensschluſs. Die später erfolgte Wegnahme ist rechtsunwirksam; die früher erfolgte kann vor dem Prisengericht weiter verfolgt werden. Meist werden bereits im Waffenstillstandsvertrag besondere Vereinbarungen auch über die vor den Prisengerichten schwebenden Rechtsstreitig- keiten getroffen. Vgl. den Frankfurter Friedensvertrag vom 10. Mai 1871 Ar- tikel 13: „Die Deutschen Schiffe, welche durch Prisengerichte vor dem 2. März 1871 (an diesem Tag wurden die Ratifikationen der Friedenspräliminarien ausgetauscht) kondemniert waren, sollen als endgültig kondemniert angesehen werden.“ „Diejenigen, welche an besagtem Tage nicht kondemniert waren, sollen mit der Ladung, soweit solche noch vorhanden, zurückgegeben werden. Wenn die Rückgabe der Schiffe und Ladungen nicht mehr möglich ist, so soll ihr nach dem Verkaufs- preise bemessener Wert ihren Eigentümern erstattet werden.“ § 43. Die Rechtsstellung der neutralen Mächte. Schopfler, R. G. II 632. Féraud-Giraud, R. G. II 291. Heilborn, Rechte und Pflichten der neutralen Staaten in Bezug auf die während des Krieges auf ihr Gebiet übertretenden Angehörigen einer Armee und das dorthin gebrachte Kriegsmaterial der kriegführenden Parteien. 1888. Kleen, Lois et usages de la neutralité d’après le droit international con- ventionel et coutumier des Etats civilisés. I. Bd. 1898. I. Der Krieg erzeugt nicht nur ein Rechtsverhältnis zwischen den Kriegführenden, sondern auch ein solches zwischen den Kriegführenden und den nicht am Krieg beteiligten Mächten. Dieses Rechtsverhältnis wird Neutralität genannt. Für die neu- tralen Mächte (die medii in bello) ist der Krieg eine res inter alios

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/261>, abgerufen am 25.04.2024.