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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.

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IV. Buch. Die Staatenstreitigkeiten und deren Austragung.
couvre la marchandise ennemie" oder Anerkennung der alten Rechts-
regel: "frei Schiff, frei Gut.") Und umgekehrt: auch das unter
feindlicher Flagge fahrende neutrale Gut darf nicht weggenommen
werden
(la marchandise neutre ..... n'est pas saisissable sous pavillon
ennemi"; oder Verwerfung der alten Rechtsregel: "unfrei Schiff,
unfrei Gut").

2. Diese Sätze waren dem alten Rechte fremd. Am weitesten
war die französische Praxis des 16. und 17. Jahrhunderts (noch in
der Ordonnance de la marine von 1681) gegangen, die Schiff und
Ladung der Wegnahme unterwarf, wenn auch nur Schiff oder
Ladung feindlich war ("confiscantur ex navibus res et ex rebus
naves"). Die an das Consolato del mar anknüpfende englische
Praxis liess die Eigenschaft der Ware entscheiden und nahm feind-
liches Gut auch unter neutraler Flagge weg. Weit verbreitet war im
übrigen der Satz, dass die feindliche oder neutrale Flagge mass-
gebend sei ("frei Schiff, frei Gut; unfrei Schiff, unfrei Gut". "Navire
confisque cargaison" oder "robe d'ennemi confisque celle d'ami").

Der jetzt geltende Rechtssatz war aber bereits in dem Ver-
trage Frankreichs mit den Vereinigten Staaten von 1778, sowie
insbesondere von der bewaffneten Neutralität (oben S. 12) aufge-
stellt worden und hatte Eingang auch teilweise in die Gesetzgebung
des 18. Jahrhunderts, so insbesondere in das preussische allgemeine
Landrecht gefunden. Die Seerechtsdeklaration von 1856 war das
Ergebnis der Verständigung zwischen Frankreich und England und
des Anschlusses von Russland. Sie bindet nur die Sigatarmächte
in ihrem Verhältnis zu einander. Vielfach aber haben sich auch
andere Staaten durch besondere Staatsverträge (mehrfache Verträge
auch des Deutsehen Reichs mit süd- und mittelamerikanischen
Staaten) zur Beobachtung dieser Sätze verpflichtet. Auch Spanien
und Mexiko, nicht aber die Vereinigten Staaten, haben in diesem
Punkte sich der Pariser Deklaration angeschlossen.

IV.

Die Kriegskontrebande dagegen unterliegt zu Lande wie ins-
besondere zur See der Wegnahme durch die Streitkräfte des Krieg-
führenden, dessen Gegner sie zugeführt werden soll.


IV. Buch. Die Staatenstreitigkeiten und deren Austragung.
couvre la marchandise ennemie“ oder Anerkennung der alten Rechts-
regel: „frei Schiff, frei Gut.“) Und umgekehrt: auch das unter
feindlicher Flagge fahrende neutrale Gut darf nicht weggenommen
werden
(la marchandise neutre ..... n’est pas saisissable sous pavillon
ennemi“; oder Verwerfung der alten Rechtsregel: „unfrei Schiff,
unfrei Gut“).

2. Diese Sätze waren dem alten Rechte fremd. Am weitesten
war die französische Praxis des 16. und 17. Jahrhunderts (noch in
der Ordonnance de la marine von 1681) gegangen, die Schiff und
Ladung der Wegnahme unterwarf, wenn auch nur Schiff oder
Ladung feindlich war („confiscantur ex navibus res et ex rebus
naves“). Die an das Consolato del mar anknüpfende englische
Praxis lieſs die Eigenschaft der Ware entscheiden und nahm feind-
liches Gut auch unter neutraler Flagge weg. Weit verbreitet war im
übrigen der Satz, daſs die feindliche oder neutrale Flagge maſs-
gebend sei („frei Schiff, frei Gut; unfrei Schiff, unfrei Gut“. „Navire
confisque cargaison“ oder „robe d’ennemi confisque celle d’ami“).

Der jetzt geltende Rechtssatz war aber bereits in dem Ver-
trage Frankreichs mit den Vereinigten Staaten von 1778, sowie
insbesondere von der bewaffneten Neutralität (oben S. 12) aufge-
stellt worden und hatte Eingang auch teilweise in die Gesetzgebung
des 18. Jahrhunderts, so insbesondere in das preuſsische allgemeine
Landrecht gefunden. Die Seerechtsdeklaration von 1856 war das
Ergebnis der Verständigung zwischen Frankreich und England und
des Anschlusses von Ruſsland. Sie bindet nur die Sigatarmächte
in ihrem Verhältnis zu einander. Vielfach aber haben sich auch
andere Staaten durch besondere Staatsverträge (mehrfache Verträge
auch des Deutsehen Reichs mit süd- und mittelamerikanischen
Staaten) zur Beobachtung dieser Sätze verpflichtet. Auch Spanien
und Mexiko, nicht aber die Vereinigten Staaten, haben in diesem
Punkte sich der Pariser Deklaration angeschlossen.

IV.

Die Kriegskontrebande dagegen unterliegt zu Lande wie ins-
besondere zur See der Wegnahme durch die Streitkräfte des Krieg-
führenden, dessen Gegner sie zugeführt werden soll.


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[244/0266] IV. Buch. Die Staatenstreitigkeiten und deren Austragung. couvre la marchandise ennemie“ oder Anerkennung der alten Rechts- regel: „frei Schiff, frei Gut.“) Und umgekehrt: auch das unter feindlicher Flagge fahrende neutrale Gut darf nicht weggenommen werden (la marchandise neutre ..... n’est pas saisissable sous pavillon ennemi“; oder Verwerfung der alten Rechtsregel: „unfrei Schiff, unfrei Gut“). 2. Diese Sätze waren dem alten Rechte fremd. Am weitesten war die französische Praxis des 16. und 17. Jahrhunderts (noch in der Ordonnance de la marine von 1681) gegangen, die Schiff und Ladung der Wegnahme unterwarf, wenn auch nur Schiff oder Ladung feindlich war („confiscantur ex navibus res et ex rebus naves“). Die an das Consolato del mar anknüpfende englische Praxis lieſs die Eigenschaft der Ware entscheiden und nahm feind- liches Gut auch unter neutraler Flagge weg. Weit verbreitet war im übrigen der Satz, daſs die feindliche oder neutrale Flagge maſs- gebend sei („frei Schiff, frei Gut; unfrei Schiff, unfrei Gut“. „Navire confisque cargaison“ oder „robe d’ennemi confisque celle d’ami“). Der jetzt geltende Rechtssatz war aber bereits in dem Ver- trage Frankreichs mit den Vereinigten Staaten von 1778, sowie insbesondere von der bewaffneten Neutralität (oben S. 12) aufge- stellt worden und hatte Eingang auch teilweise in die Gesetzgebung des 18. Jahrhunderts, so insbesondere in das preuſsische allgemeine Landrecht gefunden. Die Seerechtsdeklaration von 1856 war das Ergebnis der Verständigung zwischen Frankreich und England und des Anschlusses von Ruſsland. Sie bindet nur die Sigatarmächte in ihrem Verhältnis zu einander. Vielfach aber haben sich auch andere Staaten durch besondere Staatsverträge (mehrfache Verträge auch des Deutsehen Reichs mit süd- und mittelamerikanischen Staaten) zur Beobachtung dieser Sätze verpflichtet. Auch Spanien und Mexiko, nicht aber die Vereinigten Staaten, haben in diesem Punkte sich der Pariser Deklaration angeschlossen. IV. Die Kriegskontrebande dagegen unterliegt zu Lande wie ins- besondere zur See der Wegnahme durch die Streitkräfte des Krieg- führenden, dessen Gegner sie zugeführt werden soll.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/266>, abgerufen am 29.03.2024.