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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.

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Einleitung.
II. Periode: von 1648 bis 1815.

1. Das 18. Jahrhundert bringt den Entscheidungskampf um
die Grossmachtstellung der europäischen Mächte und die Ausdehnung
des Völkerrechts weit über die westeuropäische Grenze hinaus.

Spanien, Schweden, Holland werden aus ihrer beherrschenden
Stellung zurückgedrängt. England übernimmt die Führung der See-
mächte; Preussen, Russland, gegen Ausgang des Jahrhunderts die
Vereinigten Staaten von Nordamerika, treten als Grossmächte in den
Kreis der Völkerrechtsgemeinschaft ein. Im Frieden von Kutschuck-
Kainardsche von 1774 erhält Russland das Schutzrecht über die
Donaufürstentümer Moldau und Walachei und damit die Grundlage
für seine Politik auf der Balkanhalbinsel.

2. Die Rechtsregeln über die Stellung der neutralen Mächte
im Seekriege erhalten eine wichtige Weiterbildung durch die unter
russischer Führung (Kaiserin Katharina) gegen Englands Übergriffe
zur See zweimal zu stande gekommene "bewaffnete Neutralität"
(28. Februar 1780; 16. Dezember 1800). Hervorzuheben sind die
folgenden von ihr zur Anerkennung gebrachten Sätze (darüber
unten §§ 42 und 43):

a) Die Neutralen haben das Recht der freien Schiffahrt von
Hafen zu Hafen sowie an den Küsten der Kriegführenden;
b) neutrales Eigentum unter neutraler Flagge ist mit Ausnahme
der Kriegskontrebande frei (der Begriff der Kriegskontrebande
wird auf die unmittelbar und besonders für den Krieg be-
stimmten Gegenstände mit Einschluss von Schwefel und Sal-
peter beschränkt);
c) die Blokade muss, um die Neutralen zu verpflichten, effektiv sein.

Fauchille, La diplomatie francaise et la ligue des Neutres de 1780. 1893.

Bergbohm, Die bewaffnete Neutralität 1780 bis 1783. Eine Entwicklungs-
phase des Völkerrechts im Seekrieg. 1884.

Trendelenburg, Friedrichs des Grossen Verdienste um das Völkerrecht
im Seekrieg. 1866. (Monatsberichte der Berliner Akademie).

Von besonderer Wichtigkeit ist ferner der Vertrag Preussens
mit den Vereinigten Staaten vom 10. September 1785: Beseitigung
der Kaperei; Unverletzlichkeit des Privateigentums im Seekrieg.


Einleitung.
II. Periode: von 1648 bis 1815.

1. Das 18. Jahrhundert bringt den Entscheidungskampf um
die Groſsmachtstellung der europäischen Mächte und die Ausdehnung
des Völkerrechts weit über die westeuropäische Grenze hinaus.

Spanien, Schweden, Holland werden aus ihrer beherrschenden
Stellung zurückgedrängt. England übernimmt die Führung der See-
mächte; Preuſsen, Ruſsland, gegen Ausgang des Jahrhunderts die
Vereinigten Staaten von Nordamerika, treten als Groſsmächte in den
Kreis der Völkerrechtsgemeinschaft ein. Im Frieden von Kutschuck-
Kainardsche von 1774 erhält Ruſsland das Schutzrecht über die
Donaufürstentümer Moldau und Walachei und damit die Grundlage
für seine Politik auf der Balkanhalbinsel.

2. Die Rechtsregeln über die Stellung der neutralen Mächte
im Seekriege erhalten eine wichtige Weiterbildung durch die unter
russischer Führung (Kaiserin Katharina) gegen Englands Übergriffe
zur See zweimal zu stande gekommene „bewaffnete Neutralität“
(28. Februar 1780; 16. Dezember 1800). Hervorzuheben sind die
folgenden von ihr zur Anerkennung gebrachten Sätze (darüber
unten §§ 42 und 43):

a) Die Neutralen haben das Recht der freien Schiffahrt von
Hafen zu Hafen sowie an den Küsten der Kriegführenden;
b) neutrales Eigentum unter neutraler Flagge ist mit Ausnahme
der Kriegskontrebande frei (der Begriff der Kriegskontrebande
wird auf die unmittelbar und besonders für den Krieg be-
stimmten Gegenstände mit Einschluſs von Schwefel und Sal-
peter beschränkt);
c) die Blokade muſs, um die Neutralen zu verpflichten, effektiv sein.

Fauchille, La diplomatie française et la ligue des Neutres de 1780. 1893.

Bergbohm, Die bewaffnete Neutralität 1780 bis 1783. Eine Entwicklungs-
phase des Völkerrechts im Seekrieg. 1884.

Trendelenburg, Friedrichs des Groſsen Verdienste um das Völkerrecht
im Seekrieg. 1866. (Monatsberichte der Berliner Akademie).

Von besonderer Wichtigkeit ist ferner der Vertrag Preuſsens
mit den Vereinigten Staaten vom 10. September 1785: Beseitigung
der Kaperei; Unverletzlichkeit des Privateigentums im Seekrieg.


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[12/0034] Einleitung. II. Periode: von 1648 bis 1815. 1. Das 18. Jahrhundert bringt den Entscheidungskampf um die Groſsmachtstellung der europäischen Mächte und die Ausdehnung des Völkerrechts weit über die westeuropäische Grenze hinaus. Spanien, Schweden, Holland werden aus ihrer beherrschenden Stellung zurückgedrängt. England übernimmt die Führung der See- mächte; Preuſsen, Ruſsland, gegen Ausgang des Jahrhunderts die Vereinigten Staaten von Nordamerika, treten als Groſsmächte in den Kreis der Völkerrechtsgemeinschaft ein. Im Frieden von Kutschuck- Kainardsche von 1774 erhält Ruſsland das Schutzrecht über die Donaufürstentümer Moldau und Walachei und damit die Grundlage für seine Politik auf der Balkanhalbinsel. 2. Die Rechtsregeln über die Stellung der neutralen Mächte im Seekriege erhalten eine wichtige Weiterbildung durch die unter russischer Führung (Kaiserin Katharina) gegen Englands Übergriffe zur See zweimal zu stande gekommene „bewaffnete Neutralität“ (28. Februar 1780; 16. Dezember 1800). Hervorzuheben sind die folgenden von ihr zur Anerkennung gebrachten Sätze (darüber unten §§ 42 und 43): a) Die Neutralen haben das Recht der freien Schiffahrt von Hafen zu Hafen sowie an den Küsten der Kriegführenden; b) neutrales Eigentum unter neutraler Flagge ist mit Ausnahme der Kriegskontrebande frei (der Begriff der Kriegskontrebande wird auf die unmittelbar und besonders für den Krieg be- stimmten Gegenstände mit Einschluſs von Schwefel und Sal- peter beschränkt); c) die Blokade muſs, um die Neutralen zu verpflichten, effektiv sein. Fauchille, La diplomatie française et la ligue des Neutres de 1780. 1893. Bergbohm, Die bewaffnete Neutralität 1780 bis 1783. Eine Entwicklungs- phase des Völkerrechts im Seekrieg. 1884. Trendelenburg, Friedrichs des Groſsen Verdienste um das Völkerrecht im Seekrieg. 1866. (Monatsberichte der Berliner Akademie). Von besonderer Wichtigkeit ist ferner der Vertrag Preuſsens mit den Vereinigten Staaten vom 10. September 1785: Beseitigung der Kaperei; Unverletzlichkeit des Privateigentums im Seekrieg.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/34>, abgerufen am 28.03.2024.