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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.

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§ 5. Die Staaten als Rechtssubjekte des Völkerrechts.
die bisherige Staatsgewalt noch fortbesteht. Über ihre Aner-
kennung als kriegführende Partei unten § 39 I.

4. Der Papst, obwohl er nicht nur nicht Unterthan irgend
eines Staates ist, sondern auch durch das italienische Garantie-
gesetz vom 13. Mai 1871 eine Reihe von Rechten, insbesondere das
aktive und passive Gesandtschaftsrecht, erhalten hat, die sonst nur
souveränen Staaten zustehen, und diese unter Zustimmung der
übrigen Staaten ausübt. Die von den Staaten mit dem Papst ge-
schlossenen Verträge (Konkordate) stehen daher nicht unter dem
Völkerrecht. Daher kann ferner die italienische Regierung für
Handlungen des Papstes nicht verantwortlich gemacht werden;
jedenfalls nicht von denjenigen Staaten, die durch Unterhaltung
diplomatischer Beziehungen mit der Kurie deren extranationale
Stellung anerkannt haben. Andrerseits ist zu beachten, dass Italien
den Mächten gegenüber sich verpflichtet hat, die Unabhängigkeit
des Papstes zu sichern, seine Rechtsstellung insoweit also auf
völkerrechtlicher Grundlage ruht.

Vgl. Geffcken H. H. II. 153.

Bompart, Le pape et le droit des gens. 1888.

Scaduto, Guarentigie ponteficie. 2. Aufl. 1889.

Imbart de la Tour, La papaute en droit international. 1893.

De Olivart, Le pape, les Etats de l'Eglise et l'Italie. Essai juridique
sur l'etat actuel de la question romaine. 1897.

5. Auch die Staatsteile (Provinzen, Kreise, Gemeinden) mit
Einschluss der Kolonieen, sind nicht Rechtssubjekte des Völkerrechts.
Schliesst z. B. England mit den Niederlanden einen Vertrag, der
ausschliesslich für Britisch-Guayana Vorteile und für Niederländisch-
Guayana Lasten bringt, so werden doch nur die beiden vertrag-
schliessenden Staaten, niemals ihre unmittelbar interessierten Kolo-
nieen aus dem Vertrage berechtigt und verpflichtet.

II.

Schwierigkeiten bietet die völkerrechtliche Stellung der Staaten-
verbindungen: u. z. insbesondere deshalb, weil die geschichtlich ge-
gebenen Erscheinungen den von der Wissenschaft aufgestellten Begriffen
sich nicht immer einordnen wollen.

Vgl. insbesondere Jellinek, Die Lehre von den Staaten verbindungen. 1882.


§ 5. Die Staaten als Rechtssubjekte des Völkerrechts.
die bisherige Staatsgewalt noch fortbesteht. Über ihre Aner-
kennung als kriegführende Partei unten § 39 I.

4. Der Papst, obwohl er nicht nur nicht Unterthan irgend
eines Staates ist, sondern auch durch das italienische Garantie-
gesetz vom 13. Mai 1871 eine Reihe von Rechten, insbesondere das
aktive und passive Gesandtschaftsrecht, erhalten hat, die sonst nur
souveränen Staaten zustehen, und diese unter Zustimmung der
übrigen Staaten ausübt. Die von den Staaten mit dem Papst ge-
schlossenen Verträge (Konkordate) stehen daher nicht unter dem
Völkerrecht. Daher kann ferner die italienische Regierung für
Handlungen des Papstes nicht verantwortlich gemacht werden;
jedenfalls nicht von denjenigen Staaten, die durch Unterhaltung
diplomatischer Beziehungen mit der Kurie deren extranationale
Stellung anerkannt haben. Andrerseits ist zu beachten, daſs Italien
den Mächten gegenüber sich verpflichtet hat, die Unabhängigkeit
des Papstes zu sichern, seine Rechtsstellung insoweit also auf
völkerrechtlicher Grundlage ruht.

Vgl. Geffcken H. H. II. 153.

Bompart, Le pape et le droit des gens. 1888.

Scaduto, Guarentigie ponteficie. 2. Aufl. 1889.

Imbart de la Tour, La papauté en droit international. 1893.

De Olivart, Le pape, les Etats de l’Eglise et l’Italie. Essai juridique
sur l’état actuel de la question romaine. 1897.

5. Auch die Staatsteile (Provinzen, Kreise, Gemeinden) mit
Einschluſs der Kolonieen, sind nicht Rechtssubjekte des Völkerrechts.
Schlieſst z. B. England mit den Niederlanden einen Vertrag, der
ausschlieſslich für Britisch-Guayana Vorteile und für Niederländisch-
Guayana Lasten bringt, so werden doch nur die beiden vertrag-
schlieſsenden Staaten, niemals ihre unmittelbar interessierten Kolo-
nieen aus dem Vertrage berechtigt und verpflichtet.

II.

Schwierigkeiten bietet die völkerrechtliche Stellung der Staaten-
verbindungen: u. z. insbesondere deshalb, weil die geschichtlich ge-
gebenen Erscheinungen den von der Wissenschaft aufgestellten Begriffen
sich nicht immer einordnen wollen.

Vgl. insbesondere Jellinek, Die Lehre von den Staaten verbindungen. 1882.


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[23/0045] § 5. Die Staaten als Rechtssubjekte des Völkerrechts. die bisherige Staatsgewalt noch fortbesteht. Über ihre Aner- kennung als kriegführende Partei unten § 39 I. 4. Der Papst, obwohl er nicht nur nicht Unterthan irgend eines Staates ist, sondern auch durch das italienische Garantie- gesetz vom 13. Mai 1871 eine Reihe von Rechten, insbesondere das aktive und passive Gesandtschaftsrecht, erhalten hat, die sonst nur souveränen Staaten zustehen, und diese unter Zustimmung der übrigen Staaten ausübt. Die von den Staaten mit dem Papst ge- schlossenen Verträge (Konkordate) stehen daher nicht unter dem Völkerrecht. Daher kann ferner die italienische Regierung für Handlungen des Papstes nicht verantwortlich gemacht werden; jedenfalls nicht von denjenigen Staaten, die durch Unterhaltung diplomatischer Beziehungen mit der Kurie deren extranationale Stellung anerkannt haben. Andrerseits ist zu beachten, daſs Italien den Mächten gegenüber sich verpflichtet hat, die Unabhängigkeit des Papstes zu sichern, seine Rechtsstellung insoweit also auf völkerrechtlicher Grundlage ruht. Vgl. Geffcken H. H. II. 153. Bompart, Le pape et le droit des gens. 1888. Scaduto, Guarentigie ponteficie. 2. Aufl. 1889. Imbart de la Tour, La papauté en droit international. 1893. De Olivart, Le pape, les Etats de l’Eglise et l’Italie. Essai juridique sur l’état actuel de la question romaine. 1897. 5. Auch die Staatsteile (Provinzen, Kreise, Gemeinden) mit Einschluſs der Kolonieen, sind nicht Rechtssubjekte des Völkerrechts. Schlieſst z. B. England mit den Niederlanden einen Vertrag, der ausschlieſslich für Britisch-Guayana Vorteile und für Niederländisch- Guayana Lasten bringt, so werden doch nur die beiden vertrag- schlieſsenden Staaten, niemals ihre unmittelbar interessierten Kolo- nieen aus dem Vertrage berechtigt und verpflichtet. II. Schwierigkeiten bietet die völkerrechtliche Stellung der Staaten- verbindungen: u. z. insbesondere deshalb, weil die geschichtlich ge- gebenen Erscheinungen den von der Wissenschaft aufgestellten Begriffen sich nicht immer einordnen wollen. Vgl. insbesondere Jellinek, Die Lehre von den Staaten verbindungen. 1882.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/45>, abgerufen am 25.04.2024.