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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.

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§ 7. Die Souveränität als äussere Selbständigkeit.
für diese. Darauf gestützt, haben Grossbritannien und Österreich
nach dem russisch-türkischen Präliminarfrieden zu San Stephano
1878 sich in die weiteren Friedensverhandlungen eingemischt.

Vgl. dazu Engelhardt, R. J. XII 363 und R. G. II 296.

3. Aus der gegenseitigen Unabhängigkeit der Staaten vonein-
ander folgt, dass kein Staat vor die Gerichte eines andern Staates
gestellt werden kann, es sei denn, dass es sich
(unten § 8 III) um
dingliche Klagen in Bezug auf unbewegliches Gut handelt oder er
sich freiwillig der inländischen Gerichtsbarkeit unterwirft.

Dieser Satz, der heute noch von der weitaus überwiegenden
Litteratur und Rechtsprechung anerkannt wird, ist in neuerer Zeit
vielfach angefochten werden. Man stellt die Behauptung auf, dass
der Staat, soweit er nicht als solcher, sondern als Privatunter-
nehmer (als Fabrikant, als Betreiber einer Eisenbahn u. s. w.) auf-
tritt, soweit also nicht seine Souveränität in Frage steht, dass also
der fremde Staat als Fiskus den inländischen Gerichten auch
gegen seinen Willen unterworfen sei.

Vgl. die Verhandlungen des Instituts für Völkerrecht von 1891.

Audinet, R. G. II 385.

Hartmann, R. J. XXII 425.

Die richtige Ansicht wird nicht nur von der Rechtsprechung
der meisten ausserdeutschen Länder, sondern ganz besonders auch
von den deutschen obersten Gerichtshöfen ständig vertreten.

Vgl. Droop in Gruchots Beiträgen XXVI 289.

Privatrechtliche Streitigkeiten zwischen selbständigen Staaten
können daher regelmässig nur auf dem Wege einer gütlichen Ver-
einbarung oder durch Schiedsgerichtsspruch erledigt werden.

Vgl. Streit, L'affaire Zappa. 1894.

4. Auch die exterritoriale Stellung des in fremdem Staatsgebiet
weilenden Staatsoberhauptes sowie des Gesandten ergiebt sich als
Folgerung aus der Unabhängigkeit jedes einzelnen Gliedes der Völker-
rechtsgemeinschaft
(unten §§ 12 ff.).

III.

Jeder Staat hat Recht und Pflicht des Verkehrs mit allen
übrigen Mitgliedern der Völkergemeinschaft (des commerciums, der
Soziabilität), der "Erschliessung des Landes"
(unten § 25).


§ 7. Die Souveränität als äuſsere Selbständigkeit.
für diese. Darauf gestützt, haben Groſsbritannien und Österreich
nach dem russisch-türkischen Präliminarfrieden zu San Stephano
1878 sich in die weiteren Friedensverhandlungen eingemischt.

Vgl. dazu Engelhardt, R. J. XII 363 und R. G. II 296.

3. Aus der gegenseitigen Unabhängigkeit der Staaten vonein-
ander folgt, daſs kein Staat vor die Gerichte eines andern Staates
gestellt werden kann, es sei denn, daſs es sich
(unten § 8 III) um
dingliche Klagen in Bezug auf unbewegliches Gut handelt oder er
sich freiwillig der inländischen Gerichtsbarkeit unterwirft.

Dieser Satz, der heute noch von der weitaus überwiegenden
Litteratur und Rechtsprechung anerkannt wird, ist in neuerer Zeit
vielfach angefochten werden. Man stellt die Behauptung auf, daſs
der Staat, soweit er nicht als solcher, sondern als Privatunter-
nehmer (als Fabrikant, als Betreiber einer Eisenbahn u. s. w.) auf-
tritt, soweit also nicht seine Souveränität in Frage steht, daſs also
der fremde Staat als Fiskus den inländischen Gerichten auch
gegen seinen Willen unterworfen sei.

Vgl. die Verhandlungen des Instituts für Völkerrecht von 1891.

Audinet, R. G. II 385.

Hartmann, R. J. XXII 425.

Die richtige Ansicht wird nicht nur von der Rechtsprechung
der meisten auſserdeutschen Länder, sondern ganz besonders auch
von den deutschen obersten Gerichtshöfen ständig vertreten.

Vgl. Droop in Gruchots Beiträgen XXVI 289.

Privatrechtliche Streitigkeiten zwischen selbständigen Staaten
können daher regelmäſsig nur auf dem Wege einer gütlichen Ver-
einbarung oder durch Schiedsgerichtsspruch erledigt werden.

Vgl. Streit, L’affaire Zappa. 1894.

4. Auch die exterritoriale Stellung des in fremdem Staatsgebiet
weilenden Staatsoberhauptes sowie des Gesandten ergiebt sich als
Folgerung aus der Unabhängigkeit jedes einzelnen Gliedes der Völker-
rechtsgemeinschaft
(unten §§ 12 ff.).

III.

Jeder Staat hat Recht und Pflicht des Verkehrs mit allen
übrigen Mitgliedern der Völkergemeinschaft (des commerciums, der
Soziabilität), der „Erschlieſsung des Landes“
(unten § 25).


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[39/0061] § 7. Die Souveränität als äuſsere Selbständigkeit. für diese. Darauf gestützt, haben Groſsbritannien und Österreich nach dem russisch-türkischen Präliminarfrieden zu San Stephano 1878 sich in die weiteren Friedensverhandlungen eingemischt. Vgl. dazu Engelhardt, R. J. XII 363 und R. G. II 296. 3. Aus der gegenseitigen Unabhängigkeit der Staaten vonein- ander folgt, daſs kein Staat vor die Gerichte eines andern Staates gestellt werden kann, es sei denn, daſs es sich (unten § 8 III) um dingliche Klagen in Bezug auf unbewegliches Gut handelt oder er sich freiwillig der inländischen Gerichtsbarkeit unterwirft. Dieser Satz, der heute noch von der weitaus überwiegenden Litteratur und Rechtsprechung anerkannt wird, ist in neuerer Zeit vielfach angefochten werden. Man stellt die Behauptung auf, daſs der Staat, soweit er nicht als solcher, sondern als Privatunter- nehmer (als Fabrikant, als Betreiber einer Eisenbahn u. s. w.) auf- tritt, soweit also nicht seine Souveränität in Frage steht, daſs also der fremde Staat als Fiskus den inländischen Gerichten auch gegen seinen Willen unterworfen sei. Vgl. die Verhandlungen des Instituts für Völkerrecht von 1891. Audinet, R. G. II 385. Hartmann, R. J. XXII 425. Die richtige Ansicht wird nicht nur von der Rechtsprechung der meisten auſserdeutschen Länder, sondern ganz besonders auch von den deutschen obersten Gerichtshöfen ständig vertreten. Vgl. Droop in Gruchots Beiträgen XXVI 289. Privatrechtliche Streitigkeiten zwischen selbständigen Staaten können daher regelmäſsig nur auf dem Wege einer gütlichen Ver- einbarung oder durch Schiedsgerichtsspruch erledigt werden. Vgl. Streit, L’affaire Zappa. 1894. 4. Auch die exterritoriale Stellung des in fremdem Staatsgebiet weilenden Staatsoberhauptes sowie des Gesandten ergiebt sich als Folgerung aus der Unabhängigkeit jedes einzelnen Gliedes der Völker- rechtsgemeinschaft (unten §§ 12 ff.). III. Jeder Staat hat Recht und Pflicht des Verkehrs mit allen übrigen Mitgliedern der Völkergemeinschaft (des commerciums, der Soziabilität), der „Erschlieſsung des Landes“ (unten § 25).

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/61>, abgerufen am 19.04.2024.