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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.

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§ 8. Die Souveränität als innere Unabhängigkeit.

3. Der exterritoriale Eigentümer eines unbeweglichen Gutes
(mit Ausnahme des Gesandtschaftshotels) ist auch der gesamten auf
dieses bezüglichen Staatsverwaltung, insbesondere auch der Steuer-
verwaltung, unterworfen. Auch hier kann der Gesichtspunkt der
freiwilligen Unterwerfung verwendet werden.

IV.

Die Gebietshoheit ergreift alle auf dem Gebiet sich befindenden
Personen. Nicht nur die Staatsangehörigen, sondern auch die auf
dem Gebiet weilenden Staatsfremden sind der Gesetzgebung, Rechts-
pflege, Verwaltung des Aufenthaltstaates (als sogenannte subditi tempo-
rarii) unterworfen.

Damit ist umgekehrt für den Aufenthaltstaat die Verpflichtung
gegeben, auch den auf seinem Gebiet sich aufhaltenden Staatsfremden
denselben Schutz zu gewähren, wie seinen eigenen Staatsangehörigen.
Er hat daher insbesondere die Verpflichtung, auch in Rechtsstreitig-
keiten zwischen den Angehörigen desselben fremden Staates die Durch-
führung begründeter Ansprüche durch seine Gerichte und seine Voll-
streckungsbehörden zu sichern.
Abweichend bisher die französische
Rechtsprechung, die aber mehr und mehr der richtigen Ansicht
sich genähert hat.

1. Aber so wie die Staatsfremden keinen Anspruch auf die
Gewährung der staatsbürgerlichen (politischen) Rechte haben (unten
§ 25 I 4), so können sie auch den staatsbürgerlichen Pflichten im
engeren Sinne (den politischen Pflichten) nicht unterworfen werden.
Insbesondere ist die Heranziehung der Staatsfremden zu der staatlichen
oder kommunalen Wehrpflicht oder zu der an deren Stelle tretenden
Wehrsteuer, sowie zu andern Kriegsleistungen völkerrechtswidrig.

Dieser Grundsatz ist wiederholt in Verträgen ausdrücklich
ausgesprochen worden. Vgl. deutsch-japanischen Handels- und
Schiffahrtsvertrag vom 4. April 1896, Artikel 2: "Die Angehörigen
eines jeden der vertragschliessenden Teile, welche in den Gebieten des
anderen wohnen, sollen von jedem zwangsweisen Militärdienst irgend
welcher Art, sei es im Heer, in der Flotte, der Bürgerwehr oder
der Miliz, von allen an Stelle persönlicher Dienstleistung auf-
erlegten Abgaben und von allen Zwangsanleihen oder militärischen
Leistungen oder Abgaben befreit sein."


§ 8. Die Souveränität als innere Unabhängigkeit.

3. Der exterritoriale Eigentümer eines unbeweglichen Gutes
(mit Ausnahme des Gesandtschaftshotels) ist auch der gesamten auf
dieses bezüglichen Staatsverwaltung, insbesondere auch der Steuer-
verwaltung, unterworfen. Auch hier kann der Gesichtspunkt der
freiwilligen Unterwerfung verwendet werden.

IV.

Die Gebietshoheit ergreift alle auf dem Gebiet sich befindenden
Personen. Nicht nur die Staatsangehörigen, sondern auch die auf
dem Gebiet weilenden Staatsfremden sind der Gesetzgebung, Rechts-
pflege, Verwaltung des Aufenthaltstaates (als sogenannte subditi tempo-
rarii) unterworfen.

Damit ist umgekehrt für den Aufenthaltstaat die Verpflichtung
gegeben, auch den auf seinem Gebiet sich aufhaltenden Staatsfremden
denselben Schutz zu gewähren, wie seinen eigenen Staatsangehörigen.
Er hat daher insbesondere die Verpflichtung, auch in Rechtsstreitig-
keiten zwischen den Angehörigen desselben fremden Staates die Durch-
führung begründeter Ansprüche durch seine Gerichte und seine Voll-
streckungsbehörden zu sichern.
Abweichend bisher die französische
Rechtsprechung, die aber mehr und mehr der richtigen Ansicht
sich genähert hat.

1. Aber so wie die Staatsfremden keinen Anspruch auf die
Gewährung der staatsbürgerlichen (politischen) Rechte haben (unten
§ 25 I 4), so können sie auch den staatsbürgerlichen Pflichten im
engeren Sinne (den politischen Pflichten) nicht unterworfen werden.
Insbesondere ist die Heranziehung der Staatsfremden zu der staatlichen
oder kommunalen Wehrpflicht oder zu der an deren Stelle tretenden
Wehrsteuer, sowie zu andern Kriegsleistungen völkerrechtswidrig.

Dieser Grundsatz ist wiederholt in Verträgen ausdrücklich
ausgesprochen worden. Vgl. deutsch-japanischen Handels- und
Schiffahrtsvertrag vom 4. April 1896, Artikel 2: „Die Angehörigen
eines jeden der vertragschlieſsenden Teile, welche in den Gebieten des
anderen wohnen, sollen von jedem zwangsweisen Militärdienst irgend
welcher Art, sei es im Heer, in der Flotte, der Bürgerwehr oder
der Miliz, von allen an Stelle persönlicher Dienstleistung auf-
erlegten Abgaben und von allen Zwangsanleihen oder militärischen
Leistungen oder Abgaben befreit sein.“


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[45/0067] § 8. Die Souveränität als innere Unabhängigkeit. 3. Der exterritoriale Eigentümer eines unbeweglichen Gutes (mit Ausnahme des Gesandtschaftshotels) ist auch der gesamten auf dieses bezüglichen Staatsverwaltung, insbesondere auch der Steuer- verwaltung, unterworfen. Auch hier kann der Gesichtspunkt der freiwilligen Unterwerfung verwendet werden. IV. Die Gebietshoheit ergreift alle auf dem Gebiet sich befindenden Personen. Nicht nur die Staatsangehörigen, sondern auch die auf dem Gebiet weilenden Staatsfremden sind der Gesetzgebung, Rechts- pflege, Verwaltung des Aufenthaltstaates (als sogenannte subditi tempo- rarii) unterworfen. Damit ist umgekehrt für den Aufenthaltstaat die Verpflichtung gegeben, auch den auf seinem Gebiet sich aufhaltenden Staatsfremden denselben Schutz zu gewähren, wie seinen eigenen Staatsangehörigen. Er hat daher insbesondere die Verpflichtung, auch in Rechtsstreitig- keiten zwischen den Angehörigen desselben fremden Staates die Durch- führung begründeter Ansprüche durch seine Gerichte und seine Voll- streckungsbehörden zu sichern. Abweichend bisher die französische Rechtsprechung, die aber mehr und mehr der richtigen Ansicht sich genähert hat. 1. Aber so wie die Staatsfremden keinen Anspruch auf die Gewährung der staatsbürgerlichen (politischen) Rechte haben (unten § 25 I 4), so können sie auch den staatsbürgerlichen Pflichten im engeren Sinne (den politischen Pflichten) nicht unterworfen werden. Insbesondere ist die Heranziehung der Staatsfremden zu der staatlichen oder kommunalen Wehrpflicht oder zu der an deren Stelle tretenden Wehrsteuer, sowie zu andern Kriegsleistungen völkerrechtswidrig. Dieser Grundsatz ist wiederholt in Verträgen ausdrücklich ausgesprochen worden. Vgl. deutsch-japanischen Handels- und Schiffahrtsvertrag vom 4. April 1896, Artikel 2: „Die Angehörigen eines jeden der vertragschlieſsenden Teile, welche in den Gebieten des anderen wohnen, sollen von jedem zwangsweisen Militärdienst irgend welcher Art, sei es im Heer, in der Flotte, der Bürgerwehr oder der Miliz, von allen an Stelle persönlicher Dienstleistung auf- erlegten Abgaben und von allen Zwangsanleihen oder militärischen Leistungen oder Abgaben befreit sein.“

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/67>, abgerufen am 28.03.2024.