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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.

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II. Buch. Der völkerrechtl. Verkehr der Staaten im allgemeinen.
nicht aber die Wirksamkeit des Vertrages nach dem Tag der
Unterzeichnung, berechnet.

Dagegen die früher vielfach, jetzt auch noch von Rivier II 75, ver-
tretene Ansicht.

2. Meist kommt der Vertragsabschluss durch den gegenseitigen
Austausch der Ratifikationsurkunden zu stande.

Es kann aber auch vereinbart werden, dass die einseitige Er-
teilung der Genehmigung den genehmigenden Staat bindet. So
verfügt Artikel 38 Absatz 2 der Kongoakte vom 8. November 1884
(R. G. Bl. 1885 S. 211): Die gegenwärtige Akte "tritt für jede Macht
von dem Tage ab in Kraft, an welchem letztere die Ratifikation
vollzogen hat."

Verschieden von den Formen des Vertragsabschlusses sind
die Formen für seine Beurkundung. Der angeführte Artikel 38
bestimmt weiter in Absatz 4 und 5: "Jede Macht wird ihre Ratifika-
tion der Regierung des Deutschen Reichs zugehen lassen, durch
deren Vermittelung allen anderen Signatarmächten der gegenwärtigen
Generalakte davon Kenntnis gegeben werden wird. -- Die Ratifika-
tionen aller Mächte bleiben in den Archiven der Regierung des
Deutschen Reichs aufbewahrt. Wenn alle Ratifikationen beigebracht
sind, so wird über den Hinterlegungsakt ein Protokoll errichtet,
welches von den Vertretern aller Mächte, die an der Berliner
Konferenz teilgenommen haben, unterzeichnet und wovon eine be-
glaubigte Abschrift allen diesen Mächten mitgeteilt wird."

3. Mit der Ratifikation ist der Vertrag völkerrechtlich verbind-
lich, ohne Rücksicht darauf, ob die nach der Verfassung der vertrag-
schliessenden Teile etwa erforderliche Zustimmung der gesetzgebenden
Faktoren erteilt worden ist oder nicht
(oben § 12 I 2).

Wenn die deutsche Reichsverfassung in Artikel 11 Absatz 3
bestimmt: "Insoweit die Verträge mit fremden Staaten sich auf
solche Gegenstände beziehen, welche nach Artikel 4 in den Bereich
der Reichsgesetzgebung gehören, ist zu ihrem Abschluss die Zustim-
mung des Bundesrates und zu ihrer Gültigkeit die Genehmigung
des Reichstages erforderlich" -- so wird nach dieser staatsrecht-

II. Buch. Der völkerrechtl. Verkehr der Staaten im allgemeinen.
nicht aber die Wirksamkeit des Vertrages nach dem Tag der
Unterzeichnung, berechnet.

Dagegen die früher vielfach, jetzt auch noch von Rivier II 75, ver-
tretene Ansicht.

2. Meist kommt der Vertragsabschluſs durch den gegenseitigen
Austausch der Ratifikationsurkunden zu stande.

Es kann aber auch vereinbart werden, daſs die einseitige Er-
teilung der Genehmigung den genehmigenden Staat bindet. So
verfügt Artikel 38 Absatz 2 der Kongoakte vom 8. November 1884
(R. G. Bl. 1885 S. 211): Die gegenwärtige Akte „tritt für jede Macht
von dem Tage ab in Kraft, an welchem letztere die Ratifikation
vollzogen hat.“

Verschieden von den Formen des Vertragsabschlusses sind
die Formen für seine Beurkundung. Der angeführte Artikel 38
bestimmt weiter in Absatz 4 und 5: „Jede Macht wird ihre Ratifika-
tion der Regierung des Deutschen Reichs zugehen lassen, durch
deren Vermittelung allen anderen Signatarmächten der gegenwärtigen
Generalakte davon Kenntnis gegeben werden wird. — Die Ratifika-
tionen aller Mächte bleiben in den Archiven der Regierung des
Deutschen Reichs aufbewahrt. Wenn alle Ratifikationen beigebracht
sind, so wird über den Hinterlegungsakt ein Protokoll errichtet,
welches von den Vertretern aller Mächte, die an der Berliner
Konferenz teilgenommen haben, unterzeichnet und wovon eine be-
glaubigte Abschrift allen diesen Mächten mitgeteilt wird.“

3. Mit der Ratifikation ist der Vertrag völkerrechtlich verbind-
lich, ohne Rücksicht darauf, ob die nach der Verfassung der vertrag-
schlieſsenden Teile etwa erforderliche Zustimmung der gesetzgebenden
Faktoren erteilt worden ist oder nicht
(oben § 12 I 2).

Wenn die deutsche Reichsverfassung in Artikel 11 Absatz 3
bestimmt: „Insoweit die Verträge mit fremden Staaten sich auf
solche Gegenstände beziehen, welche nach Artikel 4 in den Bereich
der Reichsgesetzgebung gehören, ist zu ihrem Abschluſs die Zustim-
mung des Bundesrates und zu ihrer Gültigkeit die Genehmigung
des Reichstages erforderlich“ — so wird nach dieser staatsrecht-

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[114/0136] II. Buch. Der völkerrechtl. Verkehr der Staaten im allgemeinen. nicht aber die Wirksamkeit des Vertrages nach dem Tag der Unterzeichnung, berechnet. Dagegen die früher vielfach, jetzt auch noch von Rivier II 75, ver- tretene Ansicht. 2. Meist kommt der Vertragsabschluſs durch den gegenseitigen Austausch der Ratifikationsurkunden zu stande. Es kann aber auch vereinbart werden, daſs die einseitige Er- teilung der Genehmigung den genehmigenden Staat bindet. So verfügt Artikel 38 Absatz 2 der Kongoakte vom 8. November 1884 (R. G. Bl. 1885 S. 211): Die gegenwärtige Akte „tritt für jede Macht von dem Tage ab in Kraft, an welchem letztere die Ratifikation vollzogen hat.“ Verschieden von den Formen des Vertragsabschlusses sind die Formen für seine Beurkundung. Der angeführte Artikel 38 bestimmt weiter in Absatz 4 und 5: „Jede Macht wird ihre Ratifika- tion der Regierung des Deutschen Reichs zugehen lassen, durch deren Vermittelung allen anderen Signatarmächten der gegenwärtigen Generalakte davon Kenntnis gegeben werden wird. — Die Ratifika- tionen aller Mächte bleiben in den Archiven der Regierung des Deutschen Reichs aufbewahrt. Wenn alle Ratifikationen beigebracht sind, so wird über den Hinterlegungsakt ein Protokoll errichtet, welches von den Vertretern aller Mächte, die an der Berliner Konferenz teilgenommen haben, unterzeichnet und wovon eine be- glaubigte Abschrift allen diesen Mächten mitgeteilt wird.“ 3. Mit der Ratifikation ist der Vertrag völkerrechtlich verbind- lich, ohne Rücksicht darauf, ob die nach der Verfassung der vertrag- schlieſsenden Teile etwa erforderliche Zustimmung der gesetzgebenden Faktoren erteilt worden ist oder nicht (oben § 12 I 2). Wenn die deutsche Reichsverfassung in Artikel 11 Absatz 3 bestimmt: „Insoweit die Verträge mit fremden Staaten sich auf solche Gegenstände beziehen, welche nach Artikel 4 in den Bereich der Reichsgesetzgebung gehören, ist zu ihrem Abschluſs die Zustim- mung des Bundesrates und zu ihrer Gültigkeit die Genehmigung des Reichstages erforderlich“ — so wird nach dieser staatsrecht-

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/136>, abgerufen am 29.03.2024.