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Lohenstein, Daniel Casper von: Agrippina. Breslau, 1665.

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Großmächt'ger Herr und Fürst/ vergib den freyen Zun-
gen/
Die Warheit hat mir diß Bekäntnüs abgezwungen.
Rom und der Käyser kenn't die Gaben aller zwey:
90.Zwar/ daß Octavie des Käysers Tochter sey
Jst etwas/ aber nichts/ das Lieb' und Brunst vergnüget/
Die lieber offt auff Stroh' als weichen Purpur lieget.
Wie wol Poppeens Stamm auch Bürger-Meister zehl't:
Und Sieges-Kräntze träg't. Der Käyserin zwar fählt
95.Die Schönheit auch nicht gar; Doch ist sie nur ein Schat-
ten
Für dieser/ die sie Rom nicht darff zu seh'n gestatten/
Da nicht die Tiber soll voll lichter Flammen steh'n.
Und wie sol nicht solch Schmuck Sabinens Ruhm erhöh'n:
Da ihre Mutter auch die Schönste war der Frauen/
100.Denn Adler bringen ja nur Adler/ Pfaue Pfauen.
Zu dem/ was ist die Pracht der Glieder/ die die Glutt
Durch Lieb-reitz nicht beseel't? Es trä'gt die kalte Flutt
Corallen/ die so schön als trockne Lippen brennen/
Die nie kein Kuß bethau't. Die Brust ist Schnee zu nen-
nen/
105.Wo auff der See-voll Milch kein sanffter Liebes Wind
Umb die zwey Felsen spiel't. Die stillen Augen sind
Nur Fackeln ohne Licht/ und Bogen ohne Pfeile.
Die Tulipane sticht mit Farben wol zu weile
Den Glantz der Rose Weg: Doch wer zeicht die nicht für/
110.Die so viel Anmuth gieb't durch den Geruch von ihr?
Der Seelen-Liebreitz ist der Schönheit Geist und Leben/
Der Liebe Saltz und Oel. Soll dieses Anmuth geben?
Wenn sich Octavie bey blühender Gestalt/
Wenn er sie küsset/ todt/ für seinen Flammen kalt/
115.Bey seinen Senfftzern taub/ bey seiner Gunst vergället
Ja steinerner als Stein Pigmalias anstellet?
Wenn sie/ nun ietzt der Fürst (den Rom und Grichen-
land
Als einen Orfeus hör't) die Harfen in der Hand
Die Lorbern auff dem Haupt' in Phoebus Tempel brin-
get/
130. Umb
Großmaͤcht’ger Herr und Fuͤrſt/ vergib den freyen Zun-
gen/
Die Warheit hat mir diß Bekaͤntnuͤs abgezwungen.
Rom und der Kaͤyſer kenn’t die Gaben aller zwey:
90.Zwar/ daß Octavie des Kaͤyſers Tochter ſey
Jſt etwas/ aber nichts/ das Lieb’ und Brunſt vergnuͤget/
Die lieber offt auff Stroh’ als weichen Purpur lieget.
Wie wol Poppeens Stam̃ auch Buͤrger-Meiſter zehl’t:
Und Sieges-Kraͤntze traͤg’t. Der Kaͤyſerin zwar faͤhlt
95.Die Schoͤnheit auch nicht gar; Doch iſt ſie nur ein Schat-
ten
Fuͤr dieſer/ die ſie Rom nicht darff zu ſeh’n geſtatten/
Da nicht die Tiber ſoll voll lichter Flammen ſteh’n.
Und wie ſol nicht ſolch Schmuck Sabinens Ruhm erhoͤh’n:
Da ihre Mutter auch die Schoͤnſte war der Frauen/
100.Denn Adler bringen ja nur Adler/ Pfaue Pfauen.
Zu dem/ was iſt die Pracht der Glieder/ die die Glutt
Durch Lieb-reitz nicht beſeel’t? Es traͤ’gt die kalte Flutt
Corallen/ die ſo ſchoͤn als trockne Lippen brennen/
Die nie kein Kuß bethau’t. Die Bruſt iſt Schnee zu nen-
nen/
105.Wo auff der See-voll Milch kein ſanffter Liebes Wind
Umb die zwey Felſen ſpiel’t. Die ſtillen Augen ſind
Nur Fackeln ohne Licht/ und Bogen ohne Pfeile.
Die Tulipane ſticht mit Farben wol zu weile
Den Glantz der Roſe Weg: Doch wer zeicht die nicht fuͤr/
110.Die ſo viel Anmuth gieb’t durch den Geruch von ihr?
Der Seelen-Liebreitz iſt der Schoͤnheit Geiſt und Leben/
Der Liebe Saltz und Oel. Soll dieſes Anmuth geben?
Wenn ſich Octavie bey bluͤhender Geſtalt/
Wenn er ſie kuͤſſet/ todt/ fuͤr ſeinen Flammen kalt/
115.Bey ſeinen Senfftzern taub/ bey ſeiner Gunſt vergaͤllet
Ja ſteinerner als Stein Pigmalias anſtellet?
Wenn ſie/ nun ietzt der Fuͤrſt (den Rom und Grichen-
land
Als einen Orfeus hoͤr’t) die Harfen in der Hand
Die Lorbern auff dem Haupt’ in Phœbus Tempel brin-
get/
130. Umb
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[4./0022] Großmaͤcht’ger Herr und Fuͤrſt/ vergib den freyen Zun- gen/ Die Warheit hat mir diß Bekaͤntnuͤs abgezwungen. Rom und der Kaͤyſer kenn’t die Gaben aller zwey: Zwar/ daß Octavie des Kaͤyſers Tochter ſey Jſt etwas/ aber nichts/ das Lieb’ und Brunſt vergnuͤget/ Die lieber offt auff Stroh’ als weichen Purpur lieget. Wie wol Poppeens Stam̃ auch Buͤrger-Meiſter zehl’t: Und Sieges-Kraͤntze traͤg’t. Der Kaͤyſerin zwar faͤhlt Die Schoͤnheit auch nicht gar; Doch iſt ſie nur ein Schat- ten Fuͤr dieſer/ die ſie Rom nicht darff zu ſeh’n geſtatten/ Da nicht die Tiber ſoll voll lichter Flammen ſteh’n. Und wie ſol nicht ſolch Schmuck Sabinens Ruhm erhoͤh’n: Da ihre Mutter auch die Schoͤnſte war der Frauen/ Denn Adler bringen ja nur Adler/ Pfaue Pfauen. Zu dem/ was iſt die Pracht der Glieder/ die die Glutt Durch Lieb-reitz nicht beſeel’t? Es traͤ’gt die kalte Flutt Corallen/ die ſo ſchoͤn als trockne Lippen brennen/ Die nie kein Kuß bethau’t. Die Bruſt iſt Schnee zu nen- nen/ Wo auff der See-voll Milch kein ſanffter Liebes Wind Umb die zwey Felſen ſpiel’t. Die ſtillen Augen ſind Nur Fackeln ohne Licht/ und Bogen ohne Pfeile. Die Tulipane ſticht mit Farben wol zu weile Den Glantz der Roſe Weg: Doch wer zeicht die nicht fuͤr/ Die ſo viel Anmuth gieb’t durch den Geruch von ihr? Der Seelen-Liebreitz iſt der Schoͤnheit Geiſt und Leben/ Der Liebe Saltz und Oel. Soll dieſes Anmuth geben? Wenn ſich Octavie bey bluͤhender Geſtalt/ Wenn er ſie kuͤſſet/ todt/ fuͤr ſeinen Flammen kalt/ Bey ſeinen Senfftzern taub/ bey ſeiner Gunſt vergaͤllet Ja ſteinerner als Stein Pigmalias anſtellet? Wenn ſie/ nun ietzt der Fuͤrſt (den Rom und Grichen- land Als einen Orfeus hoͤr’t) die Harfen in der Hand Die Lorbern auff dem Haupt’ in Phœbus Tempel brin- get/ 130. Umb

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Agrippina. Breslau, 1665, S. 4.. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_agrippina_1665/22>, abgerufen am 19.04.2024.