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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] von zweyen Schwanen gezogenem Wagen die
Göttin der Liebe in einem blauen mit güldenen
Rosen oder vielmehr Sternen bestreuten Rocke.
Die Schläfe waren mit Rosen/ der Hauptwir-
bel mit einer perlenen Krone bedeckt/ der Hals
mit Perlen/ der Leib mit einem Gürtel von
köstlichsten Edelgesteinen/ die Seite mit einem
schmaragdenen Köcher/ der Arm mit einem
güldenen Bogen geschmückt. Zu ihren Füs-
sen lag der geharnschte Kriegs-Gott gebunden.
Gegen über saß ein annehmlicher Liebes-Gott;
dessen Leib gleichsam die Milch/ seine Wangen
die Rosen/ der Mund Zinober wegstach. Sein
lichtes Haar war noch mit Gold-Staube be-
streuet; also: daß sein Haupt mit so viel Son-
nen-Strahlen bekleidet zu seyn schien/ als auf
selbtem Haare zu sehen waren; welche sich einem
wellichten Gold-Drate gleichten. Er hatte
zwey Köcher einen mit güldenen-den andern
mit bleyernen Pfeilen erfüllet. Seine Flü-
gel waren zwey Pfauen-Schwäntzen ähnlich/
in dem alle Federn voller Frauen-Augen hien-
gen/ seine purperne Schürtze aber unzehlbare
Hertzen beschloß. Dieser hielt seiner Mutter
einen grossen kristallenen Spiegel vor; womit
sie/ weil in der Welt nichts schöners zu finden/
sie sich nur über ihrer eigenen Vollkommen-
heit vergnügen möchte. Für dem Wagen
giengen noch funfzehn andere geflügelte Lie-
bes-Götter; derer ein jeder einen kostbaren
Siegs-Preiß trug. Umb den Wagen lieffen
die fünf Sinnen/ welche einen Lobgesang der
Liebe sangen/ hierüber aber unter einander
selbst in Zwist geriethen/ welch Sinn die Liebe
zu erwecken oder zu unterhalten das meiste bey-
trüge. Diesen Kampff drückten sie mit ihrer
süssen Kehle und folgende Wechsel-Reimen aus:

Das Gehöre.
Die Halsfrau aller Seel'n/ der Hertzen Henckerin/
Die Mutter der Natur/ der Ursprung aller Sachen/
Die Heb-Amm' aller Lust/ der Götter Königin
Die Liebe/ die die Welt kan lieb- und lebhafft machen/
[Spaltenumbruch] Braucht alle Sinnen zwar zum Werckzeug ihrer Macht;

Allein die Lieb' ist selbst durch mich zur Welt gebracht.
Mein helffenbeinern Ohr ist ihre Mutter-Schoos/
Die Muschel/ in der sie soll worden seyn empfangen.
Hier wird die Liebe jung/ hier wächst sie starck und groß;
Denn das Gehöre zeugt begieriges Verlangen;
Eh Aleibiades noch die Medontis sieht/
Würckt schon ihr Ruhm so viel: daß er für Liebe glüht.
Besänfftigt Orpheus nicht das Vieh durch Säitenspiel?
Die Schlang' entgifftet sich/ und siarret als beschworen/
Die Tiger werden kirr/ und kurtzweiln/ wie er wil/
Ja Felsen/ Winde/ Wald und Kräuter kriegen Ohren;
Er preßt das Thränen-Saltz den Höllen-Geistern ab/
Macht: daß Proserpina sein Weib ihm wieder gab.
Die süsse Kützelung der Ohren hat die Krafft:
Daß man Gehöre giebt halb schlängichten Sirenen/
Und sich in Abgrund stürtzt/ wenn es ihr Lock-Lied schafft.
Denn ihre Stimmen sind die Zauberey der Schönen.
Der Hamen/ der all zeit schlingt tausend Seelen ein/
Wenn Liebreitz und Gestalt vergebne Jäger seyn.
Die edlen Ohren sind zwey Pforten süsser Brunst/
Die allzeit offen stehn die Lieb' in's Hertz zu lassen;
Sie sind zwey Labyrinth'/ aus denen keine Kunst
Sich weiß zu wickeln aus/ die sie schon einmal fassen.
Sie sind der Anmuth Röhr/ und das Gehör' ein Sinn/
Der Marmel fühlend macht/ und Unmuth schläget hin.
Das Gesichte.
Verkreuch Gehöre dich/ du brauchst nur Unterschlief.
Des Leibes Schönheit ist vereinbart ins Gesichte/
Die Augen aber sind des Antlitzes Begrief.
Die Lebens-Geister sind vermählt mit ihrem Lichte;
Sind also mehr/ als sonst kein ander Glied/ geschickt:
Daß Seel' und Hertz durch sie den regen Trieb ausdrückt.
Sie sind ein Sommer-Glantz der alles Ding entdeckt/
Ja sie sind selbst das Hauß der Seel'/ ein Sitz der Hertzen/
Ein Spiegel der uns zeigt/ was in Gedancken steckt
Für heimliche Begierd' und angenehme Schmertzen.
Jhr stumm Gesprache giebt glaubhaffter zu verstehn
Den Wunsch als Worte/ die meist nicht von Hertzen gehn.
Die Liebe wird gezeugt in Augen/ in der Brust
Geträncket/ in der Seel' ernehret und erzogen.
Jn Augen käumt und wächst der Liebe meiste Lust/
Dar wird/ wo sonst der Mund nur Milch saugt/ Blut gesogen;
Wenn Lippen kaum einmal aus Küssen Honig ziehn/
Trinckt's Auge tausendmal viel Nectar aus Rubin.
Die schönen Augen sind dem Sonnen-Brunnen gleich/
Die Thränen in dem Tag'/ und Glutt zur Nacht gebehren.
Wenn anfangs sie das Hertz mitleidend machen weich/
Hernach eys-kalte Seeln durch heissen Brand verzehren.
Es
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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] von zweyen Schwanen gezogenem Wagen die
Goͤttin der Liebe in einem blauen mit guͤldenen
Roſen oder vielmehr Sternen beſtreuten Rocke.
Die Schlaͤfe waren mit Roſen/ der Hauptwir-
bel mit einer perlenen Krone bedeckt/ der Hals
mit Perlen/ der Leib mit einem Guͤrtel von
koͤſtlichſten Edelgeſteinen/ die Seite mit einem
ſchmaragdenen Koͤcher/ der Arm mit einem
guͤldenen Bogen geſchmuͤckt. Zu ihren Fuͤſ-
ſen lag der geharnſchte Kriegs-Gott gebunden.
Gegen uͤber ſaß ein annehmlicher Liebes-Gott;
deſſen Leib gleichſam die Milch/ ſeine Wangen
die Roſen/ der Mund Zinober wegſtach. Sein
lichtes Haar war noch mit Gold-Staube be-
ſtreuet; alſo: daß ſein Haupt mit ſo viel Son-
nen-Strahlen bekleidet zu ſeyn ſchien/ als auf
ſelbtem Haare zu ſehen waren; welche ſich einem
wellichten Gold-Drate gleichten. Er hatte
zwey Koͤcher einen mit guͤldenen-den andern
mit bleyernen Pfeilen erfuͤllet. Seine Fluͤ-
gel waren zwey Pfauen-Schwaͤntzen aͤhnlich/
in dem alle Federn voller Frauen-Augen hien-
gen/ ſeine purperne Schuͤrtze aber unzehlbare
Hertzen beſchloß. Dieſer hielt ſeiner Mutter
einen groſſen kriſtallenen Spiegel vor; womit
ſie/ weil in der Welt nichts ſchoͤners zu finden/
ſie ſich nur uͤber ihrer eigenen Vollkommen-
heit vergnuͤgen moͤchte. Fuͤr dem Wagen
giengen noch funfzehn andere gefluͤgelte Lie-
bes-Goͤtter; derer ein jeder einen koſtbaren
Siegs-Preiß trug. Umb den Wagen lieffen
die fuͤnf Sinnen/ welche einen Lobgeſang der
Liebe ſangen/ hieruͤber aber unter einander
ſelbſt in Zwiſt geriethen/ welch Sinn die Liebe
zu erwecken oder zu unterhalten das meiſte bey-
truͤge. Dieſen Kampff druͤckten ſie mit ihrer
ſuͤſſen Kehle und folgende Wechſel-Reimen aus:

Das Gehoͤre.
Die Halsfrau aller Seel’n/ der Hertzen Henckerin/
Die Mutter der Natur/ der Urſprung aller Sachen/
Die Heb-Amm’ aller Luſt/ der Goͤtter Koͤnigin
Die Liebe/ die die Welt kan lieb- und lebhafft machen/
[Spaltenumbruch] Braucht alle Sinnen zwar zum Werckzeug ihrer Macht;

Allein die Lieb’ iſt ſelbſt durch mich zur Welt gebracht.
Mein helffenbeinern Ohr iſt ihre Mutter-Schoos/
Die Muſchel/ in der ſie ſoll worden ſeyn empfangen.
Hier wird die Liebe jung/ hier waͤchſt ſie ſtarck und groß;
Denn das Gehoͤre zeugt begieriges Verlangen;
Eh Aleibiades noch die Medontis ſieht/
Wuͤrckt ſchon ihr Ruhm ſo viel: daß er fuͤr Liebe gluͤht.
Beſaͤnfftigt Orpheus nicht das Vieh durch Saͤitenſpiel?
Die Schlang’ entgifftet ſich/ und ſiarret als beſchworen/
Die Tiger werden kirr/ und kurtzweiln/ wie er wil/
Ja Felſen/ Winde/ Wald und Kraͤuter kriegen Ohren;
Er preßt das Thraͤnen-Saltz den Hoͤllen-Geiſtern ab/
Macht: daß Proſerpina ſein Weib ihm wieder gab.
Die ſuͤſſe Kuͤtzelung der Ohren hat die Krafft:
Daß man Gehoͤre giebt halb ſchlaͤngichten Sirenen/
Und ſich in Abgrund ſtuͤrtzt/ wenn es ihr Lock-Lied ſchafft.
Denn ihre Stimmen ſind die Zauberey der Schoͤnen.
Der Hamen/ der all zeit ſchlingt tauſend Seelen ein/
Wenn Liebreitz und Geſtalt vergebne Jaͤger ſeyn.
Die edlen Ohren ſind zwey Pforten ſuͤſſer Brunſt/
Die allzeit offen ſtehn die Lieb’ in’s Hertz zu laſſen;
Sie ſind zwey Labyrinth’/ aus denen keine Kunſt
Sich weiß zu wickeln aus/ die ſie ſchon einmal faſſen.
Sie ſind der Anmuth Roͤhr/ und das Gehoͤr’ ein Sinn/
Der Marmel fuͤhlend macht/ und Unmuth ſchlaͤget hin.
Das Geſichte.
Verkreuch Gehoͤre dich/ du brauchſt nur Unterſchlief.
Des Leibes Schoͤnheit iſt vereinbart ins Geſichte/
Die Augen aber ſind des Antlitzes Begrief.
Die Lebens-Geiſter ſind vermaͤhlt mit ihrem Lichte;
Sind alſo mehr/ als ſonſt kein ander Glied/ geſchickt:
Daß Seel’ und Hertz durch ſie den regen Trieb ausdruͤckt.
Sie ſind ein Sommer-Glantz der alles Ding entdeckt/
Ja ſie ſind ſelbſt das Hauß der Seel’/ ein Sitz der Hertzen/
Ein Spiegel der uns zeigt/ was in Gedancken ſteckt
Fuͤr heimliche Begierd’ und angenehme Schmertzen.
Jhr ſtumm Geſprache giebt glaubhaffter zu verſtehn
Den Wunſch als Worte/ die meiſt nicht von Hertzen gehn.
Die Liebe wird gezeugt in Augen/ in der Bruſt
Getraͤncket/ in der Seel’ ernehret und erzogen.
Jn Augen kaͤumt und waͤchſt der Liebe meiſte Luſt/
Dar wird/ wo ſonſt der Mund nur Milch ſaugt/ Blut geſogen;
Wenn Lippen kaum einmal aus Kuͤſſen Honig ziehn/
Trinckt’s Auge tauſendmal viel Nectar aus Rubin.
Die ſchoͤnen Augen ſind dem Sonnen-Brunnen gleich/
Die Thraͤnen in dem Tag’/ und Glutt zur Nacht gebehren.
Wenn anfangs ſie das Hertz mitleidend machen weich/
Hernach eys-kalte Seeln durch heiſſen Brand verzehren.
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[1411[1413]/1479] Arminius und Thußnelda. von zweyen Schwanen gezogenem Wagen die Goͤttin der Liebe in einem blauen mit guͤldenen Roſen oder vielmehr Sternen beſtreuten Rocke. Die Schlaͤfe waren mit Roſen/ der Hauptwir- bel mit einer perlenen Krone bedeckt/ der Hals mit Perlen/ der Leib mit einem Guͤrtel von koͤſtlichſten Edelgeſteinen/ die Seite mit einem ſchmaragdenen Koͤcher/ der Arm mit einem guͤldenen Bogen geſchmuͤckt. Zu ihren Fuͤſ- ſen lag der geharnſchte Kriegs-Gott gebunden. Gegen uͤber ſaß ein annehmlicher Liebes-Gott; deſſen Leib gleichſam die Milch/ ſeine Wangen die Roſen/ der Mund Zinober wegſtach. Sein lichtes Haar war noch mit Gold-Staube be- ſtreuet; alſo: daß ſein Haupt mit ſo viel Son- nen-Strahlen bekleidet zu ſeyn ſchien/ als auf ſelbtem Haare zu ſehen waren; welche ſich einem wellichten Gold-Drate gleichten. Er hatte zwey Koͤcher einen mit guͤldenen-den andern mit bleyernen Pfeilen erfuͤllet. Seine Fluͤ- gel waren zwey Pfauen-Schwaͤntzen aͤhnlich/ in dem alle Federn voller Frauen-Augen hien- gen/ ſeine purperne Schuͤrtze aber unzehlbare Hertzen beſchloß. Dieſer hielt ſeiner Mutter einen groſſen kriſtallenen Spiegel vor; womit ſie/ weil in der Welt nichts ſchoͤners zu finden/ ſie ſich nur uͤber ihrer eigenen Vollkommen- heit vergnuͤgen moͤchte. Fuͤr dem Wagen giengen noch funfzehn andere gefluͤgelte Lie- bes-Goͤtter; derer ein jeder einen koſtbaren Siegs-Preiß trug. Umb den Wagen lieffen die fuͤnf Sinnen/ welche einen Lobgeſang der Liebe ſangen/ hieruͤber aber unter einander ſelbſt in Zwiſt geriethen/ welch Sinn die Liebe zu erwecken oder zu unterhalten das meiſte bey- truͤge. Dieſen Kampff druͤckten ſie mit ihrer ſuͤſſen Kehle und folgende Wechſel-Reimen aus: Das Gehoͤre. Die Halsfrau aller Seel’n/ der Hertzen Henckerin/ Die Mutter der Natur/ der Urſprung aller Sachen/ Die Heb-Amm’ aller Luſt/ der Goͤtter Koͤnigin Die Liebe/ die die Welt kan lieb- und lebhafft machen/ Braucht alle Sinnen zwar zum Werckzeug ihrer Macht; Allein die Lieb’ iſt ſelbſt durch mich zur Welt gebracht. Mein helffenbeinern Ohr iſt ihre Mutter-Schoos/ Die Muſchel/ in der ſie ſoll worden ſeyn empfangen. Hier wird die Liebe jung/ hier waͤchſt ſie ſtarck und groß; Denn das Gehoͤre zeugt begieriges Verlangen; Eh Aleibiades noch die Medontis ſieht/ Wuͤrckt ſchon ihr Ruhm ſo viel: daß er fuͤr Liebe gluͤht. Beſaͤnfftigt Orpheus nicht das Vieh durch Saͤitenſpiel? Die Schlang’ entgifftet ſich/ und ſiarret als beſchworen/ Die Tiger werden kirr/ und kurtzweiln/ wie er wil/ Ja Felſen/ Winde/ Wald und Kraͤuter kriegen Ohren; Er preßt das Thraͤnen-Saltz den Hoͤllen-Geiſtern ab/ Macht: daß Proſerpina ſein Weib ihm wieder gab. Die ſuͤſſe Kuͤtzelung der Ohren hat die Krafft: Daß man Gehoͤre giebt halb ſchlaͤngichten Sirenen/ Und ſich in Abgrund ſtuͤrtzt/ wenn es ihr Lock-Lied ſchafft. Denn ihre Stimmen ſind die Zauberey der Schoͤnen. Der Hamen/ der all zeit ſchlingt tauſend Seelen ein/ Wenn Liebreitz und Geſtalt vergebne Jaͤger ſeyn. Die edlen Ohren ſind zwey Pforten ſuͤſſer Brunſt/ Die allzeit offen ſtehn die Lieb’ in’s Hertz zu laſſen; Sie ſind zwey Labyrinth’/ aus denen keine Kunſt Sich weiß zu wickeln aus/ die ſie ſchon einmal faſſen. Sie ſind der Anmuth Roͤhr/ und das Gehoͤr’ ein Sinn/ Der Marmel fuͤhlend macht/ und Unmuth ſchlaͤget hin. Das Geſichte. Verkreuch Gehoͤre dich/ du brauchſt nur Unterſchlief. Des Leibes Schoͤnheit iſt vereinbart ins Geſichte/ Die Augen aber ſind des Antlitzes Begrief. Die Lebens-Geiſter ſind vermaͤhlt mit ihrem Lichte; Sind alſo mehr/ als ſonſt kein ander Glied/ geſchickt: Daß Seel’ und Hertz durch ſie den regen Trieb ausdruͤckt. Sie ſind ein Sommer-Glantz der alles Ding entdeckt/ Ja ſie ſind ſelbſt das Hauß der Seel’/ ein Sitz der Hertzen/ Ein Spiegel der uns zeigt/ was in Gedancken ſteckt Fuͤr heimliche Begierd’ und angenehme Schmertzen. Jhr ſtumm Geſprache giebt glaubhaffter zu verſtehn Den Wunſch als Worte/ die meiſt nicht von Hertzen gehn. Die Liebe wird gezeugt in Augen/ in der Bruſt Getraͤncket/ in der Seel’ ernehret und erzogen. Jn Augen kaͤumt und waͤchſt der Liebe meiſte Luſt/ Dar wird/ wo ſonſt der Mund nur Milch ſaugt/ Blut geſogen; Wenn Lippen kaum einmal aus Kuͤſſen Honig ziehn/ Trinckt’s Auge tauſendmal viel Nectar aus Rubin. Die ſchoͤnen Augen ſind dem Sonnen-Brunnen gleich/ Die Thraͤnen in dem Tag’/ und Glutt zur Nacht gebehren. Wenn anfangs ſie das Hertz mitleidend machen weich/ Hernach eys-kalte Seeln durch heiſſen Brand verzehren. Es Q q q q q q q q 2

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1411[1413]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1479>, abgerufen am 28.03.2024.