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Lohmann, Friederike: Die Entscheidung bei Hochkirch. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 63–137. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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soll denn Marianchen für einen besseren Mann freien? Soll sie auch einsam bleiben in der Welt, weil es die Menschen besser verstehen als der liebe Gott? Was kann denn eine Christenseele an dem Hauptmann aussetzen?

Der Hauptmann ist ohne Tadel, sagte Ellinger, aber meine Grundsätze verbieten seine Verbindung mit Marianen. Ich begreife wohl, daß Sie des Mädchens Partei halten und gegen mich ungerecht sein müssen, ich muß mich sogar darüber freuen, denn es beweiset Ihre Liebe zu meiner Tochter. Auch werde ich keinen Versuch machen, Ihr Urtheil zu berichtigen, nur überzeugen Sie sich, daß hier nichts zu ändern ist.

Mag das sein, sagte sie, ich will mein Herz ausschütten. Grundsätze! das ist ein vornehmer Ausdruck; ich nenne es Eigensinn. Eigensinn heißt es, wenn eine arme Frau auf ihrem Sinn besteht; es ist doch dasselbe Ding, das die Männer Grundsatz tituliren. Solche Grundsätze haben sie Alle, Einer wie der Andere; die Weiber müssen sich schmiegen, opfern und entsagen, ihren Willen Unterthan geben, ihre Neigungen bezwingen. Je wilder das Mannsgesicht drein sieht, je freundlicher sollen sie lachen; je härter er droht, je leiser sollen sie schmeicheln und bitten. Wenn das unser Loos ist, so laßt uns wenigstens der Liebe folgen, die das Schwere leicht macht; hindert keine glückliche Ehe, denn was Gott zusammenfügt, soll der Mensch nicht trennen.

Schöpfen Sie Athem, Justine, sagte Ellinger spöt-

soll denn Marianchen für einen besseren Mann freien? Soll sie auch einsam bleiben in der Welt, weil es die Menschen besser verstehen als der liebe Gott? Was kann denn eine Christenseele an dem Hauptmann aussetzen?

Der Hauptmann ist ohne Tadel, sagte Ellinger, aber meine Grundsätze verbieten seine Verbindung mit Marianen. Ich begreife wohl, daß Sie des Mädchens Partei halten und gegen mich ungerecht sein müssen, ich muß mich sogar darüber freuen, denn es beweiset Ihre Liebe zu meiner Tochter. Auch werde ich keinen Versuch machen, Ihr Urtheil zu berichtigen, nur überzeugen Sie sich, daß hier nichts zu ändern ist.

Mag das sein, sagte sie, ich will mein Herz ausschütten. Grundsätze! das ist ein vornehmer Ausdruck; ich nenne es Eigensinn. Eigensinn heißt es, wenn eine arme Frau auf ihrem Sinn besteht; es ist doch dasselbe Ding, das die Männer Grundsatz tituliren. Solche Grundsätze haben sie Alle, Einer wie der Andere; die Weiber müssen sich schmiegen, opfern und entsagen, ihren Willen Unterthan geben, ihre Neigungen bezwingen. Je wilder das Mannsgesicht drein sieht, je freundlicher sollen sie lachen; je härter er droht, je leiser sollen sie schmeicheln und bitten. Wenn das unser Loos ist, so laßt uns wenigstens der Liebe folgen, die das Schwere leicht macht; hindert keine glückliche Ehe, denn was Gott zusammenfügt, soll der Mensch nicht trennen.

Schöpfen Sie Athem, Justine, sagte Ellinger spöt-

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[0021] soll denn Marianchen für einen besseren Mann freien? Soll sie auch einsam bleiben in der Welt, weil es die Menschen besser verstehen als der liebe Gott? Was kann denn eine Christenseele an dem Hauptmann aussetzen? Der Hauptmann ist ohne Tadel, sagte Ellinger, aber meine Grundsätze verbieten seine Verbindung mit Marianen. Ich begreife wohl, daß Sie des Mädchens Partei halten und gegen mich ungerecht sein müssen, ich muß mich sogar darüber freuen, denn es beweiset Ihre Liebe zu meiner Tochter. Auch werde ich keinen Versuch machen, Ihr Urtheil zu berichtigen, nur überzeugen Sie sich, daß hier nichts zu ändern ist. Mag das sein, sagte sie, ich will mein Herz ausschütten. Grundsätze! das ist ein vornehmer Ausdruck; ich nenne es Eigensinn. Eigensinn heißt es, wenn eine arme Frau auf ihrem Sinn besteht; es ist doch dasselbe Ding, das die Männer Grundsatz tituliren. Solche Grundsätze haben sie Alle, Einer wie der Andere; die Weiber müssen sich schmiegen, opfern und entsagen, ihren Willen Unterthan geben, ihre Neigungen bezwingen. Je wilder das Mannsgesicht drein sieht, je freundlicher sollen sie lachen; je härter er droht, je leiser sollen sie schmeicheln und bitten. Wenn das unser Loos ist, so laßt uns wenigstens der Liebe folgen, die das Schwere leicht macht; hindert keine glückliche Ehe, denn was Gott zusammenfügt, soll der Mensch nicht trennen. Schöpfen Sie Athem, Justine, sagte Ellinger spöt-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:20:58Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:20:58Z)

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Zitationshilfe: Lohmann, Friederike: Die Entscheidung bei Hochkirch. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 63–137. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohmann_hochkirch_1910/21>, abgerufen am 28.03.2024.