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Lohmann, Friederike: Die Entscheidung bei Hochkirch. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 63–137. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Offizier bekommt keine meiner Töchter, das ist mein Grundsatz. Eben jetzt spricht das Schicksal unserer braven Armee laut für mich. Die Ehre, dies schimmernde Trugbild, das Einzige, was so viel Elend überstrahlen muß, hindert diese Krieger, für ihren König gegen den gemeinschaftlichen Feind zu kämpfen; während der niedrige Soldat sich den Fesseln entreißt und die Reihen der Preußen verläßt, wo er kann, muß der adelige Offizier müßig zusehen, wie sein Vaterland blutet. Und wenn er sich waffnen darf, dann sollte er lieber kein Weib zurücklassen, das ihm nachjammert, oder meine Tochter soll doch dies zitternde unglückliche Geschöpf nicht sein. Die Schlacht bei Prag hat eben jetzt tausend trostlose Wittwen gemacht. -- Zudem ist Pistor arm, sein kleines Vermögen kann heute oder morgen der Krieg verschlingen, Nahrungssorgen aber tödten Liebe und Frieden. Sagst du mir, daß er arbeitet und gewinnt, so entgegne ich dir, wie eben die Schriftstellerei mir ein so unsicheres Fahrzeug scheint, um Weib und Kind einzuschiffen, als das stolzere Kriegsschiff.

Du hast nun meine Gründe gehört, die war ich dir schuldig, mein Wille ist ganz fest, und ich wünsche von nun an über diese Sache zu schweigen. Wenn ich todt bin, bist du frei, es läuft gegen meine Ansichten, die Freiheit meiner Kinder durch Gelübde zu binden. -- Mein Tod also giebt dir das Recht, die Verbindung anzuknüpfen, die jetzt gelös't ist. --

Diese Worte machten einen furchtbaren Eindruck

Offizier bekommt keine meiner Töchter, das ist mein Grundsatz. Eben jetzt spricht das Schicksal unserer braven Armee laut für mich. Die Ehre, dies schimmernde Trugbild, das Einzige, was so viel Elend überstrahlen muß, hindert diese Krieger, für ihren König gegen den gemeinschaftlichen Feind zu kämpfen; während der niedrige Soldat sich den Fesseln entreißt und die Reihen der Preußen verläßt, wo er kann, muß der adelige Offizier müßig zusehen, wie sein Vaterland blutet. Und wenn er sich waffnen darf, dann sollte er lieber kein Weib zurücklassen, das ihm nachjammert, oder meine Tochter soll doch dies zitternde unglückliche Geschöpf nicht sein. Die Schlacht bei Prag hat eben jetzt tausend trostlose Wittwen gemacht. — Zudem ist Pistor arm, sein kleines Vermögen kann heute oder morgen der Krieg verschlingen, Nahrungssorgen aber tödten Liebe und Frieden. Sagst du mir, daß er arbeitet und gewinnt, so entgegne ich dir, wie eben die Schriftstellerei mir ein so unsicheres Fahrzeug scheint, um Weib und Kind einzuschiffen, als das stolzere Kriegsschiff.

Du hast nun meine Gründe gehört, die war ich dir schuldig, mein Wille ist ganz fest, und ich wünsche von nun an über diese Sache zu schweigen. Wenn ich todt bin, bist du frei, es läuft gegen meine Ansichten, die Freiheit meiner Kinder durch Gelübde zu binden. — Mein Tod also giebt dir das Recht, die Verbindung anzuknüpfen, die jetzt gelös't ist. —

Diese Worte machten einen furchtbaren Eindruck

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[0031] Offizier bekommt keine meiner Töchter, das ist mein Grundsatz. Eben jetzt spricht das Schicksal unserer braven Armee laut für mich. Die Ehre, dies schimmernde Trugbild, das Einzige, was so viel Elend überstrahlen muß, hindert diese Krieger, für ihren König gegen den gemeinschaftlichen Feind zu kämpfen; während der niedrige Soldat sich den Fesseln entreißt und die Reihen der Preußen verläßt, wo er kann, muß der adelige Offizier müßig zusehen, wie sein Vaterland blutet. Und wenn er sich waffnen darf, dann sollte er lieber kein Weib zurücklassen, das ihm nachjammert, oder meine Tochter soll doch dies zitternde unglückliche Geschöpf nicht sein. Die Schlacht bei Prag hat eben jetzt tausend trostlose Wittwen gemacht. — Zudem ist Pistor arm, sein kleines Vermögen kann heute oder morgen der Krieg verschlingen, Nahrungssorgen aber tödten Liebe und Frieden. Sagst du mir, daß er arbeitet und gewinnt, so entgegne ich dir, wie eben die Schriftstellerei mir ein so unsicheres Fahrzeug scheint, um Weib und Kind einzuschiffen, als das stolzere Kriegsschiff. Du hast nun meine Gründe gehört, die war ich dir schuldig, mein Wille ist ganz fest, und ich wünsche von nun an über diese Sache zu schweigen. Wenn ich todt bin, bist du frei, es läuft gegen meine Ansichten, die Freiheit meiner Kinder durch Gelübde zu binden. — Mein Tod also giebt dir das Recht, die Verbindung anzuknüpfen, die jetzt gelös't ist. — Diese Worte machten einen furchtbaren Eindruck

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Zitationshilfe: Lohmann, Friederike: Die Entscheidung bei Hochkirch. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 63–137. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohmann_hochkirch_1910/31>, abgerufen am 29.03.2024.