Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite

liegende Wein-Trauben.
Gnad so hoch, so herrlich, so seltsam und wunderbar, die der Lie-
be JEsu zu viel wäre dir zu geben; darum siehe doch nur auf ihne, so
wirst du nicht matt werden, noch den Muth fallen lassen.

§. 28. Aber da muß der Glaube das beste thun; dann so lang sich diewann
man ihne
im Glau-
ben fasset.

Sünd in der Seelen reget, und der Mensch nichts in sich findet,
als Zorn, Hochmuth, Haß, Unreinigkeit, Welt-Sinn und Geld-
Liebe, so dunckts ihn ein unmöglich Ding zu seyn, daß er jemahlen Chri-
sti Bild in sich empfangen solte, und durch seine Krafft ein neuer Mensch
werden; ja er vernimmt gar nichts von der Stimm des Bräutigams
unter dem Geräusch und Getümmel, so Sünd, Tod, Teufel und Fleisch
durch einander machen, ob er gleich alles anwendet etwas vom Heyl
und Erlösung zu vernehmen; da weißt der arme Mensch offt nicht ob
die Gnaden-Sonne JEsus, oder aber der Sünden-Nebel werde die
Oberhand gewinnen; so fichtet das auch offt lang mit einander. Jn
solchem Zustand nun muß der Mensch immer dem Teufel und sich selbst
widersprechen, und sagen: Es ist doch ein JEsus; es ist doch ein GOtt
und Vatter der dem Sünder gern vom Tod zum Leben hilfft; es ist
doch ein Hoher-Priester, und ein Blut der Versöhnung; es ist doch
ein Seligmacher, der ein HERR ist über Sünd, Tod, Teufel und Höll,
und der eben um der Bußfertigen, und wegen ihren Sünden beküm-
merten, und immer wider sie mit allem Ernst streitenden, ja gern über
sie herrschenden und triumphierenden Sünderen willen in die Welt
kommen, damit Er ihnen zu ewiger Gerechtigkeit und Leben verhelffe;
daß ich ein Sünder sey, das weiß ich, und fühle es nur zu wohl, und darff
nicht erst warten biß mirs der Teufel sage, dem nur dieses wehe thut, daß
ich nicht ein Sünder bleiben will, und verweißt mir nur das, was ich has-
se, und er hingegen liebet: woran mir ecklet, und er hingegen Lust hat;
daß ich aber ein Mensch seye, der GOttes Sohn zum Bruder habe,
darf ich nur nach der Nasen greiffen, so sehe ichs schon, dann ich habe ja
Leib und Seel; und davon zeuget die gantze H. Schrifft, daß JEsus sie
retten wolle; Darum Er auch an Seel und Leib gelitten hat.

Das neunte Capitel.Nöthige
Erinne-
rung für
die in ihrer
Bosheit
Unbußfer-
tige,

Nutz zur nöthigen Erinnerung an Unbußfertige so wohl als Bußfertige.

§. 1. Wir haben aber annoch eine nöthige Erinnerung aus den Worten
des Texts zu nehmen;

Hier
N n n 3

liegende Wein-Trauben.
Gnad ſo hoch, ſo herrlich, ſo ſeltſam und wunderbar, die der Lie-
be JEſu zu viel waͤre dir zu geben; darum ſiehe doch nur auf ihne, ſo
wirſt du nicht matt werden, noch den Muth fallen laſſen.

§. 28. Aber da muß der Glaube das beſte thun; dann ſo lang ſich diewann
man ihne
im Glau-
ben faſſet.

Suͤnd in der Seelen reget, und der Menſch nichts in ſich findet,
als Zorn, Hochmuth, Haß, Unreinigkeit, Welt-Sinn und Geld-
Liebe, ſo dunckts ihn ein unmoͤglich Ding zu ſeyn, daß er jemahlen Chri-
ſti Bild in ſich empfangen ſolte, und durch ſeine Krafft ein neuer Menſch
werden; ja er vernimmt gar nichts von der Stimm des Braͤutigams
unter dem Geraͤuſch und Getuͤmmel, ſo Suͤnd, Tod, Teufel und Fleiſch
durch einander machen, ob er gleich alles anwendet etwas vom Heyl
und Erloͤſung zu vernehmen; da weißt der arme Menſch offt nicht ob
die Gnaden-Sonne JEſus, oder aber der Suͤnden-Nebel werde die
Oberhand gewinnen; ſo fichtet das auch offt lang mit einander. Jn
ſolchem Zuſtand nun muß der Menſch immer dem Teufel und ſich ſelbſt
widerſprechen, und ſagen: Es iſt doch ein JEſus; es iſt doch ein GOtt
und Vatter der dem Suͤnder gern vom Tod zum Leben hilfft; es iſt
doch ein Hoher-Prieſter, und ein Blut der Verſoͤhnung; es iſt doch
ein Seligmacher, der ein HERR iſt uͤber Suͤnd, Tod, Teufel und Hoͤll,
und der eben um der Bußfertigen, und wegen ihren Suͤnden bekuͤm-
merten, und immer wider ſie mit allem Ernſt ſtreitenden, ja gern uͤber
ſie herrſchenden und triumphierenden Suͤnderen willen in die Welt
kommen, damit Er ihnen zu ewiger Gerechtigkeit und Leben verhelffe;
daß ich ein Suͤnder ſey, das weiß ich, und fuͤhle es nur zu wohl, und darff
nicht erſt warten biß mirs der Teufel ſage, dem nur dieſes wehe thut, daß
ich nicht ein Suͤnder bleiben will, und verweißt mir nur das, was ich haſ-
ſe, und er hingegen liebet: woran mir ecklet, und er hingegen Luſt hat;
daß ich aber ein Menſch ſeye, der GOttes Sohn zum Bruder habe,
darf ich nur nach der Naſen greiffen, ſo ſehe ichs ſchon, dann ich habe ja
Leib und Seel; und davon zeuget die gantze H. Schrifft, daß JEſus ſie
retten wolle; Darum Er auch an Seel und Leib gelitten hat.

Das neunte Capitel.Noͤthige
Erinne-
rung fuͤr
die in ihrer
Bosheit
Unbußfer-
tige,

Nutz zur noͤthigen Erinnerung an Unbußfertige ſo wohl als Bußfertige.

§. 1. Wir haben aber annoch eine noͤthige Erinnerung aus den Worten
des Texts zu nehmen;

Hier
N n n 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0565" n="469"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">liegende Wein-Trauben.</hi></fw><lb/>
Gnad &#x017F;o hoch, &#x017F;o herrlich, &#x017F;o &#x017F;elt&#x017F;am und wunderbar, die der Lie-<lb/>
be JE&#x017F;u zu viel wa&#x0364;re dir zu geben; darum &#x017F;iehe doch nur auf ihne, &#x017F;o<lb/>
wir&#x017F;t du nicht matt werden, noch den Muth fallen la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>§. 28. Aber da muß der Glaube das be&#x017F;te thun; dann &#x017F;o lang &#x017F;ich die<note place="right">wann<lb/>
man ihne<lb/>
im Glau-<lb/>
ben fa&#x017F;&#x017F;et.</note><lb/>
Su&#x0364;nd in der Seelen reget, und der Men&#x017F;ch nichts in &#x017F;ich findet,<lb/>
als Zorn, Hochmuth, Haß, Unreinigkeit, Welt-Sinn und Geld-<lb/>
Liebe, &#x017F;o dunckts ihn ein unmo&#x0364;glich Ding zu &#x017F;eyn, daß er jemahlen Chri-<lb/>
&#x017F;ti Bild in &#x017F;ich empfangen &#x017F;olte, und durch &#x017F;eine Krafft ein neuer Men&#x017F;ch<lb/>
werden; ja er vernimmt gar nichts von der Stimm des Bra&#x0364;utigams<lb/>
unter dem Gera&#x0364;u&#x017F;ch und Getu&#x0364;mmel, &#x017F;o Su&#x0364;nd, Tod, Teufel und Flei&#x017F;ch<lb/>
durch einander machen, ob er gleich alles anwendet etwas vom Heyl<lb/>
und Erlo&#x0364;&#x017F;ung zu vernehmen; da weißt der arme Men&#x017F;ch offt nicht ob<lb/>
die Gnaden-Sonne JE&#x017F;us, oder aber der Su&#x0364;nden-Nebel werde die<lb/>
Oberhand gewinnen; &#x017F;o fichtet das auch offt lang mit einander. Jn<lb/>
&#x017F;olchem Zu&#x017F;tand nun muß der Men&#x017F;ch immer dem Teufel und &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
wider&#x017F;prechen, und &#x017F;agen: Es i&#x017F;t doch ein JE&#x017F;us; es i&#x017F;t doch ein GOtt<lb/>
und Vatter der dem Su&#x0364;nder gern vom Tod zum Leben hilfft; es i&#x017F;t<lb/>
doch ein Hoher-Prie&#x017F;ter, und ein Blut der Ver&#x017F;o&#x0364;hnung; es i&#x017F;t doch<lb/>
ein Seligmacher, der ein HERR i&#x017F;t u&#x0364;ber Su&#x0364;nd, Tod, Teufel und Ho&#x0364;ll,<lb/>
und der eben um der Bußfertigen, und wegen ihren Su&#x0364;nden beku&#x0364;m-<lb/>
merten, und immer wider &#x017F;ie mit allem Ern&#x017F;t &#x017F;treitenden, ja gern u&#x0364;ber<lb/>
&#x017F;ie herr&#x017F;chenden und triumphierenden Su&#x0364;nderen willen in die Welt<lb/>
kommen, damit Er ihnen zu ewiger Gerechtigkeit und Leben verhelffe;<lb/>
daß ich ein Su&#x0364;nder &#x017F;ey, das weiß ich, und fu&#x0364;hle es nur zu wohl, und darff<lb/>
nicht er&#x017F;t warten biß mirs der Teufel &#x017F;age, dem nur die&#x017F;es wehe thut, daß<lb/>
ich nicht ein Su&#x0364;nder bleiben will, und verweißt mir nur das, was ich ha&#x017F;-<lb/>
&#x017F;e, und er hingegen liebet: woran mir ecklet, und er hingegen Lu&#x017F;t hat;<lb/>
daß ich aber ein Men&#x017F;ch &#x017F;eye, der GOttes Sohn zum Bruder habe,<lb/>
darf ich nur nach der Na&#x017F;en greiffen, &#x017F;o &#x017F;ehe ichs &#x017F;chon, dann ich habe ja<lb/>
Leib und Seel; und davon zeuget die gantze H. Schrifft, daß JE&#x017F;us &#x017F;ie<lb/>
retten wolle; Darum Er auch an Seel und Leib gelitten hat.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Das neunte Capitel.</hi> <note place="right">No&#x0364;thige<lb/>
Erinne-<lb/>
rung fu&#x0364;r<lb/>
die in ihrer<lb/>
Bosheit<lb/>
Unbußfer-<lb/>
tige,</note><lb/> <hi rendition="#fr">Nutz zur no&#x0364;thigen Erinnerung an Unbußfertige &#x017F;o wohl als Bußfertige.</hi> </head><lb/>
          <p>§. 1. Wir haben aber annoch eine no&#x0364;thige Erinnerung aus den Worten<lb/>
des Texts zu nehmen;</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">N n n 3</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Hier</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[469/0565] liegende Wein-Trauben. Gnad ſo hoch, ſo herrlich, ſo ſeltſam und wunderbar, die der Lie- be JEſu zu viel waͤre dir zu geben; darum ſiehe doch nur auf ihne, ſo wirſt du nicht matt werden, noch den Muth fallen laſſen. §. 28. Aber da muß der Glaube das beſte thun; dann ſo lang ſich die Suͤnd in der Seelen reget, und der Menſch nichts in ſich findet, als Zorn, Hochmuth, Haß, Unreinigkeit, Welt-Sinn und Geld- Liebe, ſo dunckts ihn ein unmoͤglich Ding zu ſeyn, daß er jemahlen Chri- ſti Bild in ſich empfangen ſolte, und durch ſeine Krafft ein neuer Menſch werden; ja er vernimmt gar nichts von der Stimm des Braͤutigams unter dem Geraͤuſch und Getuͤmmel, ſo Suͤnd, Tod, Teufel und Fleiſch durch einander machen, ob er gleich alles anwendet etwas vom Heyl und Erloͤſung zu vernehmen; da weißt der arme Menſch offt nicht ob die Gnaden-Sonne JEſus, oder aber der Suͤnden-Nebel werde die Oberhand gewinnen; ſo fichtet das auch offt lang mit einander. Jn ſolchem Zuſtand nun muß der Menſch immer dem Teufel und ſich ſelbſt widerſprechen, und ſagen: Es iſt doch ein JEſus; es iſt doch ein GOtt und Vatter der dem Suͤnder gern vom Tod zum Leben hilfft; es iſt doch ein Hoher-Prieſter, und ein Blut der Verſoͤhnung; es iſt doch ein Seligmacher, der ein HERR iſt uͤber Suͤnd, Tod, Teufel und Hoͤll, und der eben um der Bußfertigen, und wegen ihren Suͤnden bekuͤm- merten, und immer wider ſie mit allem Ernſt ſtreitenden, ja gern uͤber ſie herrſchenden und triumphierenden Suͤnderen willen in die Welt kommen, damit Er ihnen zu ewiger Gerechtigkeit und Leben verhelffe; daß ich ein Suͤnder ſey, das weiß ich, und fuͤhle es nur zu wohl, und darff nicht erſt warten biß mirs der Teufel ſage, dem nur dieſes wehe thut, daß ich nicht ein Suͤnder bleiben will, und verweißt mir nur das, was ich haſ- ſe, und er hingegen liebet: woran mir ecklet, und er hingegen Luſt hat; daß ich aber ein Menſch ſeye, der GOttes Sohn zum Bruder habe, darf ich nur nach der Naſen greiffen, ſo ſehe ichs ſchon, dann ich habe ja Leib und Seel; und davon zeuget die gantze H. Schrifft, daß JEſus ſie retten wolle; Darum Er auch an Seel und Leib gelitten hat. wann man ihne im Glau- ben faſſet. Das neunte Capitel. Nutz zur noͤthigen Erinnerung an Unbußfertige ſo wohl als Bußfertige. §. 1. Wir haben aber annoch eine noͤthige Erinnerung aus den Worten des Texts zu nehmen; Hier N n n 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/565
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 469. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/565>, abgerufen am 29.03.2024.