Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite

über die himmlische Perle.
gierte und triebe sie der H. Geist sanfftiglich, daß sie ihr übriges Leben
GOtt vollkommlich widmeten. Als Augustinus diese Geschicht von
Potitian erzehlen hörte, wurd er so gerührt, daß er ausrieffe:
"Was? Die Layen stehen auf und reissen den Himmel zu sich, und wir
"mit aller unser Wissenschafft weltzen uns im Fleisch und Blut;
"Was bleiben wir zurück? Was schämen wir uns ihnen nachzu-
"folgen?

Was also nach reiffer Uberlegung geschicht ist insgemein viel daur-
haffter, dann mitten unter solchen Betrachtungen würcket der GOtt
unsers HErren JEsu Christi, der Vatter der Herrlichkeit und schen-
cket den Geist der Weißheit und der Offenbahrung zu seiner Selbst-
Erkanntnuß, und gibt erleuchtete Augen deß Verstands zu erkennen,
welches da sey die Hoffnung unsers Beruffs und der Reichthum des
Erbs der Herrlichkeit an allen Heiligen a, also daß der Mensch weiß,
was Christus und die Kirch werth seye, wie hoch sie vor GOtt geachtet
seye. Wer Christi Sinn hat, prüffet alles und behaltet das Gute und
unterscheidet Buchstaben und Geist, Schein und Wesen wohl von
einander.

Das eilffte Capitel.
Wie ein Sucher des Himmelreichs sein Sach ferner anstelle und sich be-
reite des Schatzes habhafft zu werden.

§. 1. Unter dieser Wolcken- und Feur-Säule gehet nun unser Kauff-Ein rech-
ter Christ
verläug-
net alles.

mann hin, bedenckt das Gegenwärtige, wie kurtz alle sichtbahre Dinge
währen, welche erstaunliche Veränderungen zu letzt hintennach kom-
men, darum macht er sich auf und verkaufft darüber alles, wie heute
noch die Holländer ihre Land-Güter und alles zu Geld machen, in Ost-
Jndien schiffen und grosses Gewerb treiben, also muß der geistliche
Kauffmann sein Hertz von allem abziehen, befreyen, allem absagen und es
verlaugnen als Schlacken und Schaum; Wann er etwas kaufft, so muß
er ihm seyn lassen als besässe ers nicht, und weil jedermann dieser Welt
brauchen muß, so hütet er sich, daß er derselben nicht mißbrauche b, und
wann ihn etwas in seinem Lauff nach der ewigen Gnaden-See hindern
will, so wirfft ers weg; Er reißt aus das rechte Aug, so nach Ost- und

West,
a Eph. I. 17-19.
b 1 Cor. VII. 31.
L l l l l 2

uͤber die himmliſche Perle.
gierte und triebe ſie der H. Geiſt ſanfftiglich, daß ſie ihr uͤbriges Leben
GOtt vollkommlich widmeten. Als Auguſtinus dieſe Geſchicht von
Potitian erzehlen hoͤrte, wurd er ſo geruͤhrt, daß er ausrieffe:
„Was? Die Layen ſtehen auf und reiſſen den Himmel zu ſich, und wir
„mit aller unſer Wiſſenſchafft weltzen uns im Fleiſch und Blut;
„Was bleiben wir zuruͤck? Was ſchaͤmen wir uns ihnen nachzu-
„folgen?

Was alſo nach reiffer Uberlegung geſchicht iſt insgemein viel daur-
haffter, dann mitten unter ſolchen Betrachtungen wuͤrcket der GOtt
unſers HErren JEſu Chriſti, der Vatter der Herrlichkeit und ſchen-
cket den Geiſt der Weißheit und der Offenbahrung zu ſeiner Selbſt-
Erkanntnuß, und gibt erleuchtete Augen deß Verſtands zu erkennen,
welches da ſey die Hoffnung unſers Beruffs und der Reichthum des
Erbs der Herrlichkeit an allen Heiligen a, alſo daß der Menſch weiß,
was Chriſtus und die Kirch werth ſeye, wie hoch ſie vor GOtt geachtet
ſeye. Wer Chriſti Sinn hat, pruͤffet alles und behaltet das Gute und
unterſcheidet Buchſtaben und Geiſt, Schein und Weſen wohl von
einander.

Das eilffte Capitel.
Wie ein Sucher des Himmelreichs ſein Sach ferner anſtelle und ſich be-
reite des Schatzes habhafft zu werden.

§. 1. Unter dieſer Wolcken- und Feur-Saͤule gehet nun unſer Kauff-Ein rech-
ter Chriſt
verlaͤug-
net alles.

mann hin, bedenckt das Gegenwaͤrtige, wie kurtz alle ſichtbahre Dinge
waͤhren, welche erſtaunliche Veraͤnderungen zu letzt hintennach kom-
men, darum macht er ſich auf und verkaufft daruͤber alles, wie heute
noch die Hollaͤnder ihre Land-Guͤter und alles zu Geld machen, in Oſt-
Jndien ſchiffen und groſſes Gewerb treiben, alſo muß der geiſtliche
Kauffmann ſein Hertz von allem abziehen, befreyen, allem abſagen und es
verlaugnen als Schlacken und Schaum; Wann er etwas kaufft, ſo muß
er ihm ſeyn laſſen als beſaͤſſe ers nicht, und weil jedermann dieſer Welt
brauchen muß, ſo huͤtet er ſich, daß er derſelben nicht mißbrauche b, und
wann ihn etwas in ſeinem Lauff nach der ewigen Gnaden-See hindern
will, ſo wirfft ers weg; Er reißt aus das rechte Aug, ſo nach Oſt- und

Weſt,
a Eph. I. 17-19.
b 1 Cor. VII. 31.
L l l l l 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0915" n="819"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">u&#x0364;ber die himmli&#x017F;che Perle.</hi></fw><lb/>
gierte und triebe &#x017F;ie der H. Gei&#x017F;t &#x017F;anfftiglich, daß &#x017F;ie ihr u&#x0364;briges Leben<lb/>
GOtt vollkommlich widmeten. Als Augu&#x017F;tinus die&#x017F;e Ge&#x017F;chicht von<lb/>
Potitian erzehlen ho&#x0364;rte, wurd er &#x017F;o geru&#x0364;hrt, daß er ausrieffe:<lb/>
&#x201E;Was? Die Layen &#x017F;tehen auf und rei&#x017F;&#x017F;en den Himmel zu &#x017F;ich, und wir<lb/>
&#x201E;mit aller un&#x017F;er Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafft weltzen uns im Flei&#x017F;ch und Blut;<lb/>
&#x201E;Was bleiben wir zuru&#x0364;ck? Was &#x017F;cha&#x0364;men wir uns ihnen nachzu-<lb/>
&#x201E;folgen?</p><lb/>
          <p>Was al&#x017F;o nach reiffer Uberlegung ge&#x017F;chicht i&#x017F;t insgemein viel daur-<lb/>
haffter, dann mitten unter &#x017F;olchen Betrachtungen wu&#x0364;rcket der GOtt<lb/>
un&#x017F;ers HErren JE&#x017F;u Chri&#x017F;ti, der Vatter der Herrlichkeit und &#x017F;chen-<lb/>
cket den Gei&#x017F;t der Weißheit und der Offenbahrung zu &#x017F;einer Selb&#x017F;t-<lb/>
Erkanntnuß, und gibt erleuchtete Augen deß Ver&#x017F;tands zu erkennen,<lb/>
welches da &#x017F;ey die Hoffnung un&#x017F;ers Beruffs und der Reichthum des<lb/>
Erbs der Herrlichkeit an allen Heiligen <note place="foot" n="a"><hi rendition="#aq">Eph. I.</hi> 17-19.</note>, al&#x017F;o daß der Men&#x017F;ch weiß,<lb/>
was Chri&#x017F;tus und die Kirch werth &#x017F;eye, wie hoch &#x017F;ie vor GOtt geachtet<lb/>
&#x017F;eye. Wer Chri&#x017F;ti Sinn hat, pru&#x0364;ffet alles und behaltet das Gute und<lb/>
unter&#x017F;cheidet Buch&#x017F;taben und Gei&#x017F;t, Schein und We&#x017F;en wohl von<lb/>
einander.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Das eilffte Capitel.</hi><lb/> <hi rendition="#fr">Wie ein Sucher des Himmelreichs &#x017F;ein Sach ferner an&#x017F;telle und &#x017F;ich be-<lb/>
reite des Schatzes habhafft zu werden.</hi> </head><lb/>
          <p>§. 1. Unter die&#x017F;er Wolcken- und Feur-Sa&#x0364;ule gehet nun un&#x017F;er Kauff-<note place="right">Ein rech-<lb/>
ter Chri&#x017F;t<lb/>
verla&#x0364;ug-<lb/>
net alles.</note><lb/>
mann hin, bedenckt das Gegenwa&#x0364;rtige, wie kurtz alle &#x017F;ichtbahre Dinge<lb/>
wa&#x0364;hren, welche er&#x017F;taunliche Vera&#x0364;nderungen zu letzt hintennach kom-<lb/>
men, darum macht er &#x017F;ich auf und verkaufft daru&#x0364;ber alles, wie heute<lb/>
noch die Holla&#x0364;nder ihre Land-Gu&#x0364;ter und alles zu Geld machen, in O&#x017F;t-<lb/>
Jndien &#x017F;chiffen und gro&#x017F;&#x017F;es Gewerb treiben, al&#x017F;o muß der gei&#x017F;tliche<lb/>
Kauffmann &#x017F;ein Hertz von allem abziehen, befreyen, allem ab&#x017F;agen und es<lb/>
verlaugnen als Schlacken und Schaum; Wann er etwas kaufft, &#x017F;o muß<lb/>
er ihm &#x017F;eyn la&#x017F;&#x017F;en als be&#x017F;a&#x0364;&#x017F;&#x017F;e ers nicht, und weil jedermann die&#x017F;er Welt<lb/>
brauchen muß, &#x017F;o hu&#x0364;tet er &#x017F;ich, daß er der&#x017F;elben nicht mißbrauche <note place="foot" n="b">1 <hi rendition="#aq">Cor. VII.</hi> 31.</note>, und<lb/>
wann ihn etwas in &#x017F;einem Lauff nach der ewigen Gnaden-See hindern<lb/>
will, &#x017F;o wirfft ers weg; Er reißt aus das rechte Aug, &#x017F;o nach O&#x017F;t- und<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">L l l l l 2</fw><fw place="bottom" type="catch">We&#x017F;t,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[819/0915] uͤber die himmliſche Perle. gierte und triebe ſie der H. Geiſt ſanfftiglich, daß ſie ihr uͤbriges Leben GOtt vollkommlich widmeten. Als Auguſtinus dieſe Geſchicht von Potitian erzehlen hoͤrte, wurd er ſo geruͤhrt, daß er ausrieffe: „Was? Die Layen ſtehen auf und reiſſen den Himmel zu ſich, und wir „mit aller unſer Wiſſenſchafft weltzen uns im Fleiſch und Blut; „Was bleiben wir zuruͤck? Was ſchaͤmen wir uns ihnen nachzu- „folgen? Was alſo nach reiffer Uberlegung geſchicht iſt insgemein viel daur- haffter, dann mitten unter ſolchen Betrachtungen wuͤrcket der GOtt unſers HErren JEſu Chriſti, der Vatter der Herrlichkeit und ſchen- cket den Geiſt der Weißheit und der Offenbahrung zu ſeiner Selbſt- Erkanntnuß, und gibt erleuchtete Augen deß Verſtands zu erkennen, welches da ſey die Hoffnung unſers Beruffs und der Reichthum des Erbs der Herrlichkeit an allen Heiligen a, alſo daß der Menſch weiß, was Chriſtus und die Kirch werth ſeye, wie hoch ſie vor GOtt geachtet ſeye. Wer Chriſti Sinn hat, pruͤffet alles und behaltet das Gute und unterſcheidet Buchſtaben und Geiſt, Schein und Weſen wohl von einander. Das eilffte Capitel. Wie ein Sucher des Himmelreichs ſein Sach ferner anſtelle und ſich be- reite des Schatzes habhafft zu werden. §. 1. Unter dieſer Wolcken- und Feur-Saͤule gehet nun unſer Kauff- mann hin, bedenckt das Gegenwaͤrtige, wie kurtz alle ſichtbahre Dinge waͤhren, welche erſtaunliche Veraͤnderungen zu letzt hintennach kom- men, darum macht er ſich auf und verkaufft daruͤber alles, wie heute noch die Hollaͤnder ihre Land-Guͤter und alles zu Geld machen, in Oſt- Jndien ſchiffen und groſſes Gewerb treiben, alſo muß der geiſtliche Kauffmann ſein Hertz von allem abziehen, befreyen, allem abſagen und es verlaugnen als Schlacken und Schaum; Wann er etwas kaufft, ſo muß er ihm ſeyn laſſen als beſaͤſſe ers nicht, und weil jedermann dieſer Welt brauchen muß, ſo huͤtet er ſich, daß er derſelben nicht mißbrauche b, und wann ihn etwas in ſeinem Lauff nach der ewigen Gnaden-See hindern will, ſo wirfft ers weg; Er reißt aus das rechte Aug, ſo nach Oſt- und Weſt, Ein rech- ter Chriſt verlaͤug- net alles. a Eph. I. 17-19. b 1 Cor. VII. 31. L l l l l 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/915
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 819. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/915>, abgerufen am 28.03.2024.