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Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747.

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der Verführung der Jugend.
dammte, verlohrne Sünder kämen, das gantze
vollkommene Heil bey ihme zu suchen: Sie fühlen
weder ihr tieffes Elend, noch wie süß, wie starck,
wie allmächtig, wie heilig, wie gut und welch ein
mittheilendes und wohlthuendes Wesen JEsus
seye. Es ist ihnen darum auch die Predigt des
Evangeliums, nicht nur nicht ein Paradies mit
denen allerköstlichsten Heils-Früchten und Blumen
aus dem obern Himmels-Eden besetzet; sondern
vielmehr eine Geheul-volle Einöde, ein tödtliches
Land: Anstatt dieser Heil-Brunnen ihnen ein süs-
ser Himmels-Most seyn sollte; so hat Satanas
ihren Gaumen dermassen bezaubert und verderbet,
daß es sie nicht einmal gelüstet, etwas davon zu ko-
sten, und sie von denen Trauben des Göttlichen
Weinstocks nicht eine Beere abzurupffen (abzu-
pflicken) begehren.

§. 3.

Weil nun den Eltern gröstentheils um nichts
wenigers als um JEsum und das Heil ihrer eige-
nen Seelen zu thun ist; so bleiben sie folglich auch
der Seelen halben ihrer Kinder gantz unbeküm-
mert. Dann da die natürliche Liebe zu Kindern,
ihnen gern ein solches Gut gönnet und verschaffet,
so sie selber kennen, lieben und hoch schätzen; sie die
Elteru aber von keiner andern wahren Glückselig-
keit wissen wollen, als wie sie viel Geld haben, in
hoher Ehre und Gunst der Welt schweben, in al-
lem Uberfluß, Pracht und Gemächlichkeit des Flei-
sches schwimmen, alle neben sich übersteigen, durch

argli-
F 2

der Verfuͤhrung der Jugend.
dammte, verlohrne Suͤnder kaͤmen, das gantze
vollkommene Heil bey ihme zu ſuchen: Sie fuͤhlen
weder ihr tieffes Elend, noch wie ſuͤß, wie ſtarck,
wie allmaͤchtig, wie heilig, wie gut und welch ein
mittheilendes und wohlthuendes Weſen JEſus
ſeye. Es iſt ihnen darum auch die Predigt des
Evangeliums, nicht nur nicht ein Paradies mit
denen allerkoͤſtlichſten Heils-Fruͤchten und Blumen
aus dem obern Himmels-Eden beſetzet; ſondern
vielmehr eine Geheul-volle Einoͤde, ein toͤdtliches
Land: Anſtatt dieſer Heil-Brunnen ihnen ein ſuͤſ-
ſer Himmels-Moſt ſeyn ſollte; ſo hat Satanas
ihren Gaumen dermaſſen bezaubert und verderbet,
daß es ſie nicht einmal geluͤſtet, etwas davon zu ko-
ſten, und ſie von denen Trauben des Goͤttlichen
Weinſtocks nicht eine Beere abzurupffen (abzu-
pflicken) begehren.

§. 3.

Weil nun den Eltern groͤſtentheils um nichts
wenigers als um JEſum und das Heil ihrer eige-
nen Seelen zu thun iſt; ſo bleiben ſie folglich auch
der Seelen halben ihrer Kinder gantz unbekuͤm-
mert. Dann da die natuͤrliche Liebe zu Kindern,
ihnen gern ein ſolches Gut goͤnnet und verſchaffet,
ſo ſie ſelber kennen, lieben und hoch ſchaͤtzen; ſie die
Elteru aber von keiner andern wahren Gluͤckſelig-
keit wiſſen wollen, als wie ſie viel Geld haben, in
hoher Ehre und Gunſt der Welt ſchweben, in al-
lem Uberfluß, Pracht und Gemaͤchlichkeit des Flei-
ſches ſchwimmen, alle neben ſich uͤberſteigen, durch

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[83/0101] der Verfuͤhrung der Jugend. dammte, verlohrne Suͤnder kaͤmen, das gantze vollkommene Heil bey ihme zu ſuchen: Sie fuͤhlen weder ihr tieffes Elend, noch wie ſuͤß, wie ſtarck, wie allmaͤchtig, wie heilig, wie gut und welch ein mittheilendes und wohlthuendes Weſen JEſus ſeye. Es iſt ihnen darum auch die Predigt des Evangeliums, nicht nur nicht ein Paradies mit denen allerkoͤſtlichſten Heils-Fruͤchten und Blumen aus dem obern Himmels-Eden beſetzet; ſondern vielmehr eine Geheul-volle Einoͤde, ein toͤdtliches Land: Anſtatt dieſer Heil-Brunnen ihnen ein ſuͤſ- ſer Himmels-Moſt ſeyn ſollte; ſo hat Satanas ihren Gaumen dermaſſen bezaubert und verderbet, daß es ſie nicht einmal geluͤſtet, etwas davon zu ko- ſten, und ſie von denen Trauben des Goͤttlichen Weinſtocks nicht eine Beere abzurupffen (abzu- pflicken) begehren. §. 3. Weil nun den Eltern groͤſtentheils um nichts wenigers als um JEſum und das Heil ihrer eige- nen Seelen zu thun iſt; ſo bleiben ſie folglich auch der Seelen halben ihrer Kinder gantz unbekuͤm- mert. Dann da die natuͤrliche Liebe zu Kindern, ihnen gern ein ſolches Gut goͤnnet und verſchaffet, ſo ſie ſelber kennen, lieben und hoch ſchaͤtzen; ſie die Elteru aber von keiner andern wahren Gluͤckſelig- keit wiſſen wollen, als wie ſie viel Geld haben, in hoher Ehre und Gunſt der Welt ſchweben, in al- lem Uberfluß, Pracht und Gemaͤchlichkeit des Flei- ſches ſchwimmen, alle neben ſich uͤberſteigen, durch argli- F 2

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/101>, abgerufen am 25.04.2024.