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Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747.

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Cap. 2. Die zweyte Quelle
nem noch so zarten Kind ein: Gelegenheit ward,
daß der Vater, der bis dahin zwar ein ehrbarer
Mann gewesen, aber um das Ewige sich wenig
bekümmert hatte, mit Ernst sich zu GOTT be-
kehrte, Dieses Kind betrübte sich überaus, wann
es sahe, daß jemand mit seinem Vater unnütz Ge-
spräch führte, und beklagte seine Eltern hertzlich,
wann es an denenselben etwas wahrnahme, wel-
ches seinem Urtheil nach, nicht die Ehre GOttes
vermehrete.

§. 27.

Diß alles nun, mein Hertzens-Kind, ist dir
allerdings nöthig, woferne du nicht durch das böse
Exempel deiner Eltern geblendet, geschwächet, ja
wohl gar von ihrer beydseitigen Verderbniß er-
griffen und hingerissen werden willst, so, wie du es
selber etwa befürchtest. Massen ein träger, leicht-
sinniger Mensch den gehabten hitzigen Eiffer bald
abkühlet, wie wann man ein heisses Geträncke un-
ter Eiß-Schollen setzet; sonderlich wann es Leute
sind, denen du natürliche Ehrerbietung und Unter-
thänigkeit schuldig bist. Man hat nur allzu viel
betrübte Exempel solcher unseligen Kindern, welche
schon hart an der Pforte des Lebens gestanden und
der Süßigkeiten des Himmels in der Liebe JE-
su würcklich genossen hatten, von ihren Eltern aber
noch an ihren Seelen ermordet und ins ewige Ver-
derben gestürtzet worden. Ach wie bald vermögen
die Schmeicheleyen ein ungeübtes Kind in die vo-
rige Sicherheit wieder einzuwiegen; zumahlen da

die

Cap. 2. Die zweyte Quelle
nem noch ſo zarten Kind ein: Gelegenheit ward,
daß der Vater, der bis dahin zwar ein ehrbarer
Mann geweſen, aber um das Ewige ſich wenig
bekuͤmmert hatte, mit Ernſt ſich zu GOTT be-
kehrte, Dieſes Kind betruͤbte ſich uͤberaus, wann
es ſahe, daß jemand mit ſeinem Vater unnuͤtz Ge-
ſpraͤch fuͤhrte, und beklagte ſeine Eltern hertzlich,
wann es an denenſelben etwas wahrnahme, wel-
ches ſeinem Urtheil nach, nicht die Ehre GOttes
vermehrete.

§. 27.

Diß alles nun, mein Hertzens-Kind, iſt dir
allerdings noͤthig, woferne du nicht durch das boͤſe
Exempel deiner Eltern geblendet, geſchwaͤchet, ja
wohl gar von ihrer beydſeitigen Verderbniß er-
griffen und hingeriſſen werden willſt, ſo, wie du es
ſelber etwa befuͤrchteſt. Maſſen ein traͤger, leicht-
ſinniger Menſch den gehabten hitzigen Eiffer bald
abkuͤhlet, wie wann man ein heiſſes Getraͤncke un-
ter Eiß-Schollen ſetzet; ſonderlich wann es Leute
ſind, denen du natuͤrliche Ehrerbietung und Unter-
thaͤnigkeit ſchuldig biſt. Man hat nur allzu viel
betruͤbte Exempel ſolcher unſeligen Kindern, welche
ſchon hart an der Pforte des Lebens geſtanden und
der Suͤßigkeiten des Himmels in der Liebe JE-
ſu wuͤrcklich genoſſen hatten, von ihren Eltern aber
noch an ihren Seelen ermordet und ins ewige Ver-
derben geſtuͤrtzet worden. Ach wie bald vermoͤgen
die Schmeicheleyen ein ungeuͤbtes Kind in die vo-
rige Sicherheit wieder einzuwiegen; zumahlen da

die
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[130/0148] Cap. 2. Die zweyte Quelle nem noch ſo zarten Kind ein: Gelegenheit ward, daß der Vater, der bis dahin zwar ein ehrbarer Mann geweſen, aber um das Ewige ſich wenig bekuͤmmert hatte, mit Ernſt ſich zu GOTT be- kehrte, Dieſes Kind betruͤbte ſich uͤberaus, wann es ſahe, daß jemand mit ſeinem Vater unnuͤtz Ge- ſpraͤch fuͤhrte, und beklagte ſeine Eltern hertzlich, wann es an denenſelben etwas wahrnahme, wel- ches ſeinem Urtheil nach, nicht die Ehre GOttes vermehrete. §. 27. Diß alles nun, mein Hertzens-Kind, iſt dir allerdings noͤthig, woferne du nicht durch das boͤſe Exempel deiner Eltern geblendet, geſchwaͤchet, ja wohl gar von ihrer beydſeitigen Verderbniß er- griffen und hingeriſſen werden willſt, ſo, wie du es ſelber etwa befuͤrchteſt. Maſſen ein traͤger, leicht- ſinniger Menſch den gehabten hitzigen Eiffer bald abkuͤhlet, wie wann man ein heiſſes Getraͤncke un- ter Eiß-Schollen ſetzet; ſonderlich wann es Leute ſind, denen du natuͤrliche Ehrerbietung und Unter- thaͤnigkeit ſchuldig biſt. Man hat nur allzu viel betruͤbte Exempel ſolcher unſeligen Kindern, welche ſchon hart an der Pforte des Lebens geſtanden und der Suͤßigkeiten des Himmels in der Liebe JE- ſu wuͤrcklich genoſſen hatten, von ihren Eltern aber noch an ihren Seelen ermordet und ins ewige Ver- derben geſtuͤrtzet worden. Ach wie bald vermoͤgen die Schmeicheleyen ein ungeuͤbtes Kind in die vo- rige Sicherheit wieder einzuwiegen; zumahlen da die

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/148>, abgerufen am 29.03.2024.