Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747.

Bild:
<< vorherige Seite

der Verführung der Jugend.
sprechen würde: Dieser vergißt alles empfangenen
Guten, verschmähet die grosse Verheissung, läßt sich
von seines Herrn abgesagtem Feind leichtsinnig ver-
führen, wird treulos, fallt ab, und geräth in grosse
Noth, fasset auch eine solche Feindschafft wider sei-
nen Herrn, daß er denselben, wann es in seiner
Macht stünde, wohl umbringen möchte, gedenckt
an keine Wiederaufrichtung der vorigen seligen
Freundschafft, und handelt in allen Dingen ver-
kehrt. Dieser Monarch ist GOtt der Vater, und
dieser beharret in seinem Vorhaben, den abtrünni-
gen undanckbarsten Rebellen höchst-selig zu ma-
chen, und opffert selbsten seinen Cron-Printzen auf,
um seinen Liebes-Zweck erreichen zu können, und
machet erstaunliche und unaussprechliche Anstalten,
vollziehet auch dieselbe gerne an dir und mir, ob wir
aus einem verwirrten, unruhigen Quaal-Leben in
ein wohlgeordnetes Frieden-reiches Wesen der rei-
nen Lichts-Welt versetzet werden möchten. Wir
wollten aber, anstatt eines demüthigen Dancks, nur
das heraus klauben, warum er uns auf die Probe
gesetzet? Warum in Oerter und Gesellschafften
kommen lassen, die uns zum Abfall veranlasset?
Warum er die Verführung nicht gehindert? etc.
Wären wir nicht unsinnig? Wäre das nicht ein
Zeichen, daß wir keinen Frieden begehrten?

§. 10.

Du fragst: Kan mich dann nicht die
Freyheit zum Bösen verleiten? Jch habe
dermahlen grosse Freyheit/ werde von

nie-

der Verfuͤhrung der Jugend.
ſprechen wuͤrde: Dieſer vergißt alles empfangenen
Guten, verſchmaͤhet die groſſe Verheiſſung, laͤßt ſich
von ſeines Herrn abgeſagtem Feind leichtſinnig ver-
fuͤhren, wird treulos, fallt ab, und geraͤth in groſſe
Noth, faſſet auch eine ſolche Feindſchafft wider ſei-
nen Herrn, daß er denſelben, wann es in ſeiner
Macht ſtuͤnde, wohl umbringen moͤchte, gedenckt
an keine Wiederaufrichtung der vorigen ſeligen
Freundſchafft, und handelt in allen Dingen ver-
kehrt. Dieſer Monarch iſt GOtt der Vater, und
dieſer beharret in ſeinem Vorhaben, den abtruͤnni-
gen undanckbarſten Rebellen hoͤchſt-ſelig zu ma-
chen, und opffert ſelbſten ſeinen Cron-Printzen auf,
um ſeinen Liebes-Zweck erreichen zu koͤnnen, und
machet erſtaunliche und unausſprechliche Anſtalten,
vollziehet auch dieſelbe gerne an dir und mir, ob wir
aus einem verwirrten, unruhigen Quaal-Leben in
ein wohlgeordnetes Frieden-reiches Weſen der rei-
nen Lichts-Welt verſetzet werden moͤchten. Wir
wollten aber, anſtatt eines demuͤthigen Dancks, nur
das heraus klauben, warum er uns auf die Probe
geſetzet? Warum in Oerter und Geſellſchafften
kommen laſſen, die uns zum Abfall veranlaſſet?
Warum er die Verfuͤhrung nicht gehindert? ꝛc.
Waͤren wir nicht unſinnig? Waͤre das nicht ein
Zeichen, daß wir keinen Frieden begehrten?

§. 10.

Du fragſt: Kan mich dann nicht die
Freyheit zum Boͤſen verleiten? Jch habe
dermahlen groſſe Freyheit/ werde von

nie-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0399" n="381"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der Verfu&#x0364;hrung der Jugend.</hi></fw><lb/>
&#x017F;prechen wu&#x0364;rde: Die&#x017F;er vergißt alles empfangenen<lb/>
Guten, ver&#x017F;chma&#x0364;het die gro&#x017F;&#x017F;e Verhei&#x017F;&#x017F;ung, la&#x0364;ßt &#x017F;ich<lb/>
von &#x017F;eines Herrn abge&#x017F;agtem Feind leicht&#x017F;innig ver-<lb/>
fu&#x0364;hren, wird treulos, fallt ab, und gera&#x0364;th in gro&#x017F;&#x017F;e<lb/>
Noth, fa&#x017F;&#x017F;et auch eine &#x017F;olche Feind&#x017F;chafft wider &#x017F;ei-<lb/>
nen Herrn, daß er den&#x017F;elben, wann es in &#x017F;einer<lb/>
Macht &#x017F;tu&#x0364;nde, wohl umbringen mo&#x0364;chte, gedenckt<lb/>
an keine Wiederaufrichtung der vorigen &#x017F;eligen<lb/>
Freund&#x017F;chafft, und handelt in allen Dingen ver-<lb/>
kehrt. Die&#x017F;er Monarch i&#x017F;t GOtt der Vater, und<lb/>
die&#x017F;er beharret in &#x017F;einem Vorhaben, den abtru&#x0364;nni-<lb/>
gen undanckbar&#x017F;ten Rebellen ho&#x0364;ch&#x017F;t-&#x017F;elig zu ma-<lb/>
chen, und opffert &#x017F;elb&#x017F;ten &#x017F;einen Cron-Printzen auf,<lb/>
um &#x017F;einen Liebes-Zweck erreichen zu ko&#x0364;nnen, und<lb/>
machet er&#x017F;taunliche und unaus&#x017F;prechliche An&#x017F;talten,<lb/>
vollziehet auch die&#x017F;elbe gerne an dir und mir, ob wir<lb/>
aus einem verwirrten, unruhigen Quaal-Leben in<lb/>
ein wohlgeordnetes Frieden-reiches We&#x017F;en der rei-<lb/>
nen Lichts-Welt ver&#x017F;etzet werden mo&#x0364;chten. Wir<lb/>
wollten aber, an&#x017F;tatt eines demu&#x0364;thigen Dancks, nur<lb/>
das heraus klauben, warum er uns auf die Probe<lb/>
ge&#x017F;etzet? Warum in Oerter und Ge&#x017F;ell&#x017F;chafften<lb/>
kommen la&#x017F;&#x017F;en, die uns zum Abfall veranla&#x017F;&#x017F;et?<lb/>
Warum er die Verfu&#x0364;hrung nicht gehindert? &#xA75B;c.<lb/>
Wa&#x0364;ren wir nicht un&#x017F;innig? Wa&#x0364;re das nicht ein<lb/>
Zeichen, daß wir keinen Frieden begehrten?</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 10.</head><lb/>
          <p>Du frag&#x017F;t: <hi rendition="#fr">Kan mich dann nicht die<lb/>
Freyheit zum Bo&#x0364;&#x017F;en verleiten? Jch habe<lb/>
dermahlen gro&#x017F;&#x017F;e Freyheit/ werde von</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">nie-</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[381/0399] der Verfuͤhrung der Jugend. ſprechen wuͤrde: Dieſer vergißt alles empfangenen Guten, verſchmaͤhet die groſſe Verheiſſung, laͤßt ſich von ſeines Herrn abgeſagtem Feind leichtſinnig ver- fuͤhren, wird treulos, fallt ab, und geraͤth in groſſe Noth, faſſet auch eine ſolche Feindſchafft wider ſei- nen Herrn, daß er denſelben, wann es in ſeiner Macht ſtuͤnde, wohl umbringen moͤchte, gedenckt an keine Wiederaufrichtung der vorigen ſeligen Freundſchafft, und handelt in allen Dingen ver- kehrt. Dieſer Monarch iſt GOtt der Vater, und dieſer beharret in ſeinem Vorhaben, den abtruͤnni- gen undanckbarſten Rebellen hoͤchſt-ſelig zu ma- chen, und opffert ſelbſten ſeinen Cron-Printzen auf, um ſeinen Liebes-Zweck erreichen zu koͤnnen, und machet erſtaunliche und unausſprechliche Anſtalten, vollziehet auch dieſelbe gerne an dir und mir, ob wir aus einem verwirrten, unruhigen Quaal-Leben in ein wohlgeordnetes Frieden-reiches Weſen der rei- nen Lichts-Welt verſetzet werden moͤchten. Wir wollten aber, anſtatt eines demuͤthigen Dancks, nur das heraus klauben, warum er uns auf die Probe geſetzet? Warum in Oerter und Geſellſchafften kommen laſſen, die uns zum Abfall veranlaſſet? Warum er die Verfuͤhrung nicht gehindert? ꝛc. Waͤren wir nicht unſinnig? Waͤre das nicht ein Zeichen, daß wir keinen Frieden begehrten? §. 10. Du fragſt: Kan mich dann nicht die Freyheit zum Boͤſen verleiten? Jch habe dermahlen groſſe Freyheit/ werde von nie-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/399
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/399>, abgerufen am 25.04.2024.