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Ludwig, Otto: Der Erbförster. Band 1: Dramatische Werke. Leipzig, 1853.

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Der Erbförster.
froh. So überfroh! Den ganzen Morgen schon bin ich
im Wald. Wo die Büsche am hellsten funkelten vom Thau,
da drängt' ich mich durch, daß die feuchten Zweige mir
in's glühende Gesicht schlagen mußten; da warf ich mich
in's Gras. Aber es litt mich nirgends. Mir war, als
könnte mir nichts helfen, als wenn ich laut weinte. --
Und Du, sonst so frisch und munter wie ein Reh -- Du
bist traurig? heute traurig?
Försterin.
Sie freut sich gewiß, lieber Robert, aber Sie ken-
nen sie ja von Kleinauf -- wo andre laut werden, da
wird sie still.
Marie.
Nein, Robert; traurig bin ich gewiß nicht; mir
ist nur so feierlich. Den ganzen Morgen schon. Wo ich
geh' und steh', als wär' ich in der Kirche. Und --
Robert.
Und --
Marie.
Und daß nun bald das Leben wie hinter mir ab-
reißen soll, wie unter mir versinken und ein neues an-
geh'n soll, ein so ganz neues -- sei nicht böse, guter
Robert; -- das ist mir so eigen, so ängstlich --
Robert.
Ein neues Leben? Ein so ganz neues Leben? Es ist
ja noch immer das alte Leben, Marie, nur schöner. Es
Der Erbförſter.
froh. So überfroh! Den ganzen Morgen ſchon bin ich
im Wald. Wo die Büſche am hellſten funkelten vom Thau,
da drängt’ ich mich durch, daß die feuchten Zweige mir
in’s glühende Geſicht ſchlagen mußten; da warf ich mich
in’s Gras. Aber es litt mich nirgends. Mir war, als
könnte mir nichts helfen, als wenn ich laut weinte. —
Und Du, ſonſt ſo friſch und munter wie ein Reh — Du
biſt traurig? heute traurig?
Förſterin.
Sie freut ſich gewiß, lieber Robert, aber Sie ken-
nen ſie ja von Kleinauf — wo andre laut werden, da
wird ſie ſtill.
Marie.
Nein, Robert; traurig bin ich gewiß nicht; mir
iſt nur ſo feierlich. Den ganzen Morgen ſchon. Wo ich
geh’ und ſteh’, als wär’ ich in der Kirche. Und —
Robert.
Und —
Marie.
Und daß nun bald das Leben wie hinter mir ab-
reißen ſoll, wie unter mir verſinken und ein neues an-
geh’n ſoll, ein ſo ganz neues — ſei nicht böſe, guter
Robert; — das iſt mir ſo eigen, ſo ängſtlich —
Robert.
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[15/0029] Der Erbförſter. froh. So überfroh! Den ganzen Morgen ſchon bin ich im Wald. Wo die Büſche am hellſten funkelten vom Thau, da drängt’ ich mich durch, daß die feuchten Zweige mir in’s glühende Geſicht ſchlagen mußten; da warf ich mich in’s Gras. Aber es litt mich nirgends. Mir war, als könnte mir nichts helfen, als wenn ich laut weinte. — Und Du, ſonſt ſo friſch und munter wie ein Reh — Du biſt traurig? heute traurig? Förſterin. Sie freut ſich gewiß, lieber Robert, aber Sie ken- nen ſie ja von Kleinauf — wo andre laut werden, da wird ſie ſtill. Marie. Nein, Robert; traurig bin ich gewiß nicht; mir iſt nur ſo feierlich. Den ganzen Morgen ſchon. Wo ich geh’ und ſteh’, als wär’ ich in der Kirche. Und — Robert. Und — Marie. Und daß nun bald das Leben wie hinter mir ab- reißen ſoll, wie unter mir verſinken und ein neues an- geh’n ſoll, ein ſo ganz neues — ſei nicht böſe, guter Robert; — das iſt mir ſo eigen, ſo ängſtlich — Robert. Ein neues Leben? Ein ſo ganz neues Leben? Es iſt ja noch immer das alte Leben, Marie, nur ſchöner. Es

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Zitationshilfe: Ludwig, Otto: Der Erbförster. Band 1: Dramatische Werke. Leipzig, 1853, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_erbfoerster_1853/29>, abgerufen am 29.03.2024.