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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

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Ganglienkörper.
rung der Thatsache erfährt, dass die Nervenröhren mit Ganglienkörpern
in Verbindung sein können, ohne dass die drei der vorbemerkten
physiologischen Eigenthümlichkeiten zugleich an ihr haften, ja dass es
sogar Orte zu geben scheint, an denen sie mit keiner derselben be-
gabt sind. In der speciellen Nervenphysiologie werden wir noch hier-
auf zurückkommen, und wir wollen hier nur vormerken, dass in den
Ganglien der hintern Wurzeln der Rückenmarksnerven, weder je Ueber-
tragungen noch gar die selbsständige Entstehung einer Erregung beob-
achtet ist; dass von den untern Stücken des Rückenmarks, obwohl es
so viele Ganglienkörper enthält, ebenfalls keine selbstständigen Bewe-
gungsursachen ausgehen u. s. w.

Diese Thatsachen würden nun den Zusatz zu den obigen Darstel-
lungen, vorausgesetzt man wollte sie noch halten, erzwingen, dass ver-
schiedene Ganglienkugeln einen verschiedenen Einfluss auf die Nerven-
röhren ausübten. In diesem Sinne könnte man, wie es von einzelnen
Autoren auch geschehen, behaupten 1. der Ganglienkörper entwickelt
bei einer gewissen Verbindungsart mit den Nervenröhren die erregen-
den Einflüsse. Die sog. einstrahligen Ganglien, diejenigen von wel-
chen man die Nervenursprünge annimmt, deren Existenz aber über-
haupt noch zweifelhaft ist, sollen dieses vollführen. 2. Die Erregungs-
mittheilung soll dagegen durch die vielstrahligen geschehen; man hat
sich dieses nach Rud. Wagner so zu versinnlichen, dass eine Er-
regung, in welche der Nerv a geräth (siehe Fig. 27) sich nach der

[Abbildung] Fig. 27.
Ganglienzelle c fortpflanze
und von da durch die Aeste
zu c2 und c3 begebe, welche
hinwiederum durch die Nerven
d1, d2, d3, auf die Muskeln e1,
e2, e3, wirken. Die Ganglien-
zellen wären demnach Knoten-
punkte verschiedener Röhren.
Diese Annahme, eine geringe
Modifikation der Marshall-
Hall'
schen reflectomotori-
schen Hypothese hat, wie wir
bei der Betrachtung der sogenannten Reflexbewegung sehen werden,
viel gegen und wenig für sich. 3. Die Veränderungen, welche in
der Art der Erregung eintreten, sollen von den zweistrahligen
(oder in den Verlauf der Nervenröhren eingelegten) Ganglienzellen
abhängen? u. s. w.

Sei dem nun aber wie ihm wolle, jedenfalls ist eins der Grund-
prinzipien, aus welchem die letztere Betrachtungsweise hervorging,
festzuhalten, dass nämlich die sog. physiologischen Wirkungen der
Ganglienkörper verschiedenartig sind. Diese Unterschiede der Wirkung

Ganglienkörper.
rung der Thatsache erfährt, dass die Nervenröhren mit Ganglienkörpern
in Verbindung sein können, ohne dass die drei der vorbemerkten
physiologischen Eigenthümlichkeiten zugleich an ihr haften, ja dass es
sogar Orte zu geben scheint, an denen sie mit keiner derselben be-
gabt sind. In der speciellen Nervenphysiologie werden wir noch hier-
auf zurückkommen, und wir wollen hier nur vormerken, dass in den
Ganglien der hintern Wurzeln der Rückenmarksnerven, weder je Ueber-
tragungen noch gar die selbsständige Entstehung einer Erregung beob-
achtet ist; dass von den untern Stücken des Rückenmarks, obwohl es
so viele Ganglienkörper enthält, ebenfalls keine selbstständigen Bewe-
gungsursachen ausgehen u. s. w.

Diese Thatsachen würden nun den Zusatz zu den obigen Darstel-
lungen, vorausgesetzt man wollte sie noch halten, erzwingen, dass ver-
schiedene Ganglienkugeln einen verschiedenen Einfluss auf die Nerven-
röhren ausübten. In diesem Sinne könnte man, wie es von einzelnen
Autoren auch geschehen, behaupten 1. der Ganglienkörper entwickelt
bei einer gewissen Verbindungsart mit den Nervenröhren die erregen-
den Einflüsse. Die sog. einstrahligen Ganglien, diejenigen von wel-
chen man die Nervenursprünge annimmt, deren Existenz aber über-
haupt noch zweifelhaft ist, sollen dieses vollführen. 2. Die Erregungs-
mittheilung soll dagegen durch die vielstrahligen geschehen; man hat
sich dieses nach Rud. Wagner so zu versinnlichen, dass eine Er-
regung, in welche der Nerv a geräth (siehe Fig. 27) sich nach der

[Abbildung] Fig. 27.
Ganglienzelle c fortpflanze
und von da durch die Aeste
zu c2 und c3 begebe, welche
hinwiederum durch die Nerven
d1, d2, d3, auf die Muskeln e1,
e2, e3, wirken. Die Ganglien-
zellen wären demnach Knoten-
punkte verschiedener Röhren.
Diese Annahme, eine geringe
Modifikation der Marshall-
Hall’
schen reflectomotori-
schen Hypothese hat, wie wir
bei der Betrachtung der sogenannten Reflexbewegung sehen werden,
viel gegen und wenig für sich. 3. Die Veränderungen, welche in
der Art der Erregung eintreten, sollen von den zweistrahligen
(oder in den Verlauf der Nervenröhren eingelegten) Ganglienzellen
abhängen? u. s. w.

Sei dem nun aber wie ihm wolle, jedenfalls ist eins der Grund-
prinzipien, aus welchem die letztere Betrachtungsweise hervorging,
festzuhalten, dass nämlich die sog. physiologischen Wirkungen der
Ganglienkörper verschiedenartig sind. Diese Unterschiede der Wirkung

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[125/0139] Ganglienkörper. rung der Thatsache erfährt, dass die Nervenröhren mit Ganglienkörpern in Verbindung sein können, ohne dass die drei der vorbemerkten physiologischen Eigenthümlichkeiten zugleich an ihr haften, ja dass es sogar Orte zu geben scheint, an denen sie mit keiner derselben be- gabt sind. In der speciellen Nervenphysiologie werden wir noch hier- auf zurückkommen, und wir wollen hier nur vormerken, dass in den Ganglien der hintern Wurzeln der Rückenmarksnerven, weder je Ueber- tragungen noch gar die selbsständige Entstehung einer Erregung beob- achtet ist; dass von den untern Stücken des Rückenmarks, obwohl es so viele Ganglienkörper enthält, ebenfalls keine selbstständigen Bewe- gungsursachen ausgehen u. s. w. Diese Thatsachen würden nun den Zusatz zu den obigen Darstel- lungen, vorausgesetzt man wollte sie noch halten, erzwingen, dass ver- schiedene Ganglienkugeln einen verschiedenen Einfluss auf die Nerven- röhren ausübten. In diesem Sinne könnte man, wie es von einzelnen Autoren auch geschehen, behaupten 1. der Ganglienkörper entwickelt bei einer gewissen Verbindungsart mit den Nervenröhren die erregen- den Einflüsse. Die sog. einstrahligen Ganglien, diejenigen von wel- chen man die Nervenursprünge annimmt, deren Existenz aber über- haupt noch zweifelhaft ist, sollen dieses vollführen. 2. Die Erregungs- mittheilung soll dagegen durch die vielstrahligen geschehen; man hat sich dieses nach Rud. Wagner so zu versinnlichen, dass eine Er- regung, in welche der Nerv a geräth (siehe Fig. 27) sich nach der [Abbildung Fig. 27.] Ganglienzelle c fortpflanze und von da durch die Aeste zu c2 und c3 begebe, welche hinwiederum durch die Nerven d1, d2, d3, auf die Muskeln e1, e2, e3, wirken. Die Ganglien- zellen wären demnach Knoten- punkte verschiedener Röhren. Diese Annahme, eine geringe Modifikation der Marshall- Hall’schen reflectomotori- schen Hypothese hat, wie wir bei der Betrachtung der sogenannten Reflexbewegung sehen werden, viel gegen und wenig für sich. 3. Die Veränderungen, welche in der Art der Erregung eintreten, sollen von den zweistrahligen (oder in den Verlauf der Nervenröhren eingelegten) Ganglienzellen abhängen? u. s. w. Sei dem nun aber wie ihm wolle, jedenfalls ist eins der Grund- prinzipien, aus welchem die letztere Betrachtungsweise hervorging, festzuhalten, dass nämlich die sog. physiologischen Wirkungen der Ganglienkörper verschiedenartig sind. Diese Unterschiede der Wirkung

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/139>, abgerufen am 23.04.2024.