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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

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Erster Abschnitt.
Physiologie der Atome.

Nachdem die organische Chemie die wägbare Masse des Thier-
leibs als eine Zusammenhäufung atomistischer Individuen erkannt hat,
ist es der Physiologie zugewiesen zu ermitteln, welche Funktionen
jedes der mehr oder weniger complizirten Atome im thierischen Kör-
per übernimmt. Diese Aufgabe wird als gelösst anzusehen sein, wenn
die Anordnung der Elemente innerhalb des complizirten Atoms, die
Menge seiner latenten Wärme und die Verwandtschaftsäusserungen
bekannt sind, welche jedes einzelne Atom gegen alle übrigen im thie-
rischen Körper enthaltenen unter den dort gegebenen Bedingungen
zeigt.

a) Anordnung der Atome. Rationelle Formel. Die chemischen Verbindungen
können bekanntlich unter der Einwirkung des Lichts und der Wärme, der Electrizität
und anderer chemischen Reagentien zerfällt werden. Als Producte dieser Zerfällung
treten nun aber meist nicht die Elemente, sondern Stoffe auf, welche selbst wieder
mehr oder weniger zahlreiche Atome enthalten. Aus diesem Umstande schliesst der
Chemiker, es möchte eine solche complicirte Verbindung nicht aus der unmittelbaren
Vereinigung der Elemente, sondern aus einer Verbindung schon selbst zusammen-
gesetzter Moleküle bestehen. Mechanisch ausgedrückt würde dieses heissen, dass
innerhalb einer complicirten Verbindung nicht jedes elementare Atom das andere
mit gleicher Stärke anzieht, sondern dass eine gewisse Zahl derselben eine kräf-
tigere Anziehung zu einander äussernd innig geschlossene Atomgruppen bilden, deren
Einzelanziehungen sich zur Erzeugung einer nach aussen wirkenden Resultirenden ver-
einigen. Eine jede dieser Atomgruppen würde nun als ein Ganzes auf irgend welche
andere anziehend wirken. Da die Verbindung leichter in Gruppen als die Gruppe in
ihre Elemente zerfällt, so könnte man noch den näher bestimmenden Zusatz bei-
fügen, dass die zwischen den Bestandtheilen der Gruppe wirksamen Anziehungen
kräftiger wären als diejenigen zwischen den Gruppen. Man kann sich das so eben
vorgetragene Theorem durch ein Bild verständlich machen, wenn man sich die
elementaren Atome als Punkte denkt und sich die Stärke ihrer gegenseitigen An-
ziehung durch die räumliche Näherung der Punkte darstellt, wie es die beistehende
Figur eines sechszehnatomigen Stoffes erläutert [Abbildung] . -- Obwohl nun die
Wissenschaft noch weit davon entfernt ist angeben zu können, was für besondere
Hergänge den Thatsachen, die man unter dem Wort Atomanordnung zusammenfasst,
zu Grunde liegen, so steht doch fest, dass in einer jeden complicirten Ver-
bindung eine gewisse Zahl von Atomen zu einander in einer inni-
geren Beziehung stehen als zu allen übrigen
.

Erster Abschnitt.
Physiologie der Atome.

Nachdem die organische Chemie die wägbare Masse des Thier-
leibs als eine Zusammenhäufung atomistischer Individuen erkannt hat,
ist es der Physiologie zugewiesen zu ermitteln, welche Funktionen
jedes der mehr oder weniger complizirten Atome im thierischen Kör-
per übernimmt. Diese Aufgabe wird als gelösst anzusehen sein, wenn
die Anordnung der Elemente innerhalb des complizirten Atoms, die
Menge seiner latenten Wärme und die Verwandtschaftsäusserungen
bekannt sind, welche jedes einzelne Atom gegen alle übrigen im thie-
rischen Körper enthaltenen unter den dort gegebenen Bedingungen
zeigt.

a) Anordnung der Atome. Rationelle Formel. Die chemischen Verbindungen
können bekanntlich unter der Einwirkung des Lichts und der Wärme, der Electrizität
und anderer chemischen Reagentien zerfällt werden. Als Producte dieser Zerfällung
treten nun aber meist nicht die Elemente, sondern Stoffe auf, welche selbst wieder
mehr oder weniger zahlreiche Atome enthalten. Aus diesem Umstande schliesst der
Chemiker, es möchte eine solche complicirte Verbindung nicht aus der unmittelbaren
Vereinigung der Elemente, sondern aus einer Verbindung schon selbst zusammen-
gesetzter Moleküle bestehen. Mechanisch ausgedrückt würde dieses heissen, dass
innerhalb einer complicirten Verbindung nicht jedes elementare Atom das andere
mit gleicher Stärke anzieht, sondern dass eine gewisse Zahl derselben eine kräf-
tigere Anziehung zu einander äussernd innig geschlossene Atomgruppen bilden, deren
Einzelanziehungen sich zur Erzeugung einer nach aussen wirkenden Resultirenden ver-
einigen. Eine jede dieser Atomgruppen würde nun als ein Ganzes auf irgend welche
andere anziehend wirken. Da die Verbindung leichter in Gruppen als die Gruppe in
ihre Elemente zerfällt, so könnte man noch den näher bestimmenden Zusatz bei-
fügen, dass die zwischen den Bestandtheilen der Gruppe wirksamen Anziehungen
kräftiger wären als diejenigen zwischen den Gruppen. Man kann sich das so eben
vorgetragene Theorem durch ein Bild verständlich machen, wenn man sich die
elementaren Atome als Punkte denkt und sich die Stärke ihrer gegenseitigen An-
ziehung durch die räumliche Näherung der Punkte darstellt, wie es die beistehende
Figur eines sechszehnatomigen Stoffes erläutert [Abbildung] . — Obwohl nun die
Wissenschaft noch weit davon entfernt ist angeben zu können, was für besondere
Hergänge den Thatsachen, die man unter dem Wort Atomanordnung zusammenfasst,
zu Grunde liegen, so steht doch fest, dass in einer jeden complicirten Ver-
bindung eine gewisse Zahl von Atomen zu einander in einer inni-
geren Beziehung stehen als zu allen übrigen
.

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[15/0029] Erster Abschnitt. Physiologie der Atome. Nachdem die organische Chemie die wägbare Masse des Thier- leibs als eine Zusammenhäufung atomistischer Individuen erkannt hat, ist es der Physiologie zugewiesen zu ermitteln, welche Funktionen jedes der mehr oder weniger complizirten Atome im thierischen Kör- per übernimmt. Diese Aufgabe wird als gelösst anzusehen sein, wenn die Anordnung der Elemente innerhalb des complizirten Atoms, die Menge seiner latenten Wärme und die Verwandtschaftsäusserungen bekannt sind, welche jedes einzelne Atom gegen alle übrigen im thie- rischen Körper enthaltenen unter den dort gegebenen Bedingungen zeigt. a) Anordnung der Atome. Rationelle Formel. Die chemischen Verbindungen können bekanntlich unter der Einwirkung des Lichts und der Wärme, der Electrizität und anderer chemischen Reagentien zerfällt werden. Als Producte dieser Zerfällung treten nun aber meist nicht die Elemente, sondern Stoffe auf, welche selbst wieder mehr oder weniger zahlreiche Atome enthalten. Aus diesem Umstande schliesst der Chemiker, es möchte eine solche complicirte Verbindung nicht aus der unmittelbaren Vereinigung der Elemente, sondern aus einer Verbindung schon selbst zusammen- gesetzter Moleküle bestehen. Mechanisch ausgedrückt würde dieses heissen, dass innerhalb einer complicirten Verbindung nicht jedes elementare Atom das andere mit gleicher Stärke anzieht, sondern dass eine gewisse Zahl derselben eine kräf- tigere Anziehung zu einander äussernd innig geschlossene Atomgruppen bilden, deren Einzelanziehungen sich zur Erzeugung einer nach aussen wirkenden Resultirenden ver- einigen. Eine jede dieser Atomgruppen würde nun als ein Ganzes auf irgend welche andere anziehend wirken. Da die Verbindung leichter in Gruppen als die Gruppe in ihre Elemente zerfällt, so könnte man noch den näher bestimmenden Zusatz bei- fügen, dass die zwischen den Bestandtheilen der Gruppe wirksamen Anziehungen kräftiger wären als diejenigen zwischen den Gruppen. Man kann sich das so eben vorgetragene Theorem durch ein Bild verständlich machen, wenn man sich die elementaren Atome als Punkte denkt und sich die Stärke ihrer gegenseitigen An- ziehung durch die räumliche Näherung der Punkte darstellt, wie es die beistehende Figur eines sechszehnatomigen Stoffes erläutert [Abbildung] . — Obwohl nun die Wissenschaft noch weit davon entfernt ist angeben zu können, was für besondere Hergänge den Thatsachen, die man unter dem Wort Atomanordnung zusammenfasst, zu Grunde liegen, so steht doch fest, dass in einer jeden complicirten Ver- bindung eine gewisse Zahl von Atomen zu einander in einer inni- geren Beziehung stehen als zu allen übrigen.

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/29>, abgerufen am 28.03.2024.