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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

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Baumittel des Skelets. Knochenmasse.

Unternimmt man nun den Versuch, von diesem Gesichtspunkte
aus die Darstellung des Skelets durchzuführen, so gewahrt man bald,
dass ihm von Seiten der Anatomen fast noch nirgends vorgearbeitet
ist; sie beschreiben fast überall statt der wesentlichen die unwe-
sentlichen Dinge. Darum ist es auch vollkommen unmöglich, die
inhaltreichsten Fragen einer Beantwortung entgegenzuführen, z. B.
die nach der Harmonie des Skelets mit den übrigen Körperbestand-
theilen d. h. warum gerade diese und keine andere mechanischen
Prinzipien für den Aufbau des Skelets verwandt werden mussten, bei
der gegebenen Leistung der Verdauungskräfte des Herzens und der
von dem Skelet zu liefernden Arbeit; ferner die Ableitung der Grenzen
innerhalb der sich das Volum eines Skelettheils mindern oder mehren
darf, wenn einer der übrigen Skelettheile gegeben ist; ferner durch
welche Mittel ein, z. B. durch Krankheit ausfallender Theil compensirt
wird und wie weit diese Vertretung möglich; welche Muskeln und
Nerven sich an einzelnen Bewegungen betheiligen u. s. f. u. s. f. --

Baumittel des Skelets.

Die Formen der trägen Skeletbestandtheile sind dargestellt aus
Knorpel-, Knochen- und Bandmasse.

Die Knochenmasse verdankt im mechanischen Bezuge ihre
wichtigsten Eigenschaften dem Umstand, dass in ein elastisches von
Wasser durchtränkbares Grundgewebe eine kalkartige nicht oxydirbare
Masse inkrustirt ist, in gerade hinreichender Menge um dieser einen
hohen Grad von Steifheit und Festigkeit zu geben, so dass sie die Ei-
genthümlichkeit der Metalle und der Steine verbindet. -- Eine Bestim-
mung des Coeffizienten der Federkraft und Festigkeit der Knochensub-
stanz überhaupt ist mit den bisher benützten Methoden nicht möglich.

Die Festigkeit und Federkraft der Knochenmasse muss, wie aus der Natur der
Sache hervorgeht, mit der Zusammensetzung, und noch mehr mit dem Gehalt an Mark-
kanälchen, Knochenhöhlen u. s. w. wechseln; die beiden Eigenschaften müssten darum
als Funktionen dieser Bedingungen bestimmt werden. Die Untersuchungen von Wert-
heim
*) sind darum nur von Bedeutung insofern sie zeigen, dass im Allgemeinen bei
Anhängen von Gewichten an möglichst gleichartige Knochenstreifen die Verlänge-
rungen direkt proporional mit der Vermehrung der Gewichte steigen; dass in der
Knochenmasse des Waden- und Schenkelbeins der absolute Werth des Elastizitäts-
coeffizienten mit dem Alter steigt und endlich, dass weder der Elastitäts- noch der
Cohäsionsmodul in einfacher Beziehung zu dem spezifischen Gewicht des Knochens
steht. Die Wertheim'sche Untersuchung ergab:

[Tabelle]
*) Annal. de chim. et physiq. XXI. 1847.
Baumittel des Skelets. Knochenmasse.

Unternimmt man nun den Versuch, von diesem Gesichtspunkte
aus die Darstellung des Skelets durchzuführen, so gewahrt man bald,
dass ihm von Seiten der Anatomen fast noch nirgends vorgearbeitet
ist; sie beschreiben fast überall statt der wesentlichen die unwe-
sentlichen Dinge. Darum ist es auch vollkommen unmöglich, die
inhaltreichsten Fragen einer Beantwortung entgegenzuführen, z. B.
die nach der Harmonie des Skelets mit den übrigen Körperbestand-
theilen d. h. warum gerade diese und keine andere mechanischen
Prinzipien für den Aufbau des Skelets verwandt werden mussten, bei
der gegebenen Leistung der Verdauungskräfte des Herzens und der
von dem Skelet zu liefernden Arbeit; ferner die Ableitung der Grenzen
innerhalb der sich das Volum eines Skelettheils mindern oder mehren
darf, wenn einer der übrigen Skelettheile gegeben ist; ferner durch
welche Mittel ein, z. B. durch Krankheit ausfallender Theil compensirt
wird und wie weit diese Vertretung möglich; welche Muskeln und
Nerven sich an einzelnen Bewegungen betheiligen u. s. f. u. s. f. —

Baumittel des Skelets.

Die Formen der trägen Skeletbestandtheile sind dargestellt aus
Knorpel-, Knochen- und Bandmasse.

Die Knochenmasse verdankt im mechanischen Bezuge ihre
wichtigsten Eigenschaften dem Umstand, dass in ein elastisches von
Wasser durchtränkbares Grundgewebe eine kalkartige nicht oxydirbare
Masse inkrustirt ist, in gerade hinreichender Menge um dieser einen
hohen Grad von Steifheit und Festigkeit zu geben, so dass sie die Ei-
genthümlichkeit der Metalle und der Steine verbindet. — Eine Bestim-
mung des Coeffizienten der Federkraft und Festigkeit der Knochensub-
stanz überhaupt ist mit den bisher benützten Methoden nicht möglich.

Die Festigkeit und Federkraft der Knochenmasse muss, wie aus der Natur der
Sache hervorgeht, mit der Zusammensetzung, und noch mehr mit dem Gehalt an Mark-
kanälchen, Knochenhöhlen u. s. w. wechseln; die beiden Eigenschaften müssten darum
als Funktionen dieser Bedingungen bestimmt werden. Die Untersuchungen von Wert-
heim
*) sind darum nur von Bedeutung insofern sie zeigen, dass im Allgemeinen bei
Anhängen von Gewichten an möglichst gleichartige Knochenstreifen die Verlänge-
rungen direkt proporional mit der Vermehrung der Gewichte steigen; dass in der
Knochenmasse des Waden- und Schenkelbeins der absolute Werth des Elastizitäts-
coeffizienten mit dem Alter steigt und endlich, dass weder der Elastitäts- noch der
Cohäsionsmodul in einfacher Beziehung zu dem spezifischen Gewicht des Knochens
steht. Die Wertheim’sche Untersuchung ergab:

[Tabelle]
*) Annal. de chim. et physiq. XXI. 1847.
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[363/0377] Baumittel des Skelets. Knochenmasse. Unternimmt man nun den Versuch, von diesem Gesichtspunkte aus die Darstellung des Skelets durchzuführen, so gewahrt man bald, dass ihm von Seiten der Anatomen fast noch nirgends vorgearbeitet ist; sie beschreiben fast überall statt der wesentlichen die unwe- sentlichen Dinge. Darum ist es auch vollkommen unmöglich, die inhaltreichsten Fragen einer Beantwortung entgegenzuführen, z. B. die nach der Harmonie des Skelets mit den übrigen Körperbestand- theilen d. h. warum gerade diese und keine andere mechanischen Prinzipien für den Aufbau des Skelets verwandt werden mussten, bei der gegebenen Leistung der Verdauungskräfte des Herzens und der von dem Skelet zu liefernden Arbeit; ferner die Ableitung der Grenzen innerhalb der sich das Volum eines Skelettheils mindern oder mehren darf, wenn einer der übrigen Skelettheile gegeben ist; ferner durch welche Mittel ein, z. B. durch Krankheit ausfallender Theil compensirt wird und wie weit diese Vertretung möglich; welche Muskeln und Nerven sich an einzelnen Bewegungen betheiligen u. s. f. u. s. f. — Baumittel des Skelets. Die Formen der trägen Skeletbestandtheile sind dargestellt aus Knorpel-, Knochen- und Bandmasse. Die Knochenmasse verdankt im mechanischen Bezuge ihre wichtigsten Eigenschaften dem Umstand, dass in ein elastisches von Wasser durchtränkbares Grundgewebe eine kalkartige nicht oxydirbare Masse inkrustirt ist, in gerade hinreichender Menge um dieser einen hohen Grad von Steifheit und Festigkeit zu geben, so dass sie die Ei- genthümlichkeit der Metalle und der Steine verbindet. — Eine Bestim- mung des Coeffizienten der Federkraft und Festigkeit der Knochensub- stanz überhaupt ist mit den bisher benützten Methoden nicht möglich. Die Festigkeit und Federkraft der Knochenmasse muss, wie aus der Natur der Sache hervorgeht, mit der Zusammensetzung, und noch mehr mit dem Gehalt an Mark- kanälchen, Knochenhöhlen u. s. w. wechseln; die beiden Eigenschaften müssten darum als Funktionen dieser Bedingungen bestimmt werden. Die Untersuchungen von Wert- heim *) sind darum nur von Bedeutung insofern sie zeigen, dass im Allgemeinen bei Anhängen von Gewichten an möglichst gleichartige Knochenstreifen die Verlänge- rungen direkt proporional mit der Vermehrung der Gewichte steigen; dass in der Knochenmasse des Waden- und Schenkelbeins der absolute Werth des Elastizitäts- coeffizienten mit dem Alter steigt und endlich, dass weder der Elastitäts- noch der Cohäsionsmodul in einfacher Beziehung zu dem spezifischen Gewicht des Knochens steht. Die Wertheim’sche Untersuchung ergab: *) Annal. de chim. et physiq. XXI. 1847.

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/377>, abgerufen am 19.04.2024.