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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Hoden; Samen.
denn in dieser Zeit wird, so weit wir wissen, gar kein Saft aus dem
Hoden entleert. -- Nachdem mit den Pubertätsjahren die Absonderung
eines vollkommenen Samens zu Stande gekommen, kann sie bis in das
hohe Alter bestehen; Duplay fand in den Hoden 80jähriger Greise noch
Samenfäden; übrigens sind nach demselben Beobachter bei Hochbejahr-
ten die Samenfäden meist spärlicher vorhanden, und fehlen auch nicht
selten gänzlich, oder sie sind mindestens missgestaltet. Man vermuthet,
dass eine öftere Entleerung des Samens die Neubildung desselben be-
schleunige. -- Bei Individuen mittleren Alters fehlen zuweilen die Samen-
fäden; die Beziehungen, welche man zwischen gewissen krankhaften Stö-
rungen der allgemeinen Ernährungsprozesse und der ausbleibenden Bil-
dung von Samenfäden vermuthet, haben sich durch die Untersuchungen
von Duplay nicht bestätigt.

4. Samenbereitung. Die Formfolge bei der Entwicklung der Samen-
fäden glaubt Kölliker dahin feststellen zu können, dass zuerst die
Zellen, dann die Kerne und dann in jedem Kern ein Samenfaden auf-
trete; wenn die einzelnen Kerne geplatzt sind, so legen sich die Fäden
zu Bündeln zusammen. Die gekrümmten und langen Wege, die häufigen
Anastomosen und endlich die Enge des vas deferens bedingen eine hin-
reichend langsame Bewegung des Samens von den Anfängen zu den
Enden des Hodens, um die zur Formentwicklung nothwendige Zeit zu
gewinnen. -- Die Bedingungen für die Entstehung des Samenfadens müs-
sen theils in der Blutzusammensetzung und theils in Zuständen des
Hodens selbst gesucht werden. Für den letzteren Satz spricht vor Allem
die Beobachtung von Duplay, dass bei demselben Individuum in dem
einen Hoden der Samen fadenhaltig und im andern fadenfrei sein kann.
Worin diese Bedingungen liegen, ist unbekannt; sicherlich nicht in dem
Säftereichthum desselben überhaupt, da Hoden, welche einen normalen
Samen erzeugen, im Mittel nicht schwerer sind, als diejenigen, welche
dieses nicht vermögen (Duplay).

5. Die Entleerung des Hodens kann möglicher Weise veranlasst
werden durch die in der tunica albuginea vorhandenen Muskeln; die An-
wesenheit eines serösen Sackes (tunica vaginalis propria) deutet minde-
stens auf eine Verschiebung der beiden Blätter desselben, also auf selbst-
ständige Hodenbewegungen, hin. -- Der in der vas deferens entleerte
Samen wird durch die Muskelbewegungen dieses Schlauchs in die Samen-
bläschen ausgestossen, wo er mit andern Drüsensäften vermischt und
endlich in die Harnröhre entleert wird. Seinen weiteren Weg verfolgt
die Entwicklungsgeschichte.

B. Beiwerkzeuge des Hodens.

Das Wenige, was über die Absonderungserscheinungen der serösen
Hodenhaut bekannt ist, wurde schon Seite 184 erwähnt. -- Der Muskel

Hoden; Samen.
denn in dieser Zeit wird, so weit wir wissen, gar kein Saft aus dem
Hoden entleert. — Nachdem mit den Pubertätsjahren die Absonderung
eines vollkommenen Samens zu Stande gekommen, kann sie bis in das
hohe Alter bestehen; Duplay fand in den Hoden 80jähriger Greise noch
Samenfäden; übrigens sind nach demselben Beobachter bei Hochbejahr-
ten die Samenfäden meist spärlicher vorhanden, und fehlen auch nicht
selten gänzlich, oder sie sind mindestens missgestaltet. Man vermuthet,
dass eine öftere Entleerung des Samens die Neubildung desselben be-
schleunige. — Bei Individuen mittleren Alters fehlen zuweilen die Samen-
fäden; die Beziehungen, welche man zwischen gewissen krankhaften Stö-
rungen der allgemeinen Ernährungsprozesse und der ausbleibenden Bil-
dung von Samenfäden vermuthet, haben sich durch die Untersuchungen
von Duplay nicht bestätigt.

4. Samenbereitung. Die Formfolge bei der Entwicklung der Samen-
fäden glaubt Kölliker dahin feststellen zu können, dass zuerst die
Zellen, dann die Kerne und dann in jedem Kern ein Samenfaden auf-
trete; wenn die einzelnen Kerne geplatzt sind, so legen sich die Fäden
zu Bündeln zusammen. Die gekrümmten und langen Wege, die häufigen
Anastomosen und endlich die Enge des vas deferens bedingen eine hin-
reichend langsame Bewegung des Samens von den Anfängen zu den
Enden des Hodens, um die zur Formentwicklung nothwendige Zeit zu
gewinnen. — Die Bedingungen für die Entstehung des Samenfadens müs-
sen theils in der Blutzusammensetzung und theils in Zuständen des
Hodens selbst gesucht werden. Für den letzteren Satz spricht vor Allem
die Beobachtung von Duplay, dass bei demselben Individuum in dem
einen Hoden der Samen fadenhaltig und im andern fadenfrei sein kann.
Worin diese Bedingungen liegen, ist unbekannt; sicherlich nicht in dem
Säftereichthum desselben überhaupt, da Hoden, welche einen normalen
Samen erzeugen, im Mittel nicht schwerer sind, als diejenigen, welche
dieses nicht vermögen (Duplay).

5. Die Entleerung des Hodens kann möglicher Weise veranlasst
werden durch die in der tunica albuginea vorhandenen Muskeln; die An-
wesenheit eines serösen Sackes (tunica vaginalis propria) deutet minde-
stens auf eine Verschiebung der beiden Blätter desselben, also auf selbst-
ständige Hodenbewegungen, hin. — Der in der vas deferens entleerte
Samen wird durch die Muskelbewegungen dieses Schlauchs in die Samen-
bläschen ausgestossen, wo er mit andern Drüsensäften vermischt und
endlich in die Harnröhre entleert wird. Seinen weiteren Weg verfolgt
die Entwicklungsgeschichte.

B. Beiwerkzeuge des Hodens.

Das Wenige, was über die Absonderungserscheinungen der serösen
Hodenhaut bekannt ist, wurde schon Seite 184 erwähnt. — Der Muskel

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[280/0296] Hoden; Samen. denn in dieser Zeit wird, so weit wir wissen, gar kein Saft aus dem Hoden entleert. — Nachdem mit den Pubertätsjahren die Absonderung eines vollkommenen Samens zu Stande gekommen, kann sie bis in das hohe Alter bestehen; Duplay fand in den Hoden 80jähriger Greise noch Samenfäden; übrigens sind nach demselben Beobachter bei Hochbejahr- ten die Samenfäden meist spärlicher vorhanden, und fehlen auch nicht selten gänzlich, oder sie sind mindestens missgestaltet. Man vermuthet, dass eine öftere Entleerung des Samens die Neubildung desselben be- schleunige. — Bei Individuen mittleren Alters fehlen zuweilen die Samen- fäden; die Beziehungen, welche man zwischen gewissen krankhaften Stö- rungen der allgemeinen Ernährungsprozesse und der ausbleibenden Bil- dung von Samenfäden vermuthet, haben sich durch die Untersuchungen von Duplay nicht bestätigt. 4. Samenbereitung. Die Formfolge bei der Entwicklung der Samen- fäden glaubt Kölliker dahin feststellen zu können, dass zuerst die Zellen, dann die Kerne und dann in jedem Kern ein Samenfaden auf- trete; wenn die einzelnen Kerne geplatzt sind, so legen sich die Fäden zu Bündeln zusammen. Die gekrümmten und langen Wege, die häufigen Anastomosen und endlich die Enge des vas deferens bedingen eine hin- reichend langsame Bewegung des Samens von den Anfängen zu den Enden des Hodens, um die zur Formentwicklung nothwendige Zeit zu gewinnen. — Die Bedingungen für die Entstehung des Samenfadens müs- sen theils in der Blutzusammensetzung und theils in Zuständen des Hodens selbst gesucht werden. Für den letzteren Satz spricht vor Allem die Beobachtung von Duplay, dass bei demselben Individuum in dem einen Hoden der Samen fadenhaltig und im andern fadenfrei sein kann. Worin diese Bedingungen liegen, ist unbekannt; sicherlich nicht in dem Säftereichthum desselben überhaupt, da Hoden, welche einen normalen Samen erzeugen, im Mittel nicht schwerer sind, als diejenigen, welche dieses nicht vermögen (Duplay). 5. Die Entleerung des Hodens kann möglicher Weise veranlasst werden durch die in der tunica albuginea vorhandenen Muskeln; die An- wesenheit eines serösen Sackes (tunica vaginalis propria) deutet minde- stens auf eine Verschiebung der beiden Blätter desselben, also auf selbst- ständige Hodenbewegungen, hin. — Der in der vas deferens entleerte Samen wird durch die Muskelbewegungen dieses Schlauchs in die Samen- bläschen ausgestossen, wo er mit andern Drüsensäften vermischt und endlich in die Harnröhre entleert wird. Seinen weiteren Weg verfolgt die Entwicklungsgeschichte. B. Beiwerkzeuge des Hodens. Das Wenige, was über die Absonderungserscheinungen der serösen Hodenhaut bekannt ist, wurde schon Seite 184 erwähnt. — Der Muskel

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/296>, abgerufen am 28.03.2024.