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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Ausathmungsbewegung.
der Widerhalt, den die Lunge den grossen Gefässen bietet. Diese Ver-
minderung des Widerhalts rührt nun nicht etwa daher, dass während
der Einathmung eine merkliche Differenz der Dichtigkeit in der äussern
und innern Luft vorhanden wäre. Denn in der That ist die Verbindung
der äussern mit der Lungenluft ergiebig genug, um es dahin zu brin-
gen, dass in dem Moment, in welchem eine Luftverdünnung in den Lun-
gen eintritt, sie auch durch Nachströmen aus der Atmosphäre ausge-
glichen wird. -- Es rührt die Verminderung des Widerstandes, welche
die äussere Gefässfläche erfährt, vielmehr von der grössern Ausdehnung
der Lunge her. Denn in Folge dieser Ausdehnung wird auch ihre zu-
sammenziehende Kraft vermehrt und darum vernichtet sie einen grössern
Antheil des Luftdruckes, der durch ihre Oberfläche hindurch auf die
äussern Gefässflächen wirkt. Diese beiden Gründe vereinigen sich somit
wiederum, den Strom des Bluts aus der Brust zu hemmen und den nach
der Brusthöhle hin zu fördern. -- Donders hat darauf aufmerksam
gemacht, dass diese Folge ebenso giltig ist für den kleinen, als für
den grossen Kreislauf, da in beiden Fällen die Capillaren desselben in
Flächen laufen, die unmittelbar dem Luftdruck ausgesetzt sind. -- Von
besonderer Wichtigkeit wird aber die Inspirationsbewegung für den Kreis-
lauf in den Unterleibshöhlen, weil mit der Erweiterung der Brusthöhle
der Inhalt der Unterleibshöhle zusammengepresst wird, so dass hier-
durch vorzugsweise die Entleerung der Bauchvenen begünstigt wird.

c. Ausathmungsbewegung. Da diese Bewegung im Gegensatz zur
Inspiration den Brustkasten zusammendrückt, so wird sie auch für die
grossen Blutbehälter der Brust im entgegengesetzten Sinne wirken, in-
dem sie nicht allein die Ausdehnungsfähigkeit derselben beschränkt, son-
dern auch geradezu dieselben auspresst. In Folge davon wird das Blut
aus dem Brustkasten durch die Arterien mit gesteigerter Kraft geworfen
und zugleich auch in die Venen zurückgeschleudert, resp. wegen den an-
wesenden Klappen gestaut werden. -- Unter günstigen Umständen kann
durch diese Stauung eine so vollkommene Unterbrechung des Einströmens
von Blut in die Brusthöhle stattfinden, dass dadurch für längere Zeit eine
vollkommene Unterbrechung des Kreislaufs bedingt wird. Dieses tritt nach
Ed. Weber ein, wenn man tief inspirirt, die Stimmritze schliesst und
dann eine kräftige Ausathmungsbewegung ausführt. Die comprimirte
Luft kann die Venen vollkommen zuschliessen.

Man wird nach diesen Auseinandersetzungen erkennen, dass die Be-
wegungen des Brustkastens im Ganzen und Grossen ganz dasselbe lei-
sten, was auch die Herzbewegung vermag, denn auch sie pumpen das
Blut aus den grossen Stämmen gegen die Peripherie. Neben dem un-
wesentlichen Unterschied, dass für gewöhnlich die Brustbewegungen län-
ger anhalten und seltener wiederkehren, als die des Herzens, besteht
aber noch der eingreifendere, dass sie an den Arterien und Venen jedes-

Ausathmungsbewegung.
der Widerhalt, den die Lunge den grossen Gefässen bietet. Diese Ver-
minderung des Widerhalts rührt nun nicht etwa daher, dass während
der Einathmung eine merkliche Differenz der Dichtigkeit in der äussern
und innern Luft vorhanden wäre. Denn in der That ist die Verbindung
der äussern mit der Lungenluft ergiebig genug, um es dahin zu brin-
gen, dass in dem Moment, in welchem eine Luftverdünnung in den Lun-
gen eintritt, sie auch durch Nachströmen aus der Atmosphäre ausge-
glichen wird. — Es rührt die Verminderung des Widerstandes, welche
die äussere Gefässfläche erfährt, vielmehr von der grössern Ausdehnung
der Lunge her. Denn in Folge dieser Ausdehnung wird auch ihre zu-
sammenziehende Kraft vermehrt und darum vernichtet sie einen grössern
Antheil des Luftdruckes, der durch ihre Oberfläche hindurch auf die
äussern Gefässflächen wirkt. Diese beiden Gründe vereinigen sich somit
wiederum, den Strom des Bluts aus der Brust zu hemmen und den nach
der Brusthöhle hin zu fördern. — Donders hat darauf aufmerksam
gemacht, dass diese Folge ebenso giltig ist für den kleinen, als für
den grossen Kreislauf, da in beiden Fällen die Capillaren desselben in
Flächen laufen, die unmittelbar dem Luftdruck ausgesetzt sind. — Von
besonderer Wichtigkeit wird aber die Inspirationsbewegung für den Kreis-
lauf in den Unterleibshöhlen, weil mit der Erweiterung der Brusthöhle
der Inhalt der Unterleibshöhle zusammengepresst wird, so dass hier-
durch vorzugsweise die Entleerung der Bauchvenen begünstigt wird.

c. Ausathmungsbewegung. Da diese Bewegung im Gegensatz zur
Inspiration den Brustkasten zusammendrückt, so wird sie auch für die
grossen Blutbehälter der Brust im entgegengesetzten Sinne wirken, in-
dem sie nicht allein die Ausdehnungsfähigkeit derselben beschränkt, son-
dern auch geradezu dieselben auspresst. In Folge davon wird das Blut
aus dem Brustkasten durch die Arterien mit gesteigerter Kraft geworfen
und zugleich auch in die Venen zurückgeschleudert, resp. wegen den an-
wesenden Klappen gestaut werden. — Unter günstigen Umständen kann
durch diese Stauung eine so vollkommene Unterbrechung des Einströmens
von Blut in die Brusthöhle stattfinden, dass dadurch für längere Zeit eine
vollkommene Unterbrechung des Kreislaufs bedingt wird. Dieses tritt nach
Ed. Weber ein, wenn man tief inspirirt, die Stimmritze schliesst und
dann eine kräftige Ausathmungsbewegung ausführt. Die comprimirte
Luft kann die Venen vollkommen zuschliessen.

Man wird nach diesen Auseinandersetzungen erkennen, dass die Be-
wegungen des Brustkastens im Ganzen und Grossen ganz dasselbe lei-
sten, was auch die Herzbewegung vermag, denn auch sie pumpen das
Blut aus den grossen Stämmen gegen die Peripherie. Neben dem un-
wesentlichen Unterschied, dass für gewöhnlich die Brustbewegungen län-
ger anhalten und seltener wiederkehren, als die des Herzens, besteht
aber noch der eingreifendere, dass sie an den Arterien und Venen jedes-

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[102/0118] Ausathmungsbewegung. der Widerhalt, den die Lunge den grossen Gefässen bietet. Diese Ver- minderung des Widerhalts rührt nun nicht etwa daher, dass während der Einathmung eine merkliche Differenz der Dichtigkeit in der äussern und innern Luft vorhanden wäre. Denn in der That ist die Verbindung der äussern mit der Lungenluft ergiebig genug, um es dahin zu brin- gen, dass in dem Moment, in welchem eine Luftverdünnung in den Lun- gen eintritt, sie auch durch Nachströmen aus der Atmosphäre ausge- glichen wird. — Es rührt die Verminderung des Widerstandes, welche die äussere Gefässfläche erfährt, vielmehr von der grössern Ausdehnung der Lunge her. Denn in Folge dieser Ausdehnung wird auch ihre zu- sammenziehende Kraft vermehrt und darum vernichtet sie einen grössern Antheil des Luftdruckes, der durch ihre Oberfläche hindurch auf die äussern Gefässflächen wirkt. Diese beiden Gründe vereinigen sich somit wiederum, den Strom des Bluts aus der Brust zu hemmen und den nach der Brusthöhle hin zu fördern. — Donders hat darauf aufmerksam gemacht, dass diese Folge ebenso giltig ist für den kleinen, als für den grossen Kreislauf, da in beiden Fällen die Capillaren desselben in Flächen laufen, die unmittelbar dem Luftdruck ausgesetzt sind. — Von besonderer Wichtigkeit wird aber die Inspirationsbewegung für den Kreis- lauf in den Unterleibshöhlen, weil mit der Erweiterung der Brusthöhle der Inhalt der Unterleibshöhle zusammengepresst wird, so dass hier- durch vorzugsweise die Entleerung der Bauchvenen begünstigt wird. c. Ausathmungsbewegung. Da diese Bewegung im Gegensatz zur Inspiration den Brustkasten zusammendrückt, so wird sie auch für die grossen Blutbehälter der Brust im entgegengesetzten Sinne wirken, in- dem sie nicht allein die Ausdehnungsfähigkeit derselben beschränkt, son- dern auch geradezu dieselben auspresst. In Folge davon wird das Blut aus dem Brustkasten durch die Arterien mit gesteigerter Kraft geworfen und zugleich auch in die Venen zurückgeschleudert, resp. wegen den an- wesenden Klappen gestaut werden. — Unter günstigen Umständen kann durch diese Stauung eine so vollkommene Unterbrechung des Einströmens von Blut in die Brusthöhle stattfinden, dass dadurch für längere Zeit eine vollkommene Unterbrechung des Kreislaufs bedingt wird. Dieses tritt nach Ed. Weber ein, wenn man tief inspirirt, die Stimmritze schliesst und dann eine kräftige Ausathmungsbewegung ausführt. Die comprimirte Luft kann die Venen vollkommen zuschliessen. Man wird nach diesen Auseinandersetzungen erkennen, dass die Be- wegungen des Brustkastens im Ganzen und Grossen ganz dasselbe lei- sten, was auch die Herzbewegung vermag, denn auch sie pumpen das Blut aus den grossen Stämmen gegen die Peripherie. Neben dem un- wesentlichen Unterschied, dass für gewöhnlich die Brustbewegungen län- ger anhalten und seltener wiederkehren, als die des Herzens, besteht aber noch der eingreifendere, dass sie an den Arterien und Venen jedes-

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/118>, abgerufen am 24.04.2024.