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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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aber den Epithelialstoffen (Hoppe); das erweichte Zwischengewebe im
Zahnbein und Kitt ist Collagen, die nächste Umgebung der Röhren, Kugel-
räume und Knochenkörperchen aber eine besondere in kochendem Wasser
unlösliche Substanz (Hoppe). -- Die in diesen Substanzen eingelager-
ten Salze enthalten nach Berzelius phosphorsauren Kalk und Talk,
kohlensauren Kalk, Fluorcalcium und Talk; die phosphorsaure Kalkerde
überwiegt hier in derselben Weise wie im Knochen. Die Verhältnisse,
in welchen die organischen und unorganischen Bestandtheile in den ein-
zelnen der erwähnten Gebilde enthalten sind, wechseln. In der Oberhaut
und Prismen des getrockneten Schmelzes fand v. Bibra zwischen 3,6
bis 6,0 pCt. organische und 94,0 bis 96,4 pCt. unorganische, in dem
Zahnbein 21,0 bis 29,4 pCt. organische und 79,0 bis 70,6 unorganische
Bestandtheile. Aus der Flüssigkeit, welche das Zahnmark durchtränkt,
kann durch Essigsäure ein schleimartiger Körper gefällt werden; das
Streifengewebe desselben reagirt dem Bindegewebe nicht in allen Stücken
ähnlich.

3. Ernährung. Der Entstehung des Zahns muss der Aufbau eines
besondern Werkzeugs vorausgehen, das aus einem Säckchen, den Zahn-
und Schmelzkeimen besteht. Das Säckchen ist eine Aushöhlung in den
Zahnrändern des Kiefers, die, von einer derben Haut umgeben, nach
der einen Seite von dem Knochen und nach der andern von dem knorpel-
harten Zahnfleisch begrenzt wird. An den entgegengesetzten Wandungen
des Säckchens treten die beiden Keime hervor und zwar der Zahnkeim
von der Seite des Knochens und der des Schmelzs von der Zahnfleisch-
seite. Damit ist zugleich ausgedrückt, dass der erste nur einen kleinen
Theil von der Wandung des Zahnsacks bedeckt, während der zweite dem
weitaus grössten Theil der innern Wandfläche anliegt. Umgekehrt wie
der Querschnitt verhält sich die Höhe beider Auswüchse, denn während
der Zahnkeim wie eine starke an dem freistehenden Theil verbreiterte
Warze in den Zahnsack hineinragt, bildet der Schmelzkeim nur eine
niedrige Lage. -- Beide Keime füllen den Sack vollkommen aus, so dass
sie mit ihren freien in die Höhle schauenden Oberflächen unmittelbar
wider einander liegen. Der Schmelzkeim besteht nun, vom Zahnsäckchen
aus gerechnet, aus einer Schicht Bindegewebe mit Gefässen, dann einer
stärkern Lage schwammigen Gewebes, das von verästelten und commu-
nizirenden Zellen durchzogen und mit einer eiweisshaltigen Flüssigkeit
durchtränkt ist, auf diesem sitzt ein Cylinderepithelium, dessen Oberfläche
von einer strukturlosen Haut bedeckt wird, auf der endlich die Schmelz-
prismen stehen. -- Der Zahnkeim ist an die Wand des Säckchens ge-
heftet durch eine faserigen bindegewebsartigen Masse, welche von Blut-
gefässen durchzogen ist; auf ihm sitzt ein Zellenlager, welches gegen den
Schmelz hin in lange Aeste auswächst, zwischen denen eine strukturlose
Ausfüllungsmasse liegt. Diese Ausläufer stossen unmittelbar an die

Zähne.
aber den Epithelialstoffen (Hoppe); das erweichte Zwischengewebe im
Zahnbein und Kitt ist Collagen, die nächste Umgebung der Röhren, Kugel-
räume und Knochenkörperchen aber eine besondere in kochendem Wasser
unlösliche Substanz (Hoppe). — Die in diesen Substanzen eingelager-
ten Salze enthalten nach Berzelius phosphorsauren Kalk und Talk,
kohlensauren Kalk, Fluorcalcium und Talk; die phosphorsaure Kalkerde
überwiegt hier in derselben Weise wie im Knochen. Die Verhältnisse,
in welchen die organischen und unorganischen Bestandtheile in den ein-
zelnen der erwähnten Gebilde enthalten sind, wechseln. In der Oberhaut
und Prismen des getrockneten Schmelzes fand v. Bibra zwischen 3,6
bis 6,0 pCt. organische und 94,0 bis 96,4 pCt. unorganische, in dem
Zahnbein 21,0 bis 29,4 pCt. organische und 79,0 bis 70,6 unorganische
Bestandtheile. Aus der Flüssigkeit, welche das Zahnmark durchtränkt,
kann durch Essigsäure ein schleimartiger Körper gefällt werden; das
Streifengewebe desselben reagirt dem Bindegewebe nicht in allen Stücken
ähnlich.

3. Ernährung. Der Entstehung des Zahns muss der Aufbau eines
besondern Werkzeugs vorausgehen, das aus einem Säckchen, den Zahn-
und Schmelzkeimen besteht. Das Säckchen ist eine Aushöhlung in den
Zahnrändern des Kiefers, die, von einer derben Haut umgeben, nach
der einen Seite von dem Knochen und nach der andern von dem knorpel-
harten Zahnfleisch begrenzt wird. An den entgegengesetzten Wandungen
des Säckchens treten die beiden Keime hervor und zwar der Zahnkeim
von der Seite des Knochens und der des Schmelzs von der Zahnfleisch-
seite. Damit ist zugleich ausgedrückt, dass der erste nur einen kleinen
Theil von der Wandung des Zahnsacks bedeckt, während der zweite dem
weitaus grössten Theil der innern Wandfläche anliegt. Umgekehrt wie
der Querschnitt verhält sich die Höhe beider Auswüchse, denn während
der Zahnkeim wie eine starke an dem freistehenden Theil verbreiterte
Warze in den Zahnsack hineinragt, bildet der Schmelzkeim nur eine
niedrige Lage. — Beide Keime füllen den Sack vollkommen aus, so dass
sie mit ihren freien in die Höhle schauenden Oberflächen unmittelbar
wider einander liegen. Der Schmelzkeim besteht nun, vom Zahnsäckchen
aus gerechnet, aus einer Schicht Bindegewebe mit Gefässen, dann einer
stärkern Lage schwammigen Gewebes, das von verästelten und commu-
nizirenden Zellen durchzogen und mit einer eiweisshaltigen Flüssigkeit
durchtränkt ist, auf diesem sitzt ein Cylinderepithelium, dessen Oberfläche
von einer strukturlosen Haut bedeckt wird, auf der endlich die Schmelz-
prismen stehen. — Der Zahnkeim ist an die Wand des Säckchens ge-
heftet durch eine faserigen bindegewebsartigen Masse, welche von Blut-
gefässen durchzogen ist; auf ihm sitzt ein Zellenlager, welches gegen den
Schmelz hin in lange Aeste auswächst, zwischen denen eine strukturlose
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[200/0216] Zähne. aber den Epithelialstoffen (Hoppe); das erweichte Zwischengewebe im Zahnbein und Kitt ist Collagen, die nächste Umgebung der Röhren, Kugel- räume und Knochenkörperchen aber eine besondere in kochendem Wasser unlösliche Substanz (Hoppe). — Die in diesen Substanzen eingelager- ten Salze enthalten nach Berzelius phosphorsauren Kalk und Talk, kohlensauren Kalk, Fluorcalcium und Talk; die phosphorsaure Kalkerde überwiegt hier in derselben Weise wie im Knochen. Die Verhältnisse, in welchen die organischen und unorganischen Bestandtheile in den ein- zelnen der erwähnten Gebilde enthalten sind, wechseln. In der Oberhaut und Prismen des getrockneten Schmelzes fand v. Bibra zwischen 3,6 bis 6,0 pCt. organische und 94,0 bis 96,4 pCt. unorganische, in dem Zahnbein 21,0 bis 29,4 pCt. organische und 79,0 bis 70,6 unorganische Bestandtheile. Aus der Flüssigkeit, welche das Zahnmark durchtränkt, kann durch Essigsäure ein schleimartiger Körper gefällt werden; das Streifengewebe desselben reagirt dem Bindegewebe nicht in allen Stücken ähnlich. 3. Ernährung. Der Entstehung des Zahns muss der Aufbau eines besondern Werkzeugs vorausgehen, das aus einem Säckchen, den Zahn- und Schmelzkeimen besteht. Das Säckchen ist eine Aushöhlung in den Zahnrändern des Kiefers, die, von einer derben Haut umgeben, nach der einen Seite von dem Knochen und nach der andern von dem knorpel- harten Zahnfleisch begrenzt wird. An den entgegengesetzten Wandungen des Säckchens treten die beiden Keime hervor und zwar der Zahnkeim von der Seite des Knochens und der des Schmelzs von der Zahnfleisch- seite. Damit ist zugleich ausgedrückt, dass der erste nur einen kleinen Theil von der Wandung des Zahnsacks bedeckt, während der zweite dem weitaus grössten Theil der innern Wandfläche anliegt. Umgekehrt wie der Querschnitt verhält sich die Höhe beider Auswüchse, denn während der Zahnkeim wie eine starke an dem freistehenden Theil verbreiterte Warze in den Zahnsack hineinragt, bildet der Schmelzkeim nur eine niedrige Lage. — Beide Keime füllen den Sack vollkommen aus, so dass sie mit ihren freien in die Höhle schauenden Oberflächen unmittelbar wider einander liegen. Der Schmelzkeim besteht nun, vom Zahnsäckchen aus gerechnet, aus einer Schicht Bindegewebe mit Gefässen, dann einer stärkern Lage schwammigen Gewebes, das von verästelten und commu- nizirenden Zellen durchzogen und mit einer eiweisshaltigen Flüssigkeit durchtränkt ist, auf diesem sitzt ein Cylinderepithelium, dessen Oberfläche von einer strukturlosen Haut bedeckt wird, auf der endlich die Schmelz- prismen stehen. — Der Zahnkeim ist an die Wand des Säckchens ge- heftet durch eine faserigen bindegewebsartigen Masse, welche von Blut- gefässen durchzogen ist; auf ihm sitzt ein Zellenlager, welches gegen den Schmelz hin in lange Aeste auswächst, zwischen denen eine strukturlose Ausfüllungsmasse liegt. Diese Ausläufer stossen unmittelbar an die

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/216>, abgerufen am 28.03.2024.