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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Aufsaugung durch die Lymphgefässe.
wie die des Hundes. -- Die Geschwindigkeit des Lymphstromes kann aber
ebenfalls nur unbedeutend sein, weil schon die langen und engen Gefässe,
noch mehr aber die Lymphdrüsen, einen so grossen Widerstand einführen.
Zudem strömt aus einem geöffneten Lymphgefäss die Flüssigkeit nur tropfen-
weise aus. -- Die Richtung des Stromes muss unter allen Umständen
von den Wurzeln nach den Venen gehen; dieses ergiebt sich schon ganz
einfach aus der besonderen Anordnung der Klappen, welche, bekanntlich
in sehr kurzen Zwischenräumen aufeinander folgend, so gestellt sind, dass
sie den Strom nur in der bezeichneten Richtung möglich machen. --
Zu den Gewalten, welche die Spannung und Bewegung der Lymphe
unterhalten, zählen, wie Noll nachgewiesen, jedenfalls die Respirations-
bewegungen und die Pressungen, welche die umliegenden Muskeln geradezu
oder auf Umwegen auf die Gefässe ausüben. -- Beide Einflüsse wirken
hier ganz in derselben Weise, die schon ausführlich beim Blutstrom be-
sprochen wurde (pag. 99 u. f.). Ausserdem kann nicht wohl bestritten
werden, dass auch zeitweise die Muskeln in der Wand des Lymphgefässes
dem Inhalte eine Bewegung mittheilen werden. Daneben aber steht auch
fest, dass diese drei Umstände gewiss nicht die einzigen Triebfedern des
Lymphstromes darstellen. Denn es besteht auch noch die Lymphbewe-
gung an Orten, wo keine Muskeln, weder innerhalb noch jenseits der
Muskelwand, wirksam sein können, wie z. B. in den Lymphgefässen der
Knochen und in den Anfängen der Lymphgefässe mit muskelfreien Wan-
dungen; zudem ergiebt die Beobachtung der blosgelegten Lymphgefässe
oder des in sie eingefügten Manometers, dass der Strom oft unter der-
selben Spannung lange Zeit hindurch anhält, ohne irgend welche sicht-
bare Veränderung in dem Durchmesser des Gefässes oder ohne dass irgend
welche Zusammenziehung in den umgebenden Muskeln bemerklich ist.
Endlich erfolgt aber, wie aus den Beobachtungen von Stannius*) her-
vorgeht, auch noch die Lymphbewegung in todtenstarren Gliedern. Die
Respirationsbewegung kann aber nicht Ursache des dauernden Stromes
sein, da sie selbst in der Nähe der Einmündung des Gefässes in die Vene
nur sehr unbedeutende Spannungsveränderungen erzeugt und keinenfalls
jenseits der Drüse hinwirkt; die mögliche Unabhängigkeit unseres Stromes
von diesen Bewegungen wird aber am besten durch den bekannten Ver-
such erwiesen, dass ein Gefäss, wenn es auch zugeschnürt ist, sich
zwischen den Wurzeln und dem Unterbindungsfaden strotzend anfüllt,
obwohl sich durch die unterbundene Stelle hindurch die Folgen der Re-
spirationsbewegung gar nicht geltend machen können. -- Nach alle diesem
liegt es nahe, zu vermuthen, dass die Gewalt, welche die Flüssigkeit in
die Gefässe treibt, auch die Fortführung durch dieselben zu vermitteln
möge. Von diesem Gesichtspunkte aus ist es nun bemerkenswerth, dass

*) Archiv für physiolog. Heilkunde. XI. 23.

Aufsaugung durch die Lymphgefässe.
wie die des Hundes. — Die Geschwindigkeit des Lymphstromes kann aber
ebenfalls nur unbedeutend sein, weil schon die langen und engen Gefässe,
noch mehr aber die Lymphdrüsen, einen so grossen Widerstand einführen.
Zudem strömt aus einem geöffneten Lymphgefäss die Flüssigkeit nur tropfen-
weise aus. — Die Richtung des Stromes muss unter allen Umständen
von den Wurzeln nach den Venen gehen; dieses ergiebt sich schon ganz
einfach aus der besonderen Anordnung der Klappen, welche, bekanntlich
in sehr kurzen Zwischenräumen aufeinander folgend, so gestellt sind, dass
sie den Strom nur in der bezeichneten Richtung möglich machen. —
Zu den Gewalten, welche die Spannung und Bewegung der Lymphe
unterhalten, zählen, wie Noll nachgewiesen, jedenfalls die Respirations-
bewegungen und die Pressungen, welche die umliegenden Muskeln geradezu
oder auf Umwegen auf die Gefässe ausüben. — Beide Einflüsse wirken
hier ganz in derselben Weise, die schon ausführlich beim Blutstrom be-
sprochen wurde (pag. 99 u. f.). Ausserdem kann nicht wohl bestritten
werden, dass auch zeitweise die Muskeln in der Wand des Lymphgefässes
dem Inhalte eine Bewegung mittheilen werden. Daneben aber steht auch
fest, dass diese drei Umstände gewiss nicht die einzigen Triebfedern des
Lymphstromes darstellen. Denn es besteht auch noch die Lymphbewe-
gung an Orten, wo keine Muskeln, weder innerhalb noch jenseits der
Muskelwand, wirksam sein können, wie z. B. in den Lymphgefässen der
Knochen und in den Anfängen der Lymphgefässe mit muskelfreien Wan-
dungen; zudem ergiebt die Beobachtung der blosgelegten Lymphgefässe
oder des in sie eingefügten Manometers, dass der Strom oft unter der-
selben Spannung lange Zeit hindurch anhält, ohne irgend welche sicht-
bare Veränderung in dem Durchmesser des Gefässes oder ohne dass irgend
welche Zusammenziehung in den umgebenden Muskeln bemerklich ist.
Endlich erfolgt aber, wie aus den Beobachtungen von Stannius*) her-
vorgeht, auch noch die Lymphbewegung in todtenstarren Gliedern. Die
Respirationsbewegung kann aber nicht Ursache des dauernden Stromes
sein, da sie selbst in der Nähe der Einmündung des Gefässes in die Vene
nur sehr unbedeutende Spannungsveränderungen erzeugt und keinenfalls
jenseits der Drüse hinwirkt; die mögliche Unabhängigkeit unseres Stromes
von diesen Bewegungen wird aber am besten durch den bekannten Ver-
such erwiesen, dass ein Gefäss, wenn es auch zugeschnürt ist, sich
zwischen den Wurzeln und dem Unterbindungsfaden strotzend anfüllt,
obwohl sich durch die unterbundene Stelle hindurch die Folgen der Re-
spirationsbewegung gar nicht geltend machen können. — Nach alle diesem
liegt es nahe, zu vermuthen, dass die Gewalt, welche die Flüssigkeit in
die Gefässe treibt, auch die Fortführung durch dieselben zu vermitteln
möge. Von diesem Gesichtspunkte aus ist es nun bemerkenswerth, dass

*) Archiv für physiolog. Heilkunde. XI. 23.
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[373/0389] Aufsaugung durch die Lymphgefässe. wie die des Hundes. — Die Geschwindigkeit des Lymphstromes kann aber ebenfalls nur unbedeutend sein, weil schon die langen und engen Gefässe, noch mehr aber die Lymphdrüsen, einen so grossen Widerstand einführen. Zudem strömt aus einem geöffneten Lymphgefäss die Flüssigkeit nur tropfen- weise aus. — Die Richtung des Stromes muss unter allen Umständen von den Wurzeln nach den Venen gehen; dieses ergiebt sich schon ganz einfach aus der besonderen Anordnung der Klappen, welche, bekanntlich in sehr kurzen Zwischenräumen aufeinander folgend, so gestellt sind, dass sie den Strom nur in der bezeichneten Richtung möglich machen. — Zu den Gewalten, welche die Spannung und Bewegung der Lymphe unterhalten, zählen, wie Noll nachgewiesen, jedenfalls die Respirations- bewegungen und die Pressungen, welche die umliegenden Muskeln geradezu oder auf Umwegen auf die Gefässe ausüben. — Beide Einflüsse wirken hier ganz in derselben Weise, die schon ausführlich beim Blutstrom be- sprochen wurde (pag. 99 u. f.). Ausserdem kann nicht wohl bestritten werden, dass auch zeitweise die Muskeln in der Wand des Lymphgefässes dem Inhalte eine Bewegung mittheilen werden. Daneben aber steht auch fest, dass diese drei Umstände gewiss nicht die einzigen Triebfedern des Lymphstromes darstellen. Denn es besteht auch noch die Lymphbewe- gung an Orten, wo keine Muskeln, weder innerhalb noch jenseits der Muskelwand, wirksam sein können, wie z. B. in den Lymphgefässen der Knochen und in den Anfängen der Lymphgefässe mit muskelfreien Wan- dungen; zudem ergiebt die Beobachtung der blosgelegten Lymphgefässe oder des in sie eingefügten Manometers, dass der Strom oft unter der- selben Spannung lange Zeit hindurch anhält, ohne irgend welche sicht- bare Veränderung in dem Durchmesser des Gefässes oder ohne dass irgend welche Zusammenziehung in den umgebenden Muskeln bemerklich ist. Endlich erfolgt aber, wie aus den Beobachtungen von Stannius *) her- vorgeht, auch noch die Lymphbewegung in todtenstarren Gliedern. Die Respirationsbewegung kann aber nicht Ursache des dauernden Stromes sein, da sie selbst in der Nähe der Einmündung des Gefässes in die Vene nur sehr unbedeutende Spannungsveränderungen erzeugt und keinenfalls jenseits der Drüse hinwirkt; die mögliche Unabhängigkeit unseres Stromes von diesen Bewegungen wird aber am besten durch den bekannten Ver- such erwiesen, dass ein Gefäss, wenn es auch zugeschnürt ist, sich zwischen den Wurzeln und dem Unterbindungsfaden strotzend anfüllt, obwohl sich durch die unterbundene Stelle hindurch die Folgen der Re- spirationsbewegung gar nicht geltend machen können. — Nach alle diesem liegt es nahe, zu vermuthen, dass die Gewalt, welche die Flüssigkeit in die Gefässe treibt, auch die Fortführung durch dieselben zu vermitteln möge. Von diesem Gesichtspunkte aus ist es nun bemerkenswerth, dass *) Archiv für physiolog. Heilkunde. XI. 23.

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/389>, abgerufen am 19.04.2024.