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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Schlingen.
Verbindung mit der hinteren Schlundwand eine zeitweilige Scheidewand
zwischen dem oberen und unteren Theile des Schlundkopfes, etwas unter-
halb der Choanen, herstellt; hierbei greifen die einzelnen Theile so in-
einander, dass die levatores palati antici und postici in der Nähe des
harten Gaumens und die schräg vom Kopf nach dem Larynx verlau-
fenden Schnürmuskeln des Schlundes die hintere Fläche des Gaumen-
segels zu einer schief nach hinten abfallenden Fläche erheben; diese
Wirkung der bezeichneten Muskeln wird unterstützt durch den Bissen,
welcher von der Zunge aus das velum pendulum hebend vor sich her-
schiebt. Der Spalt, der zwischen dem hinteren Gaumenbogen dann noch
übrig bleibt, wird geschlossen: vorn durch die Verkürzung des m. pa-
latoglossus und des als Ventil dazwischen gedrängten Zäpfchens; hinten
durch eine Falte, welche sich von der Schlundwand hervorhebt in Folge
der seitlichen Zusammenpressung, welche der Pharynx durch die ab-
steigend und horizontal verlaufenden Muskelfasern erfährt. -- Der Zu-
gang zu der Stimmritze wird unmöglich gemacht durch eine Zusam-
menziehung ihrer Schliesser und das gleichzeitige Niederdrücken des
Kehldeckels vermittelst des von der Zunge herdringenden Bissen. Die
Deckung, welche der Kehlkopf von Seite der Epiglottis erfährt, wird da-
durch vollkommen, dass sich die letztere der Zunge möglichst nähert,
in Folge der gleichzeitig eintretenden Zusammenziehung der aufsteigen-
den Schlundschnürer und des m. thyreohyoideus; die Berührung
der sehr empfindlichen Eingangsflächen in den Kehlkopf vermeidet die
Epiglottis bei dieser Bewegung, weil sie sich auf die emporragenden
cartilag. arytenoideae stützt. -- Somit bleibt dem allseitig gedrückten
Bissen nur der Weg in den unteren Theil des Schlundkopfes, der
um so leichter genommen wird, als sich derselbe mit der Hebung des
Kehlkopfes der Zungenwurzel entgegenschiebt. Dort angelangt, wird er
durch eine Zusammenziehung der Schlundschnürer dem Oesophagus
überliefert, welcher sich jedesmal in den Stücken verengert, die unmittel-
bar oberhalb und um den Bissen gelegen sind; diese Zusammenziehung
schreitet mit dem Inhalte allmählig von oben nach unten fort, wobei
sie aber immer nur einen beschränkten Abschnitt der Muskulatur zu-
gleich ergreift, indem die Fasern der Orte, welche der Bissen verlassen
hat, auch allmählig zu ihrer normalen Länge zurückkehren.

Die Nerven, welche der Reihe nach beim Schlingen in Erregung
treten, sind nicht durchweg bekannt. Aeste der nn. trigeminus, hypo-
glossus und des Vagusstammes sind unzweifelhaft betheiligt; ob auch die
Schlund- und Gaumenzweige der nn. trigeminus, facialis und glosso-
pharyngeus dazu gehören, ist zweifelhaft. Jedenfalls aber steht hier
wie bei der Augenbewegung fest, dass Nervenröhren mit sehr verschie-
denen Hirnursprüngen in diese combinirte Bewegung als Erreger ein-
gehen.

Schlingen.
Verbindung mit der hinteren Schlundwand eine zeitweilige Scheidewand
zwischen dem oberen und unteren Theile des Schlundkopfes, etwas unter-
halb der Choanen, herstellt; hierbei greifen die einzelnen Theile so in-
einander, dass die levatores palati antici und postici in der Nähe des
harten Gaumens und die schräg vom Kopf nach dem Larynx verlau-
fenden Schnürmuskeln des Schlundes die hintere Fläche des Gaumen-
segels zu einer schief nach hinten abfallenden Fläche erheben; diese
Wirkung der bezeichneten Muskeln wird unterstützt durch den Bissen,
welcher von der Zunge aus das velum pendulum hebend vor sich her-
schiebt. Der Spalt, der zwischen dem hinteren Gaumenbogen dann noch
übrig bleibt, wird geschlossen: vorn durch die Verkürzung des m. pa-
latoglossus und des als Ventil dazwischen gedrängten Zäpfchens; hinten
durch eine Falte, welche sich von der Schlundwand hervorhebt in Folge
der seitlichen Zusammenpressung, welche der Pharynx durch die ab-
steigend und horizontal verlaufenden Muskelfasern erfährt. — Der Zu-
gang zu der Stimmritze wird unmöglich gemacht durch eine Zusam-
menziehung ihrer Schliesser und das gleichzeitige Niederdrücken des
Kehldeckels vermittelst des von der Zunge herdringenden Bissen. Die
Deckung, welche der Kehlkopf von Seite der Epiglottis erfährt, wird da-
durch vollkommen, dass sich die letztere der Zunge möglichst nähert,
in Folge der gleichzeitig eintretenden Zusammenziehung der aufsteigen-
den Schlundschnürer und des m. thyreohyoideus; die Berührung
der sehr empfindlichen Eingangsflächen in den Kehlkopf vermeidet die
Epiglottis bei dieser Bewegung, weil sie sich auf die emporragenden
cartilag. arytenoideae stützt. — Somit bleibt dem allseitig gedrückten
Bissen nur der Weg in den unteren Theil des Schlundkopfes, der
um so leichter genommen wird, als sich derselbe mit der Hebung des
Kehlkopfes der Zungenwurzel entgegenschiebt. Dort angelangt, wird er
durch eine Zusammenziehung der Schlundschnürer dem Oesophagus
überliefert, welcher sich jedesmal in den Stücken verengert, die unmittel-
bar oberhalb und um den Bissen gelegen sind; diese Zusammenziehung
schreitet mit dem Inhalte allmählig von oben nach unten fort, wobei
sie aber immer nur einen beschränkten Abschnitt der Muskulatur zu-
gleich ergreift, indem die Fasern der Orte, welche der Bissen verlassen
hat, auch allmählig zu ihrer normalen Länge zurückkehren.

Die Nerven, welche der Reihe nach beim Schlingen in Erregung
treten, sind nicht durchweg bekannt. Aeste der nn. trigeminus, hypo-
glossus und des Vagusstammes sind unzweifelhaft betheiligt; ob auch die
Schlund- und Gaumenzweige der nn. trigeminus, facialis und glosso-
pharyngeus dazu gehören, ist zweifelhaft. Jedenfalls aber steht hier
wie bei der Augenbewegung fest, dass Nervenröhren mit sehr verschie-
denen Hirnursprüngen in diese combinirte Bewegung als Erreger ein-
gehen.

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[394/0410] Schlingen. Verbindung mit der hinteren Schlundwand eine zeitweilige Scheidewand zwischen dem oberen und unteren Theile des Schlundkopfes, etwas unter- halb der Choanen, herstellt; hierbei greifen die einzelnen Theile so in- einander, dass die levatores palati antici und postici in der Nähe des harten Gaumens und die schräg vom Kopf nach dem Larynx verlau- fenden Schnürmuskeln des Schlundes die hintere Fläche des Gaumen- segels zu einer schief nach hinten abfallenden Fläche erheben; diese Wirkung der bezeichneten Muskeln wird unterstützt durch den Bissen, welcher von der Zunge aus das velum pendulum hebend vor sich her- schiebt. Der Spalt, der zwischen dem hinteren Gaumenbogen dann noch übrig bleibt, wird geschlossen: vorn durch die Verkürzung des m. pa- latoglossus und des als Ventil dazwischen gedrängten Zäpfchens; hinten durch eine Falte, welche sich von der Schlundwand hervorhebt in Folge der seitlichen Zusammenpressung, welche der Pharynx durch die ab- steigend und horizontal verlaufenden Muskelfasern erfährt. — Der Zu- gang zu der Stimmritze wird unmöglich gemacht durch eine Zusam- menziehung ihrer Schliesser und das gleichzeitige Niederdrücken des Kehldeckels vermittelst des von der Zunge herdringenden Bissen. Die Deckung, welche der Kehlkopf von Seite der Epiglottis erfährt, wird da- durch vollkommen, dass sich die letztere der Zunge möglichst nähert, in Folge der gleichzeitig eintretenden Zusammenziehung der aufsteigen- den Schlundschnürer und des m. thyreohyoideus; die Berührung der sehr empfindlichen Eingangsflächen in den Kehlkopf vermeidet die Epiglottis bei dieser Bewegung, weil sie sich auf die emporragenden cartilag. arytenoideae stützt. — Somit bleibt dem allseitig gedrückten Bissen nur der Weg in den unteren Theil des Schlundkopfes, der um so leichter genommen wird, als sich derselbe mit der Hebung des Kehlkopfes der Zungenwurzel entgegenschiebt. Dort angelangt, wird er durch eine Zusammenziehung der Schlundschnürer dem Oesophagus überliefert, welcher sich jedesmal in den Stücken verengert, die unmittel- bar oberhalb und um den Bissen gelegen sind; diese Zusammenziehung schreitet mit dem Inhalte allmählig von oben nach unten fort, wobei sie aber immer nur einen beschränkten Abschnitt der Muskulatur zu- gleich ergreift, indem die Fasern der Orte, welche der Bissen verlassen hat, auch allmählig zu ihrer normalen Länge zurückkehren. Die Nerven, welche der Reihe nach beim Schlingen in Erregung treten, sind nicht durchweg bekannt. Aeste der nn. trigeminus, hypo- glossus und des Vagusstammes sind unzweifelhaft betheiligt; ob auch die Schlund- und Gaumenzweige der nn. trigeminus, facialis und glosso- pharyngeus dazu gehören, ist zweifelhaft. Jedenfalls aber steht hier wie bei der Augenbewegung fest, dass Nervenröhren mit sehr verschie- denen Hirnursprüngen in diese combinirte Bewegung als Erreger ein- gehen.

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/410>, abgerufen am 28.03.2024.