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Mangoldt, Hans von: Die Lehre vom Unternehmergewinn. Leipzig, 1855.

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Beschränkung der von ihr aufgestellten Sätze die unzweifelhaf-
testen Anhaltepunkte und gewann, weit entfernt ihre Würde
dadurch beeinträchtigt zu sehen, gerade auf diesem Wege eine
feste Grundlage ihrer Größe.

Auch die Volkswirthschaftslehre, deren Entstehung und
Entwickelung von Anfang an mit dem praktischen Bedürfnisse
aufs innigste verbunden war, ist dem Zuge, für das praktische
Leben zu arbeiten, mit steigender Neigung gefolgt, und eben
dieser Zug hat sie zu ihren tiefsten und genialsten Forschungen
geführt. Insbesondere verdankt sie ihm die tiefen und ein-
greifenden Erörterungen über die Gesetze der Gütervertheilung.

Es ist eine natürliche Folge der fortschreitenden ökonomi-
schen und Culturentwickelung, daß einerseits die bestehenden
Schäden immer mehr ans Licht gezogen werden, andererseits die
Ansprüche der Menschen an das Leben sich fortwährend vermeh-
ren. Aber wie hierin die Vorbedingung zu jeder weitern Ent-
wickelung liegt, so auch eine unleugbare Gefahr; denn dem Be-
schränkten, welchem seine Beschränkung immer deutlicher gemacht,
sein Anspruch auf eine bessere Lage immer tiefer eingeprägt wird,
wird der Gedanke einer Berufung an die rohe Gewalt sehr nahe
gelegt. -- Nicht ohne Grund entsteht daher die Frage nach einer
Garantie gegen jene Gefahr, die Frage: ist es möglich, den
Druck, der auf den niedern Classen lastet, von ihnen abzuneh-
men? ihnen ein größeres Maß von Genüssen zu Theil werden,
von dem Reichthum der Gesellschaft ihnen ein größeres Stück
zukommen zu lassen? mit andern Worten: die Frage nach der
Möglichkeit einer Einwirkung auf die Vertheilung der Güter.
Und diese führt nothwendig auf die Vorfrage zurück: welches
sind die natürlichen Gesetze, nach welchen sich, wenn eine zwangs-
weise Einwirkung nicht stattfindet, die Güter vertheilen, und zu
welchem Erfolge führen sie?

Beſchraͤnkung der von ihr aufgeſtellten Saͤtze die unzweifelhaf-
teſten Anhaltepunkte und gewann, weit entfernt ihre Wuͤrde
dadurch beeintraͤchtigt zu ſehen, gerade auf dieſem Wege eine
feſte Grundlage ihrer Groͤße.

Auch die Volkswirthſchaftslehre, deren Entſtehung und
Entwickelung von Anfang an mit dem praktiſchen Beduͤrfniſſe
aufs innigſte verbunden war, iſt dem Zuge, fuͤr das praktiſche
Leben zu arbeiten, mit ſteigender Neigung gefolgt, und eben
dieſer Zug hat ſie zu ihren tiefſten und genialſten Forſchungen
gefuͤhrt. Insbeſondere verdankt ſie ihm die tiefen und ein-
greifenden Eroͤrterungen uͤber die Geſetze der Guͤtervertheilung.

Es iſt eine natuͤrliche Folge der fortſchreitenden oͤkonomi-
ſchen und Culturentwickelung, daß einerſeits die beſtehenden
Schaͤden immer mehr ans Licht gezogen werden, andererſeits die
Anſpruͤche der Menſchen an das Leben ſich fortwaͤhrend vermeh-
ren. Aber wie hierin die Vorbedingung zu jeder weitern Ent-
wickelung liegt, ſo auch eine unleugbare Gefahr; denn dem Be-
ſchraͤnkten, welchem ſeine Beſchraͤnkung immer deutlicher gemacht,
ſein Anſpruch auf eine beſſere Lage immer tiefer eingepraͤgt wird,
wird der Gedanke einer Berufung an die rohe Gewalt ſehr nahe
gelegt. — Nicht ohne Grund entſteht daher die Frage nach einer
Garantie gegen jene Gefahr, die Frage: iſt es moͤglich, den
Druck, der auf den niedern Claſſen laſtet, von ihnen abzuneh-
men? ihnen ein groͤßeres Maß von Genuͤſſen zu Theil werden,
von dem Reichthum der Geſellſchaft ihnen ein groͤßeres Stuͤck
zukommen zu laſſen? mit andern Worten: die Frage nach der
Moͤglichkeit einer Einwirkung auf die Vertheilung der Guͤter.
Und dieſe fuͤhrt nothwendig auf die Vorfrage zuruͤck: welches
ſind die natuͤrlichen Geſetze, nach welchen ſich, wenn eine zwangs-
weiſe Einwirkung nicht ſtattfindet, die Guͤter vertheilen, und zu
welchem Erfolge fuͤhren ſie?

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[2/0014] Beſchraͤnkung der von ihr aufgeſtellten Saͤtze die unzweifelhaf- teſten Anhaltepunkte und gewann, weit entfernt ihre Wuͤrde dadurch beeintraͤchtigt zu ſehen, gerade auf dieſem Wege eine feſte Grundlage ihrer Groͤße. Auch die Volkswirthſchaftslehre, deren Entſtehung und Entwickelung von Anfang an mit dem praktiſchen Beduͤrfniſſe aufs innigſte verbunden war, iſt dem Zuge, fuͤr das praktiſche Leben zu arbeiten, mit ſteigender Neigung gefolgt, und eben dieſer Zug hat ſie zu ihren tiefſten und genialſten Forſchungen gefuͤhrt. Insbeſondere verdankt ſie ihm die tiefen und ein- greifenden Eroͤrterungen uͤber die Geſetze der Guͤtervertheilung. Es iſt eine natuͤrliche Folge der fortſchreitenden oͤkonomi- ſchen und Culturentwickelung, daß einerſeits die beſtehenden Schaͤden immer mehr ans Licht gezogen werden, andererſeits die Anſpruͤche der Menſchen an das Leben ſich fortwaͤhrend vermeh- ren. Aber wie hierin die Vorbedingung zu jeder weitern Ent- wickelung liegt, ſo auch eine unleugbare Gefahr; denn dem Be- ſchraͤnkten, welchem ſeine Beſchraͤnkung immer deutlicher gemacht, ſein Anſpruch auf eine beſſere Lage immer tiefer eingepraͤgt wird, wird der Gedanke einer Berufung an die rohe Gewalt ſehr nahe gelegt. — Nicht ohne Grund entſteht daher die Frage nach einer Garantie gegen jene Gefahr, die Frage: iſt es moͤglich, den Druck, der auf den niedern Claſſen laſtet, von ihnen abzuneh- men? ihnen ein groͤßeres Maß von Genuͤſſen zu Theil werden, von dem Reichthum der Geſellſchaft ihnen ein groͤßeres Stuͤck zukommen zu laſſen? mit andern Worten: die Frage nach der Moͤglichkeit einer Einwirkung auf die Vertheilung der Guͤter. Und dieſe fuͤhrt nothwendig auf die Vorfrage zuruͤck: welches ſind die natuͤrlichen Geſetze, nach welchen ſich, wenn eine zwangs- weiſe Einwirkung nicht ſtattfindet, die Guͤter vertheilen, und zu welchem Erfolge fuͤhren ſie?

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Zitationshilfe: Mangoldt, Hans von: Die Lehre vom Unternehmergewinn. Leipzig, 1855, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mangoldt_unternehmergewinn_1855/14>, abgerufen am 29.03.2024.