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Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

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Drittes Buch. Zweytes Hauptstück.
Antheil unter irgend einem Vorwande nimmt, durch wel-
chen sie sich gegen den Vorwurf einer Verletzung des Völ-
kerrechts zu schützen sucht.

Dabey sind jedoch noch drey Hauptfälle zu unterschei-
den, ob nemlich 1) von der Besetzung des Throns in mo-
narchischen Staaten, oder 2) von Einführung einer mehr
oder minderen Gewalt des Regenten, oder 3) von förmli-
chen Revolutionen die Rede ist.

§. 68.
Erbfolge in Monarchien.

Ist die Rede von Besetzung des Throns in monar-
chischen Staaten, so hat zwar jede Nation 1) das Befugniß
einer Familie das Recht der Regierung erblich zu übertra-
gen und zwischen den Mitgliedern derselben das Recht und
die Ordnung der Erbfolge festzusetzen 2) nach Aussterben
der zur Erbfolge berechtigten ein neues Oberhaupt für seine
Person oder Familie zu wählen 3) bey entstehendem Erb-
folgestreit zwischen mehreren Prätendenten denjenigen an-
zuerkennen, dessen Recht sie für am Besten gegründet hält a),
oder wenn sich dies nicht bestimmen läßt, einen unter ihnen
zu erwählen b); aber 1) hält nicht nur ein auswärtiger Prä-
tendent sich für berechtiget seinen Anspruch allenfalls mit
den Waffen in der Hand durchzusetzen, auch 2) den Bey-
stand seiner Alliirten hiezu aufzufordern, sondern auch dritte
Mächte finden bald 3) in ihrer Freundschaft und Nachbar-
schaft, bald 4) in ihren mit dem einen Theil geschloßenen
Verträgen, bald 5) in einem erworbenen besondren Recht
des Widerspruchs, bald 6) in der Sorge für die Erhaltung
des Gleichgewichts einen mehr oder minder gegründeten
Vorwand, sich nachdrücklich in diese Streitigkeiten zu mi-
schen; daher sind, insonderheit seit den letzten Jahrhunderten,
wo die mehr befestigte innere Ruhe und die verfeinerte Po-
litik den Staaten mehr Gelegenheit gegeben sich um fremde
Angelegenheiten zu bekümmern, die mehresten und wichtig-

sten

Drittes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck.
Antheil unter irgend einem Vorwande nimmt, durch wel-
chen ſie ſich gegen den Vorwurf einer Verletzung des Voͤl-
kerrechts zu ſchuͤtzen ſucht.

Dabey ſind jedoch noch drey Hauptfaͤlle zu unterſchei-
den, ob nemlich 1) von der Beſetzung des Throns in mo-
narchiſchen Staaten, oder 2) von Einfuͤhrung einer mehr
oder minderen Gewalt des Regenten, oder 3) von foͤrmli-
chen Revolutionen die Rede iſt.

§. 68.
Erbfolge in Monarchien.

Iſt die Rede von Beſetzung des Throns in monar-
chiſchen Staaten, ſo hat zwar jede Nation 1) das Befugniß
einer Familie das Recht der Regierung erblich zu uͤbertra-
gen und zwiſchen den Mitgliedern derſelben das Recht und
die Ordnung der Erbfolge feſtzuſetzen 2) nach Ausſterben
der zur Erbfolge berechtigten ein neues Oberhaupt fuͤr ſeine
Perſon oder Familie zu waͤhlen 3) bey entſtehendem Erb-
folgeſtreit zwiſchen mehreren Praͤtendenten denjenigen an-
zuerkennen, deſſen Recht ſie fuͤr am Beſten gegruͤndet haͤlt a),
oder wenn ſich dies nicht beſtimmen laͤßt, einen unter ihnen
zu erwaͤhlen b); aber 1) haͤlt nicht nur ein auswaͤrtiger Praͤ-
tendent ſich fuͤr berechtiget ſeinen Anſpruch allenfalls mit
den Waffen in der Hand durchzuſetzen, auch 2) den Bey-
ſtand ſeiner Alliirten hiezu aufzufordern, ſondern auch dritte
Maͤchte finden bald 3) in ihrer Freundſchaft und Nachbar-
ſchaft, bald 4) in ihren mit dem einen Theil geſchloßenen
Vertraͤgen, bald 5) in einem erworbenen beſondren Recht
des Widerſpruchs, bald 6) in der Sorge fuͤr die Erhaltung
des Gleichgewichts einen mehr oder minder gegruͤndeten
Vorwand, ſich nachdruͤcklich in dieſe Streitigkeiten zu mi-
ſchen; daher ſind, inſonderheit ſeit den letzten Jahrhunderten,
wo die mehr befeſtigte innere Ruhe und die verfeinerte Po-
litik den Staaten mehr Gelegenheit gegeben ſich um fremde
Angelegenheiten zu bekuͤmmern, die mehreſten und wichtig-

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[82/0110] Drittes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck. Antheil unter irgend einem Vorwande nimmt, durch wel- chen ſie ſich gegen den Vorwurf einer Verletzung des Voͤl- kerrechts zu ſchuͤtzen ſucht. Dabey ſind jedoch noch drey Hauptfaͤlle zu unterſchei- den, ob nemlich 1) von der Beſetzung des Throns in mo- narchiſchen Staaten, oder 2) von Einfuͤhrung einer mehr oder minderen Gewalt des Regenten, oder 3) von foͤrmli- chen Revolutionen die Rede iſt. §. 68. Erbfolge in Monarchien. Iſt die Rede von Beſetzung des Throns in monar- chiſchen Staaten, ſo hat zwar jede Nation 1) das Befugniß einer Familie das Recht der Regierung erblich zu uͤbertra- gen und zwiſchen den Mitgliedern derſelben das Recht und die Ordnung der Erbfolge feſtzuſetzen 2) nach Ausſterben der zur Erbfolge berechtigten ein neues Oberhaupt fuͤr ſeine Perſon oder Familie zu waͤhlen 3) bey entſtehendem Erb- folgeſtreit zwiſchen mehreren Praͤtendenten denjenigen an- zuerkennen, deſſen Recht ſie fuͤr am Beſten gegruͤndet haͤlt a), oder wenn ſich dies nicht beſtimmen laͤßt, einen unter ihnen zu erwaͤhlen b); aber 1) haͤlt nicht nur ein auswaͤrtiger Praͤ- tendent ſich fuͤr berechtiget ſeinen Anſpruch allenfalls mit den Waffen in der Hand durchzuſetzen, auch 2) den Bey- ſtand ſeiner Alliirten hiezu aufzufordern, ſondern auch dritte Maͤchte finden bald 3) in ihrer Freundſchaft und Nachbar- ſchaft, bald 4) in ihren mit dem einen Theil geſchloßenen Vertraͤgen, bald 5) in einem erworbenen beſondren Recht des Widerſpruchs, bald 6) in der Sorge fuͤr die Erhaltung des Gleichgewichts einen mehr oder minder gegruͤndeten Vorwand, ſich nachdruͤcklich in dieſe Streitigkeiten zu mi- ſchen; daher ſind, inſonderheit ſeit den letzten Jahrhunderten, wo die mehr befeſtigte innere Ruhe und die verfeinerte Po- litik den Staaten mehr Gelegenheit gegeben ſich um fremde Angelegenheiten zu bekuͤmmern, die mehreſten und wichtig- ſten

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Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/110>, abgerufen am 29.03.2024.