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Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

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Rechte d. Völker in Ans. d. einzelnen Hoheitsrechte.
wenn ein teutscher Landesherr einen Ausländer naturalisirt, die-
ser dadurch in ganz Teutschland die Rechte eingebohrner Teut-
schen erlange.
h) Ueber die desfalls, nach erfolgtem Widerruf des Edicts von
Nantes, zwischen Frankreich und den Niederländern entstande-
nen Streitigkeiten s. Memoires du comte d'Avaux T. V. p. 169.
172. T. VI. p.
14. Nicht blos in Ansehung der Emigration,
sondern auch in mannigfaltiger anderer Rücksicht ist oft die Frage
wichtig, wer für einen Eingebohrnen zu halten sey; aber sie ist
nicht immer leicht zu bestimmen s. Günther E V. R. Th. II.
S. 256. u. f. Daß dabey ordentlicher Weise auf den Wohnsitz
der Eltern zu sehen sey ist richtig; ist aber dieser Character
indelebitis, und wie steht es, wenn eine Provinz für unabhängig
erkannt oder abgetreten wird? Was in Kriegszeiten darüber für
Streitigkeiten entstehn können, lehren noch neuere Beyspiele s.
Morning Chronicle 1795. n. 8052.
§. 79.
Gesetzgebende Gewalt.

Das Recht den Unterthanen verbindliche Vorschriften
für ihre Handlungen zu ertheilen, oder die gesetzgebende Ge-
walt erstreckt sich über alle, auch die temporairen Unter-
thanen des Staats.

Sofern in Anfehung der fremden Einwohner keine
Ausnahmen, zu ihrem Vortheil oder Nachtheil a) gemacht
worden, sofern sind sie den allgemeinen Landesgesetzen un-
terworfen, und ihre Angelegenheiten sind nach dem gemei-
nen Recht zu beurtheilen b).

Nun ist zwar das gemeine Privatrecht des einen
Landes, von dem eines andren in unzählig vielen Puncten
verschieden. Doch zeigt sich im allgemeinen eine auffallende
Aehnlichkeit der Privatrechte der christlichen Völker, welche
sich theils daraus, daß das natürliche Recht die Grundlage
aller ist, theils daraus erkläret, daß das römische Recht in
einem so großen Theil Europens als subsidiarisches Recht
aufgenommen worden, und wo dies auch nicht der Fall ist,
doch bey Abfassung der Gesetze zum Muster gedient hat c).


a) Ehe-
G 3
Rechte d. Voͤlker in Anſ. d. einzelnen Hoheitsrechte.
wenn ein teutſcher Landesherr einen Auslaͤnder naturaliſirt, die-
ſer dadurch in ganz Teutſchland die Rechte eingebohrner Teut-
ſchen erlange.
h) Ueber die desfalls, nach erfolgtem Widerruf des Edicts von
Nantes, zwiſchen Frankreich und den Niederlaͤndern entſtande-
nen Streitigkeiten ſ. Memoires du comte d’Avaux T. V. p. 169.
172. T. VI. p.
14. Nicht blos in Anſehung der Emigration,
ſondern auch in mannigfaltiger anderer Ruͤckſicht iſt oft die Frage
wichtig, wer fuͤr einen Eingebohrnen zu halten ſey; aber ſie iſt
nicht immer leicht zu beſtimmen ſ. Guͤnther E V. R. Th. II.
S. 256. u. f. Daß dabey ordentlicher Weiſe auf den Wohnſitz
der Eltern zu ſehen ſey iſt richtig; iſt aber dieſer Character
indelebitis, und wie ſteht es, wenn eine Provinz fuͤr unabhaͤngig
erkannt oder abgetreten wird? Was in Kriegszeiten daruͤber fuͤr
Streitigkeiten entſtehn koͤnnen, lehren noch neuere Beyſpiele ſ.
Morning Chronicle 1795. n. 8052.
§. 79.
Geſetzgebende Gewalt.

Das Recht den Unterthanen verbindliche Vorſchriften
fuͤr ihre Handlungen zu ertheilen, oder die geſetzgebende Ge-
walt erſtreckt ſich uͤber alle, auch die temporairen Unter-
thanen des Staats.

Sofern in Anfehung der fremden Einwohner keine
Ausnahmen, zu ihrem Vortheil oder Nachtheil a) gemacht
worden, ſofern ſind ſie den allgemeinen Landesgeſetzen un-
terworfen, und ihre Angelegenheiten ſind nach dem gemei-
nen Recht zu beurtheilen b).

Nun iſt zwar das gemeine Privatrecht des einen
Landes, von dem eines andren in unzaͤhlig vielen Puncten
verſchieden. Doch zeigt ſich im allgemeinen eine auffallende
Aehnlichkeit der Privatrechte der chriſtlichen Voͤlker, welche
ſich theils daraus, daß das natuͤrliche Recht die Grundlage
aller iſt, theils daraus erklaͤret, daß das roͤmiſche Recht in
einem ſo großen Theil Europens als ſubſidiariſches Recht
aufgenommen worden, und wo dies auch nicht der Fall iſt,
doch bey Abfaſſung der Geſetze zum Muſter gedient hat c).


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[101/0129] Rechte d. Voͤlker in Anſ. d. einzelnen Hoheitsrechte. g⁾ wenn ein teutſcher Landesherr einen Auslaͤnder naturaliſirt, die- ſer dadurch in ganz Teutſchland die Rechte eingebohrner Teut- ſchen erlange. h⁾ Ueber die desfalls, nach erfolgtem Widerruf des Edicts von Nantes, zwiſchen Frankreich und den Niederlaͤndern entſtande- nen Streitigkeiten ſ. Memoires du comte d’Avaux T. V. p. 169. 172. T. VI. p. 14. Nicht blos in Anſehung der Emigration, ſondern auch in mannigfaltiger anderer Ruͤckſicht iſt oft die Frage wichtig, wer fuͤr einen Eingebohrnen zu halten ſey; aber ſie iſt nicht immer leicht zu beſtimmen ſ. Guͤnther E V. R. Th. II. S. 256. u. f. Daß dabey ordentlicher Weiſe auf den Wohnſitz der Eltern zu ſehen ſey iſt richtig; iſt aber dieſer Character indelebitis, und wie ſteht es, wenn eine Provinz fuͤr unabhaͤngig erkannt oder abgetreten wird? Was in Kriegszeiten daruͤber fuͤr Streitigkeiten entſtehn koͤnnen, lehren noch neuere Beyſpiele ſ. Morning Chronicle 1795. n. 8052. §. 79. Geſetzgebende Gewalt. Das Recht den Unterthanen verbindliche Vorſchriften fuͤr ihre Handlungen zu ertheilen, oder die geſetzgebende Ge- walt erſtreckt ſich uͤber alle, auch die temporairen Unter- thanen des Staats. Sofern in Anfehung der fremden Einwohner keine Ausnahmen, zu ihrem Vortheil oder Nachtheil a) gemacht worden, ſofern ſind ſie den allgemeinen Landesgeſetzen un- terworfen, und ihre Angelegenheiten ſind nach dem gemei- nen Recht zu beurtheilen b). Nun iſt zwar das gemeine Privatrecht des einen Landes, von dem eines andren in unzaͤhlig vielen Puncten verſchieden. Doch zeigt ſich im allgemeinen eine auffallende Aehnlichkeit der Privatrechte der chriſtlichen Voͤlker, welche ſich theils daraus, daß das natuͤrliche Recht die Grundlage aller iſt, theils daraus erklaͤret, daß das roͤmiſche Recht in einem ſo großen Theil Europens als ſubſidiariſches Recht aufgenommen worden, und wo dies auch nicht der Fall iſt, doch bey Abfaſſung der Geſetze zum Muſter gedient hat c). a) Ehe- G 3

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Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/129>, abgerufen am 28.03.2024.