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Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

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Erhaltung der Freyheit und Sicherheit.
an Mächte gegeben, die man zu beruhigen wünscht b).
Nur dann, wenn man keine beruhigende Antwort zu erthei-
len im Stande ist, erfolgen zweydeutige, unbestimmte Ant-
worten c), oder man beruft sich auf die Unabhängigkeit der
Völker, nach welcher sie keine Rechenschaft von ihren Hand-
lungen zu geben haben d).

Wie es nun schon natürliche Pflicht ist gelindere Mit-
tel den härteren vorgehn zu lassen, so finden die Mächte
in jener Sitte einen neuen Grund des Rechts zu verlan-
gen, daß erst freundschaftliche Erklärungen gefordert wer-
den müssen, ehe man zu Thätlichkeiten schreitet e). Daß
indeß zuweilen Umstände dergleiche Anfragen als überflüssig
und wegen des Zeitverlusts nachtheilig betrachten lassen kön-
nen, ist unläugbar f).

a) F. C. von Moser von dem Recht eines Souverains den
andern zur Rede zu stellen
, in dessen kleinen Schriften Th. VI.
S. 287. J. J. Moser Versuch Th. VI. S. 409. Gün-
ther
Th. I. S. 293-319.
b) Günther a. a. O. S. 303.
c) Moser Versuch Th. VI. S. 413. Beyträge zu der neue-
ren Staats- und Kriegsgeschichte
Th. I. S. 170. u. f.
d) Merc. hist. et pol. 1748. T. I. p. 194.
e) Montgon memoires T. II. app. n. 4. 5.
f) S. z. B. Büsch Welthändel S. 231.
§. 115.
2) Recht Verträge einzugehn oder nicht einzugehn.

So hat auch jeder unabhängige Staat das Recht
nach seiner Willkühr Verträge aller Art mit andren einzu-
gehn, die er seinem Interesse gemäß findet, und eine dritte
Macht ist nicht befugt ihn hieran zu hindern, wenn da-
durch ihren vollkommnen Rechten nichts entzogen wird.

Auf der andern Seite aber ist er auch befugt, Ver-
träge die ihm angetragen werden abzulehnen, und dritte
Mächte haben so wenig das Recht ihn zu Schließung sol-

cher

Erhaltung der Freyheit und Sicherheit.
an Maͤchte gegeben, die man zu beruhigen wuͤnſcht b).
Nur dann, wenn man keine beruhigende Antwort zu erthei-
len im Stande iſt, erfolgen zweydeutige, unbeſtimmte Ant-
worten c), oder man beruft ſich auf die Unabhaͤngigkeit der
Voͤlker, nach welcher ſie keine Rechenſchaft von ihren Hand-
lungen zu geben haben d).

Wie es nun ſchon natuͤrliche Pflicht iſt gelindere Mit-
tel den haͤrteren vorgehn zu laſſen, ſo finden die Maͤchte
in jener Sitte einen neuen Grund des Rechts zu verlan-
gen, daß erſt freundſchaftliche Erklaͤrungen gefordert wer-
den muͤſſen, ehe man zu Thaͤtlichkeiten ſchreitet e). Daß
indeß zuweilen Umſtaͤnde dergleiche Anfragen als uͤberfluͤſſig
und wegen des Zeitverluſts nachtheilig betrachten laſſen koͤn-
nen, iſt unlaͤugbar f).

a) F. C. von Moſer von dem Recht eines Souverains den
andern zur Rede zu ſtellen
, in deſſen kleinen Schriften Th. VI.
S. 287. J. J. Moſer Verſuch Th. VI. S. 409. Guͤn-
ther
Th. I. S. 293‒319.
b) Guͤnther a. a. O. S. 303.
c) Moſer Verſuch Th. VI. S. 413. Beytraͤge zu der neue-
ren Staats- und Kriegsgeſchichte
Th. I. S. 170. u. f.
d) Merc. hiſt. et pol. 1748. T. I. p. 194.
e) Montgon memoires T. II. app. n. 4. 5.
f) S. z. B. Buͤſch Welthaͤndel S. 231.
§. 115.
2) Recht Vertraͤge einzugehn oder nicht einzugehn.

So hat auch jeder unabhaͤngige Staat das Recht
nach ſeiner Willkuͤhr Vertraͤge aller Art mit andren einzu-
gehn, die er ſeinem Intereſſe gemaͤß findet, und eine dritte
Macht iſt nicht befugt ihn hieran zu hindern, wenn da-
durch ihren vollkommnen Rechten nichts entzogen wird.

Auf der andern Seite aber iſt er auch befugt, Ver-
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Maͤchte haben ſo wenig das Recht ihn zu Schließung ſol-

cher
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[139/0167] Erhaltung der Freyheit und Sicherheit. an Maͤchte gegeben, die man zu beruhigen wuͤnſcht b). Nur dann, wenn man keine beruhigende Antwort zu erthei- len im Stande iſt, erfolgen zweydeutige, unbeſtimmte Ant- worten c), oder man beruft ſich auf die Unabhaͤngigkeit der Voͤlker, nach welcher ſie keine Rechenſchaft von ihren Hand- lungen zu geben haben d). Wie es nun ſchon natuͤrliche Pflicht iſt gelindere Mit- tel den haͤrteren vorgehn zu laſſen, ſo finden die Maͤchte in jener Sitte einen neuen Grund des Rechts zu verlan- gen, daß erſt freundſchaftliche Erklaͤrungen gefordert wer- den muͤſſen, ehe man zu Thaͤtlichkeiten ſchreitet e). Daß indeß zuweilen Umſtaͤnde dergleiche Anfragen als uͤberfluͤſſig und wegen des Zeitverluſts nachtheilig betrachten laſſen koͤn- nen, iſt unlaͤugbar f). a⁾ F. C. von Moſer von dem Recht eines Souverains den andern zur Rede zu ſtellen, in deſſen kleinen Schriften Th. VI. S. 287. J. J. Moſer Verſuch Th. VI. S. 409. Guͤn- ther Th. I. S. 293‒319. b⁾ Guͤnther a. a. O. S. 303. c⁾ Moſer Verſuch Th. VI. S. 413. Beytraͤge zu der neue- ren Staats- und Kriegsgeſchichte Th. I. S. 170. u. f. d⁾ Merc. hiſt. et pol. 1748. T. I. p. 194. e⁾ Montgon memoires T. II. app. n. 4. 5. f⁾ S. z. B. Buͤſch Welthaͤndel S. 231. §. 115. 2) Recht Vertraͤge einzugehn oder nicht einzugehn. So hat auch jeder unabhaͤngige Staat das Recht nach ſeiner Willkuͤhr Vertraͤge aller Art mit andren einzu- gehn, die er ſeinem Intereſſe gemaͤß findet, und eine dritte Macht iſt nicht befugt ihn hieran zu hindern, wenn da- durch ihren vollkommnen Rechten nichts entzogen wird. Auf der andern Seite aber iſt er auch befugt, Ver- traͤge die ihm angetragen werden abzulehnen, und dritte Maͤchte haben ſo wenig das Recht ihn zu Schließung ſol- cher

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Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/167>, abgerufen am 29.03.2024.