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Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

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Gleichheit Würden und Rang.
b) Ehemahls soll in sacris die linke Hand die Ehrenseite gewesen
seyn Le Bret Vorlesungen T. II. p. 96. Eben dieß behauptet
Büsbecq von den Türken s. Gothofredus l. c. p. 154. Daß
selbst jetzt die Regel der rechten Hand hin und wieder Ausnah-
men leide, zeigen z. B. die Gondeln in Venedig, s. v. Rohr
Ceremonial-Wissenschaft
S. 109. Das Fußgänger-Recht in
London, das Voorheut in dem Haag u. s. f.
c) So hat z. B. bey Reichsversammlungen der Churfürst von der
Pfalz den dritten Platz zur Rechten des Kaisers für ehrenvoller,
als den zweyten zur Linken angesehn.
d) S. z. B. die zwischen den teutschen Churfürsten nach Verschie-
denheit der Gelegenheiten verschieden bestimmte Rangfolge Püt-
ter
inst. iur. publ. §. 89. not b (ed. V.)
e) Da jeder Staat bey sich zu Hause Herr des Ceremoniels ist, so
können auch bey zahlreichen Versammlungen, Prozessionen u. s. f.
willkührliche Bestimmungen, z. B. durch Bildung mehrerer von
einander verschiedener Körper, gemacht werden.
f) Frankreich hat im 17ten Jahrhundert lange den verein. Nieder-
ländern das Recht auf einer zweyten Columne zu unterzeichnen
bestritten, aber nachmahls eingeräumt. Jetzt scheint es fast daß
man auf diese Spitzfindigkeit weniger Werth lege.
§. 128.
Gründe zu Behauptung der Präcedenz.

Wie in mittleren Zeiten die Concilien die häufigsten
Gelegenheiten zu zahlreichen Versammlungen der Mächte
durch ihre Representanten gaben, so boten sie auch theils
eine fruchtbare Veranlassung zu Präcedenzstreitigkeiten, theils
dem Pabst eine Gelegenheit dar, sich in diese Präcedenz-
streitigkeit zu mischen. Hier ward bald das Alter der Un-
abhängigkeit, der Regenten-Familie, des eingeführten
Christenthums, bald die Regierungsform, die Zahl der Kro-
nen, die Würde, Titel, Erhabenheit der Thaten, der ge-
leisteten Dienste, der Besitz u. s. f. angeführt, um eine Prä-
cedenzforderung zu unterstützen a) und mit Hülfe päbstlicher,
oft nach den Umständen auf ganz verschiedene Gründe ge-
baueten Entscheidungen geltend zu machen. Die von Pabst

Julius
Gleichheit Wuͤrden und Rang.
b) Ehemahls ſoll in ſacris die linke Hand die Ehrenſeite geweſen
ſeyn Le Bret Vorleſungen T. II. p. 96. Eben dieß behauptet
Buͤsbecq von den Tuͤrken ſ. Gothofredus l. c. p. 154. Daß
ſelbſt jetzt die Regel der rechten Hand hin und wieder Ausnah-
men leide, zeigen z. B. die Gondeln in Venedig, ſ. v. Rohr
Ceremonial-Wiſſenſchaft
S. 109. Das Fußgaͤnger-Recht in
London, das Voorheut in dem Haag u. ſ. f.
c) So hat z. B. bey Reichsverſammlungen der Churfuͤrſt von der
Pfalz den dritten Platz zur Rechten des Kaiſers fuͤr ehrenvoller,
als den zweyten zur Linken angeſehn.
d) S. z. B. die zwiſchen den teutſchen Churfuͤrſten nach Verſchie-
denheit der Gelegenheiten verſchieden beſtimmte Rangfolge Püt-
ter
inſt. iur. publ. §. 89. not b (ed. V.)
e) Da jeder Staat bey ſich zu Hauſe Herr des Ceremoniels iſt, ſo
koͤnnen auch bey zahlreichen Verſammlungen, Prozeſſionen u. ſ. f.
willkuͤhrliche Beſtimmungen, z. B. durch Bildung mehrerer von
einander verſchiedener Koͤrper, gemacht werden.
f) Frankreich hat im 17ten Jahrhundert lange den verein. Nieder-
laͤndern das Recht auf einer zweyten Columne zu unterzeichnen
beſtritten, aber nachmahls eingeraͤumt. Jetzt ſcheint es faſt daß
man auf dieſe Spitzfindigkeit weniger Werth lege.
§. 128.
Gruͤnde zu Behauptung der Praͤcedenz.

Wie in mittleren Zeiten die Concilien die haͤufigſten
Gelegenheiten zu zahlreichen Verſammlungen der Maͤchte
durch ihre Repreſentanten gaben, ſo boten ſie auch theils
eine fruchtbare Veranlaſſung zu Praͤcedenzſtreitigkeiten, theils
dem Pabſt eine Gelegenheit dar, ſich in dieſe Praͤcedenz-
ſtreitigkeit zu miſchen. Hier ward bald das Alter der Un-
abhaͤngigkeit, der Regenten-Familie, des eingefuͤhrten
Chriſtenthums, bald die Regierungsform, die Zahl der Kro-
nen, die Wuͤrde, Titel, Erhabenheit der Thaten, der ge-
leiſteten Dienſte, der Beſitz u. ſ. f. angefuͤhrt, um eine Praͤ-
cedenzforderung zu unterſtuͤtzen a) und mit Huͤlfe paͤbſtlicher,
oft nach den Umſtaͤnden auf ganz verſchiedene Gruͤnde ge-
baueten Entſcheidungen geltend zu machen. Die von Pabſt

Julius
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[155/0183] Gleichheit Wuͤrden und Rang. b⁾ Ehemahls ſoll in ſacris die linke Hand die Ehrenſeite geweſen ſeyn Le Bret Vorleſungen T. II. p. 96. Eben dieß behauptet Buͤsbecq von den Tuͤrken ſ. Gothofredus l. c. p. 154. Daß ſelbſt jetzt die Regel der rechten Hand hin und wieder Ausnah- men leide, zeigen z. B. die Gondeln in Venedig, ſ. v. Rohr Ceremonial-Wiſſenſchaft S. 109. Das Fußgaͤnger-Recht in London, das Voorheut in dem Haag u. ſ. f. c⁾ So hat z. B. bey Reichsverſammlungen der Churfuͤrſt von der Pfalz den dritten Platz zur Rechten des Kaiſers fuͤr ehrenvoller, als den zweyten zur Linken angeſehn. d⁾ S. z. B. die zwiſchen den teutſchen Churfuͤrſten nach Verſchie- denheit der Gelegenheiten verſchieden beſtimmte Rangfolge Püt- ter inſt. iur. publ. §. 89. not b (ed. V.) e⁾ Da jeder Staat bey ſich zu Hauſe Herr des Ceremoniels iſt, ſo koͤnnen auch bey zahlreichen Verſammlungen, Prozeſſionen u. ſ. f. willkuͤhrliche Beſtimmungen, z. B. durch Bildung mehrerer von einander verſchiedener Koͤrper, gemacht werden. f⁾ Frankreich hat im 17ten Jahrhundert lange den verein. Nieder- laͤndern das Recht auf einer zweyten Columne zu unterzeichnen beſtritten, aber nachmahls eingeraͤumt. Jetzt ſcheint es faſt daß man auf dieſe Spitzfindigkeit weniger Werth lege. §. 128. Gruͤnde zu Behauptung der Praͤcedenz. Wie in mittleren Zeiten die Concilien die haͤufigſten Gelegenheiten zu zahlreichen Verſammlungen der Maͤchte durch ihre Repreſentanten gaben, ſo boten ſie auch theils eine fruchtbare Veranlaſſung zu Praͤcedenzſtreitigkeiten, theils dem Pabſt eine Gelegenheit dar, ſich in dieſe Praͤcedenz- ſtreitigkeit zu miſchen. Hier ward bald das Alter der Un- abhaͤngigkeit, der Regenten-Familie, des eingefuͤhrten Chriſtenthums, bald die Regierungsform, die Zahl der Kro- nen, die Wuͤrde, Titel, Erhabenheit der Thaten, der ge- leiſteten Dienſte, der Beſitz u. ſ. f. angefuͤhrt, um eine Praͤ- cedenzforderung zu unterſtuͤtzen a) und mit Huͤlfe paͤbſtlicher, oft nach den Umſtaͤnden auf ganz verſchiedene Gruͤnde ge- baueten Entſcheidungen geltend zu machen. Die von Pabſt Julius

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Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/183>, abgerufen am 29.03.2024.