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Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

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Retorsion und Represalien.
tigkeiten. Beides wird unter dem Nahmen von Represa-
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begriffen a).

a) Lynker de iure represaliarum Jen. 1691. 4. C. v. Bynkershoek
quaest. iur. publ. Lib. I. cap. 24. Kahle
a. a. O.
§. 252.
Wann sie statt haben.

Da jeder Staat auf der einen Seite seine Unterthanen
gegen Auswärtige zu schützen berechtiget, auf der andren
aber auch Auswärtigen gegen seine Unterthanen unpar-
theyische Gerechtigkeit angedeihen zu lassen vollkommen ver-
bunden ist, so können nicht nur Verletzungen die ein anderer
Staat unmittelbar gegen unsren Staat oder dessen Unter-
thanen begangen hat, sondern auch diejenigen, welche unmit-
telbar von dessen Unterthanen begangen worden, dann
wenn die geforderte Genugthuung verweigert oder un-
gebührlich verzögert wird a), den Gebrauch der Repre-
salien rechtfertigen.

a) Daß nur dann Represalien statt haben sollen, wenn diese Genug-
thuung vergebens begehret worden, ist seit dem 15 Jahrhundert
immer mehr in den Verträgen der europäischen Mächte festgesetzt
worden. m. Essai concernant les armateurs Chap. I. §. 4.
§. 253.
Gegenstände der Represalien.

Sofern jeder Unterthan für die Schulden und Ver-
letzungen seines Staats mit seiner Person und seinen Gü-
tern haftet, sofern, aber nicht weiter, können Represalien
nicht nur unmittelbar gegen den Staat, oder gegen den
Urheber der Verletzung, sondern auch gegen die Person und
Güter der übrigen Unterthanen geübet werden. Hieraus
ist zu beurtheilen wie weit die strenge Wiedervergeltung
(talion) erlaubt sey; offenbar ist sie es nicht in allen Fällen a).

a) Allgemein haftet der unschuldige Unterthan nur in sofern mit seiner
Person und seinen Gütern für die Verletzungen des Staats, als ihn
T 3

Retorſion und Repreſalien.
tigkeiten. Beides wird unter dem Nahmen von Repreſa-
lien
begriffen a).

a) Lynker de iure repreſaliarum Jen. 1691. 4. C. v. Bynkershoek
quaeſt. iur. publ. Lib. I. cap. 24. Kahle
a. a. O.
§. 252.
Wann ſie ſtatt haben.

Da jeder Staat auf der einen Seite ſeine Unterthanen
gegen Auswaͤrtige zu ſchuͤtzen berechtiget, auf der andren
aber auch Auswaͤrtigen gegen ſeine Unterthanen unpar-
theyiſche Gerechtigkeit angedeihen zu laſſen vollkommen ver-
bunden iſt, ſo koͤnnen nicht nur Verletzungen die ein anderer
Staat unmittelbar gegen unſren Staat oder deſſen Unter-
thanen begangen hat, ſondern auch diejenigen, welche unmit-
telbar von deſſen Unterthanen begangen worden, dann
wenn die geforderte Genugthuung verweigert oder un-
gebuͤhrlich verzoͤgert wird a), den Gebrauch der Repre-
ſalien rechtfertigen.

a) Daß nur dann Repreſalien ſtatt haben ſollen, wenn dieſe Genug-
thuung vergebens begehret worden, iſt ſeit dem 15 Jahrhundert
immer mehr in den Vertraͤgen der europaͤiſchen Maͤchte feſtgeſetzt
worden. m. Eſſai concernant les armateurs Chap. I. §. 4.
§. 253.
Gegenſtaͤnde der Repreſalien.

Sofern jeder Unterthan fuͤr die Schulden und Ver-
letzungen ſeines Staats mit ſeiner Perſon und ſeinen Guͤ-
tern haftet, ſofern, aber nicht weiter, koͤnnen Repreſalien
nicht nur unmittelbar gegen den Staat, oder gegen den
Urheber der Verletzung, ſondern auch gegen die Perſon und
Guͤter der uͤbrigen Unterthanen geuͤbet werden. Hieraus
iſt zu beurtheilen wie weit die ſtrenge Wiedervergeltung
(talion) erlaubt ſey; offenbar iſt ſie es nicht in allen Faͤllen a).

a) Allgemein haftet der unſchuldige Unterthan nur in ſofern mit ſeiner
Perſon und ſeinen Guͤtern fuͤr die Verletzungen des Staats, als ihn
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[293/0321] Retorſion und Repreſalien. tigkeiten. Beides wird unter dem Nahmen von Repreſa- lien begriffen a). a⁾ Lynker de iure repreſaliarum Jen. 1691. 4. C. v. Bynkershoek quaeſt. iur. publ. Lib. I. cap. 24. Kahle a. a. O. §. 252. Wann ſie ſtatt haben. Da jeder Staat auf der einen Seite ſeine Unterthanen gegen Auswaͤrtige zu ſchuͤtzen berechtiget, auf der andren aber auch Auswaͤrtigen gegen ſeine Unterthanen unpar- theyiſche Gerechtigkeit angedeihen zu laſſen vollkommen ver- bunden iſt, ſo koͤnnen nicht nur Verletzungen die ein anderer Staat unmittelbar gegen unſren Staat oder deſſen Unter- thanen begangen hat, ſondern auch diejenigen, welche unmit- telbar von deſſen Unterthanen begangen worden, dann wenn die geforderte Genugthuung verweigert oder un- gebuͤhrlich verzoͤgert wird a), den Gebrauch der Repre- ſalien rechtfertigen. a⁾ Daß nur dann Repreſalien ſtatt haben ſollen, wenn dieſe Genug- thuung vergebens begehret worden, iſt ſeit dem 15 Jahrhundert immer mehr in den Vertraͤgen der europaͤiſchen Maͤchte feſtgeſetzt worden. m. Eſſai concernant les armateurs Chap. I. §. 4. §. 253. Gegenſtaͤnde der Repreſalien. Sofern jeder Unterthan fuͤr die Schulden und Ver- letzungen ſeines Staats mit ſeiner Perſon und ſeinen Guͤ- tern haftet, ſofern, aber nicht weiter, koͤnnen Repreſalien nicht nur unmittelbar gegen den Staat, oder gegen den Urheber der Verletzung, ſondern auch gegen die Perſon und Guͤter der uͤbrigen Unterthanen geuͤbet werden. Hieraus iſt zu beurtheilen wie weit die ſtrenge Wiedervergeltung (talion) erlaubt ſey; offenbar iſt ſie es nicht in allen Faͤllen a). a⁾ Allgemein haftet der unſchuldige Unterthan nur in ſofern mit ſeiner Perſon und ſeinen Guͤtern fuͤr die Verletzungen des Staats, als ihn dieſer T 3

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Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/321>, abgerufen am 25.04.2024.