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Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

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Gegenseitige Rechte während des Krieges.
Schlachtfelde liegen bleiben sollen nicht ausgeplündert a),
hingegen die Todten nicht unbegraben gelassen werden. Wer
Meister des Schlachtfeldes geblieben ist, hat das Recht für
die Verwundeten und Todten zu sorgen, und nur wenn kei-
ner von beiden Theilen sich in dieser Eigenschaft behaupten
kann b), wird zuweilen ein kurzer Waffenstillstand von 1
oder 2 Tagen gemacht, damit während desselben jeder Theil
für seine Todten und Blessirten Sorge tragen könne.

a) In den Kriegsverträgen pflegt diese Pflicht der Menschlichkeit
noch ausdrücklich vorgeschrieben zu werden, aber vergebens würde
man ihre genaue Beobachtung erwarten.
b) Moser Versuch B. IX. Th. II. S. 81.
§. 281.
Belagerungen.

Eine Festung oder ein haltbarer Ort kann entweder
durch Ueberrumpelung, oder nach vorgängiger Blockade (blo-
cus
) oder förmlicher Belagerung (siege), und in dem letzteren
Falle entweder durch Capitulation, oder im Sturm einge-
nommen werden.

Alle den Umständen nach zur Einnahme oder Verthei-
digung einer Festung nothwendige, und nicht schlechterdings
wider das positive Völkerrecht laufende Mittel können aus
der Kriegsraison gerechtfertiget werden. Daher giebt es
Fälle, wo es von beiden Seiten erlaubt ist die Vorstädte zu
zerstören und zu verbrennen, Bomben in die Häuser, Ma-
gazine u. s. f. der Festung zu werfen, auch den Comendan-
ten zur Uebergabe bey Strafe der Verweigerung aller Capi-
tulation aufzufordern. Aber, wahre Nothfälle ausgenommen,
ist den Gesetzen des Krieges der Regel nach nicht gemäß,
das Geschütz gegen öffentliche oder Privatgebäude in der
Stadt zu richten a), sondern dieß soll nur wider die Festungs-
werke geschehn, wie auch in der Folge nur diese geschleift,
oder sonst unhaltbar gemacht werden dürfen.


Schlech-
X

Gegenſeitige Rechte waͤhrend des Krieges.
Schlachtfelde liegen bleiben ſollen nicht ausgepluͤndert a),
hingegen die Todten nicht unbegraben gelaſſen werden. Wer
Meiſter des Schlachtfeldes geblieben iſt, hat das Recht fuͤr
die Verwundeten und Todten zu ſorgen, und nur wenn kei-
ner von beiden Theilen ſich in dieſer Eigenſchaft behaupten
kann b), wird zuweilen ein kurzer Waffenſtillſtand von 1
oder 2 Tagen gemacht, damit waͤhrend deſſelben jeder Theil
fuͤr ſeine Todten und Bleſſirten Sorge tragen koͤnne.

a) In den Kriegsvertraͤgen pflegt dieſe Pflicht der Menſchlichkeit
noch ausdruͤcklich vorgeſchrieben zu werden, aber vergebens wuͤrde
man ihre genaue Beobachtung erwarten.
b) Moſer Verſuch B. IX. Th. II. S. 81.
§. 281.
Belagerungen.

Eine Feſtung oder ein haltbarer Ort kann entweder
durch Ueberrumpelung, oder nach vorgaͤngiger Blockade (blo-
cus
) oder foͤrmlicher Belagerung (ſiège), und in dem letzteren
Falle entweder durch Capitulation, oder im Sturm einge-
nommen werden.

Alle den Umſtaͤnden nach zur Einnahme oder Verthei-
digung einer Feſtung nothwendige, und nicht ſchlechterdings
wider das poſitive Voͤlkerrecht laufende Mittel koͤnnen aus
der Kriegsraiſon gerechtfertiget werden. Daher giebt es
Faͤlle, wo es von beiden Seiten erlaubt iſt die Vorſtaͤdte zu
zerſtoͤren und zu verbrennen, Bomben in die Haͤuſer, Ma-
gazine u. ſ. f. der Feſtung zu werfen, auch den Comendan-
ten zur Uebergabe bey Strafe der Verweigerung aller Capi-
tulation aufzufordern. Aber, wahre Nothfaͤlle ausgenommen,
iſt den Geſetzen des Krieges der Regel nach nicht gemaͤß,
das Geſchuͤtz gegen oͤffentliche oder Privatgebaͤude in der
Stadt zu richten a), ſondern dieß ſoll nur wider die Feſtungs-
werke geſchehn, wie auch in der Folge nur dieſe geſchleift,
oder ſonſt unhaltbar gemacht werden duͤrfen.


Schlech-
X
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[321/0349] Gegenſeitige Rechte waͤhrend des Krieges. Schlachtfelde liegen bleiben ſollen nicht ausgepluͤndert a), hingegen die Todten nicht unbegraben gelaſſen werden. Wer Meiſter des Schlachtfeldes geblieben iſt, hat das Recht fuͤr die Verwundeten und Todten zu ſorgen, und nur wenn kei- ner von beiden Theilen ſich in dieſer Eigenſchaft behaupten kann b), wird zuweilen ein kurzer Waffenſtillſtand von 1 oder 2 Tagen gemacht, damit waͤhrend deſſelben jeder Theil fuͤr ſeine Todten und Bleſſirten Sorge tragen koͤnne. a⁾ In den Kriegsvertraͤgen pflegt dieſe Pflicht der Menſchlichkeit noch ausdruͤcklich vorgeſchrieben zu werden, aber vergebens wuͤrde man ihre genaue Beobachtung erwarten. b⁾ Moſer Verſuch B. IX. Th. II. S. 81. §. 281. Belagerungen. Eine Feſtung oder ein haltbarer Ort kann entweder durch Ueberrumpelung, oder nach vorgaͤngiger Blockade (blo- cus) oder foͤrmlicher Belagerung (ſiège), und in dem letzteren Falle entweder durch Capitulation, oder im Sturm einge- nommen werden. Alle den Umſtaͤnden nach zur Einnahme oder Verthei- digung einer Feſtung nothwendige, und nicht ſchlechterdings wider das poſitive Voͤlkerrecht laufende Mittel koͤnnen aus der Kriegsraiſon gerechtfertiget werden. Daher giebt es Faͤlle, wo es von beiden Seiten erlaubt iſt die Vorſtaͤdte zu zerſtoͤren und zu verbrennen, Bomben in die Haͤuſer, Ma- gazine u. ſ. f. der Feſtung zu werfen, auch den Comendan- ten zur Uebergabe bey Strafe der Verweigerung aller Capi- tulation aufzufordern. Aber, wahre Nothfaͤlle ausgenommen, iſt den Geſetzen des Krieges der Regel nach nicht gemaͤß, das Geſchuͤtz gegen oͤffentliche oder Privatgebaͤude in der Stadt zu richten a), ſondern dieß ſoll nur wider die Feſtungs- werke geſchehn, wie auch in der Folge nur dieſe geſchleift, oder ſonſt unhaltbar gemacht werden duͤrfen. Schlech- X

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Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/349>, abgerufen am 28.03.2024.