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Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

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Achtes Buch. Viertes Hauptstück.

Schlechterdings wider das Völkerrecht aber ist es
den Commandanten einer Festung unter Bedrohung der
Todesstrafe zur Uebergabe aufzufordern b).

a) Wohl aber um Magazine in den Brand zu stecken; auch geschah
es sonst wohl, daß alles Zeichengeben von den Kirchthürmern mit
der Bedrohung verboten ward, diese in den Brand zu stecken;
wie dieß z. B. von den Türken 1683 bey der Belagerung von
Wien geschahe. Vielleicht zielt Moser in s. Grundlehren d. V. R.
S. 245 und Versuch Th. IX. S. 109 hierauf bey seiner sonderba-
ren Behauptung, daß während der Belagerung alle Glocken und
Uhren stille stehn müssen, widrigenfalls sie dem Feinde verfallen
seyn. Die Glocken sind ohnehin dem Feinde verfallen, wenn die
Stadt sich vertheidiget hat, und müssen daher besonders ausge-
löset werden.
b) Vattel L. III. §. 143. Doch können diejenigen mit der Todes-
strafe bedrohet werden, die in ihrer Vertheidigung die Gesetze
des Kriegs verletzen. Sofern giebt es, obwohl seltene Fälle, wo
diejenigen die sich aus einem ganz unhaltbaren Ort z. B. aus
einem einzelnen Hause hartnäckig vertheidigen, mit der Todes-
strafe bedrohet werden können.
§. 282.
Eroberungen.

Nach den Kriegsgesetzen muß eine Festung oder halt-
barer Ort vor Anfang des Bombardements wenigstens ein-
mahl zur Uebergabe aufgefordert werden a); oft werden
diese Aufforderungen zum Capituliren mehrmahls wieder-
holt, oder die Festung selbst giebt ein Zeichen daß sie zu
Capituliren begehre. In diesen Fällen pflegen zum Be-
huf der Capitulation von der einen Seite Bevollmächtigte
zur Abfassung und Unterzeichnung derselben abgesandt, von
der andren bis dahin Geissel gegeben zu werden. Kömmt
aber diese nicht zu Stande, es erfolget auch kein Entsatz,
und die Festung wird mit stürmender Hand erobert, so
haben die Garnison sowohl als die Einwohner, da sie sich auf
Discretion ergeben müssen, außer ihrem Leben nichts zu

fordern
Achtes Buch. Viertes Hauptſtuͤck.

Schlechterdings wider das Voͤlkerrecht aber iſt es
den Commandanten einer Feſtung unter Bedrohung der
Todesſtrafe zur Uebergabe aufzufordern b).

a) Wohl aber um Magazine in den Brand zu ſtecken; auch geſchah
es ſonſt wohl, daß alles Zeichengeben von den Kirchthuͤrmern mit
der Bedrohung verboten ward, dieſe in den Brand zu ſtecken;
wie dieß z. B. von den Tuͤrken 1683 bey der Belagerung von
Wien geſchahe. Vielleicht zielt Moſer in ſ. Grundlehren d. V. R.
S. 245 und Verſuch Th. IX. S. 109 hierauf bey ſeiner ſonderba-
ren Behauptung, daß waͤhrend der Belagerung alle Glocken und
Uhren ſtille ſtehn muͤſſen, widrigenfalls ſie dem Feinde verfallen
ſeyn. Die Glocken ſind ohnehin dem Feinde verfallen, wenn die
Stadt ſich vertheidiget hat, und muͤſſen daher beſonders ausge-
loͤſet werden.
b) Vattel L. III. §. 143. Doch koͤnnen diejenigen mit der Todes-
ſtrafe bedrohet werden, die in ihrer Vertheidigung die Geſetze
des Kriegs verletzen. Sofern giebt es, obwohl ſeltene Faͤlle, wo
diejenigen die ſich aus einem ganz unhaltbaren Ort z. B. aus
einem einzelnen Hauſe hartnaͤckig vertheidigen, mit der Todes-
ſtrafe bedrohet werden koͤnnen.
§. 282.
Eroberungen.

Nach den Kriegsgeſetzen muß eine Feſtung oder halt-
barer Ort vor Anfang des Bombardements wenigſtens ein-
mahl zur Uebergabe aufgefordert werden a); oft werden
dieſe Aufforderungen zum Capituliren mehrmahls wieder-
holt, oder die Feſtung ſelbſt giebt ein Zeichen daß ſie zu
Capituliren begehre. In dieſen Faͤllen pflegen zum Be-
huf der Capitulation von der einen Seite Bevollmaͤchtigte
zur Abfaſſung und Unterzeichnung derſelben abgeſandt, von
der andren bis dahin Geiſſel gegeben zu werden. Koͤmmt
aber dieſe nicht zu Stande, es erfolget auch kein Entſatz,
und die Feſtung wird mit ſtuͤrmender Hand erobert, ſo
haben die Garniſon ſowohl als die Einwohner, da ſie ſich auf
Discretion ergeben muͤſſen, außer ihrem Leben nichts zu

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[322/0350] Achtes Buch. Viertes Hauptſtuͤck. Schlechterdings wider das Voͤlkerrecht aber iſt es den Commandanten einer Feſtung unter Bedrohung der Todesſtrafe zur Uebergabe aufzufordern b). a⁾ Wohl aber um Magazine in den Brand zu ſtecken; auch geſchah es ſonſt wohl, daß alles Zeichengeben von den Kirchthuͤrmern mit der Bedrohung verboten ward, dieſe in den Brand zu ſtecken; wie dieß z. B. von den Tuͤrken 1683 bey der Belagerung von Wien geſchahe. Vielleicht zielt Moſer in ſ. Grundlehren d. V. R. S. 245 und Verſuch Th. IX. S. 109 hierauf bey ſeiner ſonderba- ren Behauptung, daß waͤhrend der Belagerung alle Glocken und Uhren ſtille ſtehn muͤſſen, widrigenfalls ſie dem Feinde verfallen ſeyn. Die Glocken ſind ohnehin dem Feinde verfallen, wenn die Stadt ſich vertheidiget hat, und muͤſſen daher beſonders ausge- loͤſet werden. b⁾ Vattel L. III. §. 143. Doch koͤnnen diejenigen mit der Todes- ſtrafe bedrohet werden, die in ihrer Vertheidigung die Geſetze des Kriegs verletzen. Sofern giebt es, obwohl ſeltene Faͤlle, wo diejenigen die ſich aus einem ganz unhaltbaren Ort z. B. aus einem einzelnen Hauſe hartnaͤckig vertheidigen, mit der Todes- ſtrafe bedrohet werden koͤnnen. §. 282. Eroberungen. Nach den Kriegsgeſetzen muß eine Feſtung oder halt- barer Ort vor Anfang des Bombardements wenigſtens ein- mahl zur Uebergabe aufgefordert werden a); oft werden dieſe Aufforderungen zum Capituliren mehrmahls wieder- holt, oder die Feſtung ſelbſt giebt ein Zeichen daß ſie zu Capituliren begehre. In dieſen Faͤllen pflegen zum Be- huf der Capitulation von der einen Seite Bevollmaͤchtigte zur Abfaſſung und Unterzeichnung derſelben abgeſandt, von der andren bis dahin Geiſſel gegeben zu werden. Koͤmmt aber dieſe nicht zu Stande, es erfolget auch kein Entſatz, und die Feſtung wird mit ſtuͤrmender Hand erobert, ſo haben die Garniſon ſowohl als die Einwohner, da ſie ſich auf Discretion ergeben muͤſſen, außer ihrem Leben nichts zu fordern

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Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/350>, abgerufen am 19.04.2024.