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Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

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Achtes Buch. Fünftes Hauptstück.
Sie dienen auch zur sicheren Bedeckung für diejenigen, welche
dem Feinde zugeschickt werden, um mit ihm zu unterhan-
deln u. s. f.; 3) ertheilet man Pässe c) und sicheres Geleit
für diejenigen, welche der Feind in das feindliche Gebiet
oder Lager abschicken will, um in Unterhandlungen zu treten.
4) Bedient man sich oft dritter neutraler Mächte und ihrer
Gesandten, um dem Feinde das nöthige wissen zu lassen.

a) Wicquefort l'ambassadeur et ses Fonctions T. I. p. 36. de Real
T. V. p. 486. Vattel L. III. chap. X.
b) Wildvogel de buccinatoribus eorumque inre. Jenae 1711. 4. §. 41.
c) Hertius de litteris commeatus pro pace in dessen Opuscula T. I. p. 319.
§. 290.
Verbindlichkeit der Kriegsverträge.

Verträge welche mit dem Feinde eingegangen wor-
den, müssen, wenn sie übrigens die Erfordernisse gültiger
Verträge haben, eben so heilig gehalten werden a), als die
welche in Friedenszeiten mit freundschaftlichen Mächten ein-
gegangen werden. Denn wenn gleich sonst der Feind sei-
nem Feinde dessen Vertragsrechte so gut wie dessen Be-
sitzungen entziehn kann, so hat er doch in Ansehung der
für den Krieg b) eingegangenen Verträge diesem Recht
stillschweigend entsagt, insonderheit aber ist er sich selbst es
schuldig, nicht von einem Vorwande Gebrauch zu machen,
durch welchen alle Wiedervereinigung mit dem Feinde würde
unmöglich gemacht werden. Auch wird diese Verbindlich-
keit in den Kriegen freyer Völker von allen Mächten an-
erkannt c).

Wiefern auch die Verletzung eines Artikels derselben
berechtige von dem ganzen Vertrage abzugehn, ist nach
der allgemeinen Theorie der Vertragsrechte zu beurtheilen d).

a) Abhandlung von der Unverletzlichkeit der Waffenverträge.
b) Dieß gilt daher auch von solchen Artikeln der in Friedenszeiten
geschlossenen Verträge, welche den Fall eines künftigen Bruches
betreffen; sie behalten ihre Gültigkeit, dafern sie zur Zeit wo der
Krieg ausbrach noch bestanden.

c) Selbst

Achtes Buch. Fuͤnftes Hauptſtuͤck.
Sie dienen auch zur ſicheren Bedeckung fuͤr diejenigen, welche
dem Feinde zugeſchickt werden, um mit ihm zu unterhan-
deln u. ſ. f.; 3) ertheilet man Paͤſſe c) und ſicheres Geleit
fuͤr diejenigen, welche der Feind in das feindliche Gebiet
oder Lager abſchicken will, um in Unterhandlungen zu treten.
4) Bedient man ſich oft dritter neutraler Maͤchte und ihrer
Geſandten, um dem Feinde das noͤthige wiſſen zu laſſen.

a) Wicquefort l’ambaſſadeur et ſes Fonctions T. I. p. 36. de Real
T. V. p. 486. Vattel L. III. chap. X.
b) Wildvogel de buccinatoribus eorumque inre. Jenae 1711. 4. §. 41.
c) Hertius de litteris commeatus pro pace in deſſen Opuſcula T. I. p. 319.
§. 290.
Verbindlichkeit der Kriegsvertraͤge.

Vertraͤge welche mit dem Feinde eingegangen wor-
den, muͤſſen, wenn ſie uͤbrigens die Erforderniſſe guͤltiger
Vertraͤge haben, eben ſo heilig gehalten werden a), als die
welche in Friedenszeiten mit freundſchaftlichen Maͤchten ein-
gegangen werden. Denn wenn gleich ſonſt der Feind ſei-
nem Feinde deſſen Vertragsrechte ſo gut wie deſſen Be-
ſitzungen entziehn kann, ſo hat er doch in Anſehung der
fuͤr den Krieg b) eingegangenen Vertraͤge dieſem Recht
ſtillſchweigend entſagt, inſonderheit aber iſt er ſich ſelbſt es
ſchuldig, nicht von einem Vorwande Gebrauch zu machen,
durch welchen alle Wiedervereinigung mit dem Feinde wuͤrde
unmoͤglich gemacht werden. Auch wird dieſe Verbindlich-
keit in den Kriegen freyer Voͤlker von allen Maͤchten an-
erkannt c).

Wiefern auch die Verletzung eines Artikels derſelben
berechtige von dem ganzen Vertrage abzugehn, iſt nach
der allgemeinen Theorie der Vertragsrechte zu beurtheilen d).

a) Abhandlung von der Unverletzlichkeit der Waffenvertraͤge.
b) Dieß gilt daher auch von ſolchen Artikeln der in Friedenszeiten
geſchloſſenen Vertraͤge, welche den Fall eines kuͤnftigen Bruches
betreffen; ſie behalten ihre Guͤltigkeit, dafern ſie zur Zeit wo der
Krieg ausbrach noch beſtanden.

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[330/0358] Achtes Buch. Fuͤnftes Hauptſtuͤck. Sie dienen auch zur ſicheren Bedeckung fuͤr diejenigen, welche dem Feinde zugeſchickt werden, um mit ihm zu unterhan- deln u. ſ. f.; 3) ertheilet man Paͤſſe c) und ſicheres Geleit fuͤr diejenigen, welche der Feind in das feindliche Gebiet oder Lager abſchicken will, um in Unterhandlungen zu treten. 4) Bedient man ſich oft dritter neutraler Maͤchte und ihrer Geſandten, um dem Feinde das noͤthige wiſſen zu laſſen. a⁾ Wicquefort l’ambaſſadeur et ſes Fonctions T. I. p. 36. de Real T. V. p. 486. Vattel L. III. chap. X. b⁾ Wildvogel de buccinatoribus eorumque inre. Jenae 1711. 4. §. 41. c⁾ Hertius de litteris commeatus pro pace in deſſen Opuſcula T. I. p. 319. §. 290. Verbindlichkeit der Kriegsvertraͤge. Vertraͤge welche mit dem Feinde eingegangen wor- den, muͤſſen, wenn ſie uͤbrigens die Erforderniſſe guͤltiger Vertraͤge haben, eben ſo heilig gehalten werden a), als die welche in Friedenszeiten mit freundſchaftlichen Maͤchten ein- gegangen werden. Denn wenn gleich ſonſt der Feind ſei- nem Feinde deſſen Vertragsrechte ſo gut wie deſſen Be- ſitzungen entziehn kann, ſo hat er doch in Anſehung der fuͤr den Krieg b) eingegangenen Vertraͤge dieſem Recht ſtillſchweigend entſagt, inſonderheit aber iſt er ſich ſelbſt es ſchuldig, nicht von einem Vorwande Gebrauch zu machen, durch welchen alle Wiedervereinigung mit dem Feinde wuͤrde unmoͤglich gemacht werden. Auch wird dieſe Verbindlich- keit in den Kriegen freyer Voͤlker von allen Maͤchten an- erkannt c). Wiefern auch die Verletzung eines Artikels derſelben berechtige von dem ganzen Vertrage abzugehn, iſt nach der allgemeinen Theorie der Vertragsrechte zu beurtheilen d). a⁾ Abhandlung von der Unverletzlichkeit der Waffenvertraͤge. b⁾ Dieß gilt daher auch von ſolchen Artikeln der in Friedenszeiten geſchloſſenen Vertraͤge, welche den Fall eines kuͤnftigen Bruches betreffen; ſie behalten ihre Guͤltigkeit, dafern ſie zur Zeit wo der Krieg ausbrach noch beſtanden. c) Selbſt

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Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/358>, abgerufen am 28.03.2024.