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Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

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Von Alliirten, Hülfs- und Subsidien-Völkern.
§. 293.
Gattungen der Kriegsbündnisse.

Durch Kriegsbündnisse können zwey Mächte sich ent-
weder 1) verpflichten gemeinschaftlich gegen eine dritte Krieg
zu führen, oder 2) dem Mitcontrahenten in seinem Kriege
Beystand zu leisten; beide Gattungen der Bündnisse kön-
nen allgemein, oder nur für einen gewissen Fall, oder gegen
eine gewisse Macht eingegangen, vor oder nach Ausbruch
des Kriegs geschlossen, blos zur Vertheidigung oder auch
für Anfallskriege a) errichtet, für eine bestimmte, oder un-
bestimmte Zeit, oder für immer b) eingegangen werden.
Davon ist noch 3) der Fall verschieden, wenn ein Staat
dem andren nur eine Zahl Truppen zu seinem Dienst ver-
miethet.

a) Es wäre zwar möglich daß eine Allianz bloß offensiv wäre; aber
nicht leicht werden so Allianzen geschlossen. Die mehresten Offen-
siv-Bündnisse sind für gewisse Fälle eingegangen, doch giebt es
auch allgemenie Offensiv-Bündnisse z. B. das Familienpact. Die
mehresten Defensiv-Allianzen sind allgemein gefaßt. Ueber das
schwankende dieser ganzen Eintheilung s. Galliani B. I. Cap. V.
S. 160 u. f.
b) Viele, vor Ausbruch des Kriegs geschlossenem Defensiv-Bünd-
nisse werden auf ewig errichtet; die nachher geschlossenen meh-
rentheils nur auf gewisse Jahre.
§. 294.
Streit über den casus foederis.

Aus der Verschiedenheit dieser Verbindlichkeiten ist
bey eintretendem Falle zunächst die Frage zu beurtheilen,
ob der Alliirte zur Theilnahme verpflichtet, d. i. ob der
casus foederis vorhanden sey, sodenn was von ihm ge-
fordert werden könne. In Ansehung des ersten Puncts
kommt es nicht nur auf die Erklärung und Anwendung des
Vertrags auf den vorliegenden Fall, sondern auch darauf
an, ob nicht ältere Verträge, oder eigenes Bedürfniß der

Verbind-
Von Alliirten, Huͤlfs- und Subſidien-Voͤlkern.
§. 293.
Gattungen der Kriegsbuͤndniſſe.

Durch Kriegsbuͤndniſſe koͤnnen zwey Maͤchte ſich ent-
weder 1) verpflichten gemeinſchaftlich gegen eine dritte Krieg
zu fuͤhren, oder 2) dem Mitcontrahenten in ſeinem Kriege
Beyſtand zu leiſten; beide Gattungen der Buͤndniſſe koͤn-
nen allgemein, oder nur fuͤr einen gewiſſen Fall, oder gegen
eine gewiſſe Macht eingegangen, vor oder nach Ausbruch
des Kriegs geſchloſſen, blos zur Vertheidigung oder auch
fuͤr Anfallskriege a) errichtet, fuͤr eine beſtimmte, oder un-
beſtimmte Zeit, oder fuͤr immer b) eingegangen werden.
Davon iſt noch 3) der Fall verſchieden, wenn ein Staat
dem andren nur eine Zahl Truppen zu ſeinem Dienſt ver-
miethet.

a) Es waͤre zwar moͤglich daß eine Allianz bloß offenſiv waͤre; aber
nicht leicht werden ſo Allianzen geſchloſſen. Die mehreſten Offen-
ſiv-Buͤndniſſe ſind fuͤr gewiſſe Faͤlle eingegangen, doch giebt es
auch allgemenie Offenſiv-Buͤndniſſe z. B. das Familienpact. Die
mehreſten Defenſiv-Allianzen ſind allgemein gefaßt. Ueber das
ſchwankende dieſer ganzen Eintheilung ſ. Galliani B. I. Cap. V.
S. 160 u. f.
b) Viele, vor Ausbruch des Kriegs geſchloſſenem Defenſiv-Buͤnd-
niſſe werden auf ewig errichtet; die nachher geſchloſſenen meh-
rentheils nur auf gewiſſe Jahre.
§. 294.
Streit uͤber den caſus foederis.

Aus der Verſchiedenheit dieſer Verbindlichkeiten iſt
bey eintretendem Falle zunaͤchſt die Frage zu beurtheilen,
ob der Alliirte zur Theilnahme verpflichtet, d. i. ob der
caſus foederis vorhanden ſey, ſodenn was von ihm ge-
fordert werden koͤnne. In Anſehung des erſten Puncts
kommt es nicht nur auf die Erklaͤrung und Anwendung des
Vertrags auf den vorliegenden Fall, ſondern auch darauf
an, ob nicht aͤltere Vertraͤge, oder eigenes Beduͤrfniß der

Verbind-
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[333/0361] Von Alliirten, Huͤlfs- und Subſidien-Voͤlkern. §. 293. Gattungen der Kriegsbuͤndniſſe. Durch Kriegsbuͤndniſſe koͤnnen zwey Maͤchte ſich ent- weder 1) verpflichten gemeinſchaftlich gegen eine dritte Krieg zu fuͤhren, oder 2) dem Mitcontrahenten in ſeinem Kriege Beyſtand zu leiſten; beide Gattungen der Buͤndniſſe koͤn- nen allgemein, oder nur fuͤr einen gewiſſen Fall, oder gegen eine gewiſſe Macht eingegangen, vor oder nach Ausbruch des Kriegs geſchloſſen, blos zur Vertheidigung oder auch fuͤr Anfallskriege a) errichtet, fuͤr eine beſtimmte, oder un- beſtimmte Zeit, oder fuͤr immer b) eingegangen werden. Davon iſt noch 3) der Fall verſchieden, wenn ein Staat dem andren nur eine Zahl Truppen zu ſeinem Dienſt ver- miethet. a⁾ Es waͤre zwar moͤglich daß eine Allianz bloß offenſiv waͤre; aber nicht leicht werden ſo Allianzen geſchloſſen. Die mehreſten Offen- ſiv-Buͤndniſſe ſind fuͤr gewiſſe Faͤlle eingegangen, doch giebt es auch allgemenie Offenſiv-Buͤndniſſe z. B. das Familienpact. Die mehreſten Defenſiv-Allianzen ſind allgemein gefaßt. Ueber das ſchwankende dieſer ganzen Eintheilung ſ. Galliani B. I. Cap. V. S. 160 u. f. b⁾ Viele, vor Ausbruch des Kriegs geſchloſſenem Defenſiv-Buͤnd- niſſe werden auf ewig errichtet; die nachher geſchloſſenen meh- rentheils nur auf gewiſſe Jahre. §. 294. Streit uͤber den caſus foederis. Aus der Verſchiedenheit dieſer Verbindlichkeiten iſt bey eintretendem Falle zunaͤchſt die Frage zu beurtheilen, ob der Alliirte zur Theilnahme verpflichtet, d. i. ob der caſus foederis vorhanden ſey, ſodenn was von ihm ge- fordert werden koͤnne. In Anſehung des erſten Puncts kommt es nicht nur auf die Erklaͤrung und Anwendung des Vertrags auf den vorliegenden Fall, ſondern auch darauf an, ob nicht aͤltere Vertraͤge, oder eigenes Beduͤrfniß der Verbind-

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Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/361>, abgerufen am 23.04.2024.